Warum eigentlich klemmt der Berührungsschutz bei Steckerleisten so oft?
Steckerleisten vereinfachen den Betrieb von mehreren Geräten. Alles andere als vereinfachend ist aber der oft verbaute Berührungsschutz. Gibt's den nicht in besser?
«Manchmal nutzt es wirklich nur, die Sicherungen vorsichtig kaputt zu machen (mit einer Spitze oder einem Schlitz-Schraubendreher rein und vorsichtig drauf hämmern).»
oder
«Es ist wahrscheinlich die stumpfsinnigste Antwort im ganzen Thread, aber ich habe gerade feststellen müssen: mit brachialer Gewalt geht es! :)»
und
«Sich beim Einstecken jedes Mal fast die Finger zu brechen, weil es so streng geht, kann ja nicht im Sinne des Erfinders sein. Mittlerweile greife ich zur Radikallösung und bohre die nervigen Plättchen einfach durch.»
Solche Lösungen werden in Internetforen vorgeschlagen, wenn mal wieder die Steckerleiste wegen des Berührungsschutzes klemmt. Sie sind nun wirklich nicht im Sinne des Erfinders. Die Mechanik soll vor allem Kinder vor einem Stromschlag schützen, wenn diese mit Neugier und Schrauben an den Leisten herumwerkeln. Denn nur mit gleichmässigem Druck auf beide Löcher schieben sich die Plastikplättchen zur Seite.
Der Schutz ist also durchaus sinnvoll. Aber dass sich Stecker deswegen oft nur sehr mühsam ein- und ausstecken lassen, ist frustrierend und bei weitem nicht nur ein Problem einzelner Foren-Fans. Kollege Kevin Hofer hat im Wahn sogar eine Steckdosenleiste komplett auseinandergebaut. Die Firma Brennenstuhl, die unter anderem Steckdosenleisten herstellt, hat dem Thema gar einen eigenen Bereich auf ihrer Website gewidmet. Das Problem ist also bekannt. Gibt es keinen besseren Mechanismus?
Falsches Handling und die Eurostecker
Der Berührungsschutz per se ist laut der Lectra Technik AG, einer Schwesterfirma von Brennenstuhl, nicht das Hauptproblem. Aus Konstruktionssicht sei er nicht schlecht gelöst und erfülle seinen Zweck. Er habe aber auch seine Nachteile, erschwertes Handling zum Beispiel. Die oft daraus resultierende Frustration beim Benutzer, die sich in gewalttätigem Reinpferchen des Steckers äussert, setze dem Berührungsschutz zu. Aber auch die Stecker selbst bereiten dem Mechanismus Mühe.
Die SN 441011 ist die Schweizer Steckdosen- und Stecker-Norm. Darunter aufgelistet sind unter anderem der dreipolige Stecker T12 und die dreipolige Steckdose T13 – zusammen auch bekannt als Typ J – und der zweipolige Stecker T11, welcher perfekt in die dreipoligen Steckdosen passt.
Dann gibt’s da aber auch den zweipoligen Eurostecker, der fast in ganz Europa Verwendung findet. Auch in der SN 441011 ist festgelegt, dass dieser Steckertyp in alle Schweizer Steckdosen passen muss. Tut er auch, aber nicht perfekt. Die Stifte sind etwas dünner als die des T11-Steckers, aber dafür leicht nach innen gebogen, um in allen Buchsen der unterschiedlichen Steckdosentypen Europas ausreichenden Kontakt herzustellen. Das erschwert die Handhabung. Der Stecker verhakt einfacher, der Mechanismus wird beschädigt, der Schutz klemmt, die Nutzerin ist frustriert. Das wiederum führt oft zu Gewaltanwendung, was den Berührungsschutz weiter beschädigt.
Was ist die Lösung?
Da der Berührungsschutz nicht obligatorisch ist, wird er unterdessen bei vielen Produkten weggelassen. So kann der Kunde selbst entscheiden, ob erhöhte Sicherheit oder vereinfachtes Handling Priorität hat. Auch Steckdosenleisten ohne Plastikschieber seien sicher. Der Berührungsschutz erhöhe die Sicherheit zusätzlich – vor allem für Kleinkinder und Haustiere.
Dieses Umdenken hat laut Lectra vor etwa 15 Jahren auf dem Bau begonnen. Arbeiter hätten sich beschwert, weil die Leisten stark verschmutzten, wodurch der Schutzmechanismus verklemmte. Da die «Kindersicherung» bei klar deklarierten Industrie-Steckerleisten tatsächlich nicht nötig sei und der ausdrückliche Wunsch geäussert wurde, verzichtete Brennenstuhl von da an bei den Produkten für den Bau auf den Schutz.
Kurz darauf häuften sich auch die Beschwerden von Privatkunden über das Handling mit dem Berührungsschutz. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass sich zur selben Zeit der Eurostecker immer mehr verbreitete.
Und was tun Länder wie Spanien oder Frankreich, in denen der Berührungsschutz Pflicht ist? In Spanien z.B. ist das Schuko-System vorherrschend, dennoch müssen auch die Eurostecker passen. Die Schuko-Stecker haben einen Vorteil. Sie sind grösser, was die mechanische Umsetzung vereinfacht.
Ob die Leute deshalb mit der Lösung zufrieden sind, kann nicht abschliessend gesagt werden. Zumindest in Deutschland, wo dieselben Voraussetzungen herrschen, finden sich unzählige Kommentare frustrierter Käuferinnen und Käufer. Für alle hierzulande, die mit dem Schutz einfach nicht klarkommen, gilt: Kaufe ab sofort Steckdosenleisten ohne Schutz – dafür gibt's bei uns sogar eine Filterfunktion – und verschenke die alten auf der Strasse oder im Bekanntenkreis.
Aber bitte versuche nicht, das Plastik mit der Bohrmaschine zu entfernen.
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