Hintergrund

Warum gerade viele Kunden dieses Radio kaufen

Livia Gamper
22.3.2022

In der Ukraine tobt ein schrecklicher Krieg. Und bei Digitec Galaxus werden plötzlich sehr viele Radios bestellt. Was das Eine mit dem Anderen zu tun hat und was im Ernstfall die wichtigsten Informationsquellen sind.

Das Radio mit dem Namen «Sailor SA-33N» fristete bis vor Kurzem ein Nischendasein im Sortiment von Digitec Galaxus, es wurde nur selten gekauft. Doch auf einmal wurde es innert kürzester Zeit fast 600 Mal bestellt. Junior Category Manager Michael Sievi zeigt mir die eindrücklichen Zahlen. Was ist passiert?

Die schrecklichen Geschehnisse in der Ukraine haben offenbar die Schweizerinnen und Schweizer daran erinnert, dass man im Katastrophenfall ein Radio zur Hand haben sollte. Seit Februar haben die Verkaufszahlen des Sailor-Radios Fahrt aufgenommen, um sich im März nochmals zu übertreffen. In diesen zwei Monaten wurde das Radio fünfmal mehr verkauft als im gesamten letzten Jahr.

Ein Blick in die Digitec Galaxus-Radioverkaufszahlen zeigt, dass zwar das TechniSat TechniRadio 3 und das Roadstar TRA-70 auch öfters bestellt wurden, jedoch nicht im Ausmass des SA-33N von Sailor. Was hat dieses Radio, was andere nicht haben? Die Antwort ist simpel: Es kann auch mit Batterien betrieben werden und es kann DAB+ sowie FM empfangen. Zudem ist es günstig.

Doch ist das Radio im Ernstfall noch immer das beste Informationsmedium? Bin ich im Falle eines längeren Stromausfalls ohne batteriebetriebenen Radio aufgeschmissen? Ich frage beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS nach.

Das batteriebetriebene Radio ist Bestandteil der individuellen Vorsorge

Andreas Bucher, BABS-Sprecher, erklärt mir, dass ein batteriebetriebenes Radio im Rahmen der individuellen Vorsorge für Krisenzeiten empfohlen wird. «Das Radio ist ein wichtiges Instrument für die Alarmierung der Bevölkerung, genauso wie die Sirenen und die App Alertswiss». Wer zu den Sirenen also ein funktionierendes Radio sowie die App einschalten kann, ist im Ernstfall gut ausgerüstet. Denn je nach Krisensituation könnte ein Informationsweg wegfallen. Dass das Mobilfunknetz ausfällt, sieht das BABS als eine der drei grössten Risiken in der Schweiz. Ohne Mobilfunknetz würde die Alertswiss-App nicht mehr funktionieren.

Andreas Bucher erwähnt diesbezüglich auch, dass beispielsweise bei einem Erdbeben die Wahrscheinlichkeit für einen Stromausfall erhöht ist – da die Infrastruktur bei einem solchen Fall beschädigt werden könnte. In diesem Fall bringt ein Radio an der Steckdose nichts mehr. Darum das batteriebetriebene Radio.

Die Bevölkerung muss aufgrund des Ukraine-Kriegs derzeit keine besonderen Massnahmen ergreifen, so Bucher. Es gelten die üblichen Empfehlungen zur Vorsorge. Diese Empfehlung beinhaltet auch den individuellen Notvorrat, den das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung zur Überbrückung von Versorgungsengpässen empfiehlt. Im untersten Abschnitt der Notvorrats-Liste ist das batteriebetriebene Radio vermerkt.

Radio: DAB+ im Normfall, in der Krise zurück zu UKW

Und wie verhält es sich zukünftig, wenn ich nur über ein älteres UKW-Radio verfüge? Denn Händler und Rundfunkbranche setzen auf die Karte DAB+, also digitales Radio. Die analoge Radioverbreitung wird seit 2020 schrittweise abgestellt. Stand jetzt soll UKW Ende 2024 abgeschaltet werden. Bis dann müssen UKW-Radioempfänger:innen auf DAB+ umrüsten.

Heisst das, dass ich ab 2024 mit einem UKW-Radio keine Notfallinformationen mehr erhalte? Caroline Sauser, Sprecherin vom Bundesamt für Kommunikation BAKOM schreibt mir dazu: «Wer ausschliesslich über UKW Radio hört, wird ab 2025 nur noch Programme aus dem Ausland empfangen können (sofern die Person in Grenznähe wohnt). Einzig die Informationen über das IBBK-Netz sind weiterhin über UKW empfangbar.» IBBK steht für das System zur Information der Bevölkerung durch den Bund in Krisenlagen und kommt zum Einsatz, falls die alltägliche Sendeinfrastruktur – zum Beispiel wegen eines massiven Blackouts – nicht mehr zur Verfügung steht.

In diesem Fall kann der Bund Sendestationen mit zusätzlichen stationären UKW-Notsendeanlagen in Betrieb nehmen. Diese verfügen über eine sehr grosse Sendeleistung und sind besonders geschützt. Dieses System sendet aber lediglich mit UKW. Alle DAB+-Radiogeräte verfügen standardmässig ebenfalls über UKW-Empfang – das heisst, im Katastrophenfall müsste das Radio einfach umgestellt werden. Allerdings prüft das BABS derzeit, ob die Informationen vom IBBK-Radio auch via DAB+ gesendet werden können. Erste Resultate seien laut Sauser vom BAKOM vielversprechend.

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