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Warum Handy-Kameras nicht schon längst viel besser sind
Die Smartphone-Hersteller sollen lieber mal anständige Sensoren in die Kameras bauen anstatt immer mehr Linsen auf die Rückseite packen. So lautet eine gängige Forderung. Es gibt allerdings gute Gründe, wieso dies auch in Zukunft nicht passieren wird.
Redaktionskollege Dominik hat sich in einem Beitrag kürzlich auf den Standpunkt gestellt, dass es gar nicht so drauf ankommt, wie viele Kameras auf der Rückseite deines Smartphones sind. Denn das Rennen wird bei der Software entschieden.
In den Kommentaren zu diesem Artikel schreibt der User Tony s:
Was für ein unglaublich dämlicher Trend. Mal aus der sicht eines Fotografen... Die sollten mal lichtstarke Linsen (f1.2 /1.4) und grössere Sensoren (niedrigere Pixeldichte und somit viel weniger Bildrauschen) in die Smartphones packen.
So einfach ist das leider nicht. Aber ich glaube, diese Ansicht ist weit verbreitet. Darum möchte ich genauer darauf eingehen.
Was die lichtstarken Linsen betrifft: Das haben die Hersteller begriffen und sich in den letzten Jahren schon deutlich verbessert. Es gibt einige Smartphone-Kameras mit Lichtstärke f/1.6, das Samsung Galaxy S9 hat sogar f/1.5. Es gibt aber ein Problem: Die Blende einer gewöhnlichen Smartphone-Kamera kann nicht verändert werden. Bei einer sehr hohen Lichtstärke bedeutet das, dass bei Sonnenschein zuviel Licht auf den Sensor gelangen kann und die Fotos überbelichtet werden. Daher hat das Samsung Galaxy S9 als erstes Smartphone der Welt eine verstellbare Blende. Ich weiss nicht, wie schwierig es ist, eine verstellbare Blende in ein so winziges Objektiv einzubauen – aber auf jeden Fall macht das die Konstruktion komplizierter und teurer.
Und nun zum interessanteren Punkt, nämlich der Sensorgrösse. Natürlich würde ein grösserer Sensor vieles besser machen:
- Die Pixel wären grösser und lichtempfindlicher.
- Dadurch würde es weniger Bildrauschen geben.
- Die Kamera könnte grössere Helligkeitsunterschiede abbilden.
- Bei einem wirklich sehr grossen Sensor könnte sogar die Unschärfe auf natürliche Art zustande kommen und müsste nicht durch diesen künstlichen Bokeh-Effekt erzeugt werden.
Es ist also verständlich, dass Fotografiebegeisterte nach grösseren Sensoren verlangen. Warum hören die Hersteller nicht auf sie?
Die Antwort ist einfach: Grössere Sensoren sind physikalisch gar nicht möglich.
Warum ein Smartphone keinen grossen Sensor haben kann
Die Sensorgrösse muss in einem sinnvollen Verhältnis zur Brennweite stehen. Denn beide Faktoren, Sensorgrösse und Brennweite wirken sich auf den Bildausschnitt aus.
- Je grösser der Sensor, desto grösser der Bildausschnitt (bei gleicher Brennweite).
- Je länger die Brennweite, desto kleiner der Bildausschnitt (bei gleicher Sensorgrösse).
![Je länger die Brennweite, desto kleiner der Blinkwinkel und damit der Bildausschnitt.](/im/Files/1/8/3/4/6/4/8/6/Image.jpg?impolicy=resize&resizeWidth=430)
Das bedeutet: Wenn wir einen grösseren Sensor verwenden wollen, müssen wir die Brennweite verlängern, um den gleichen Bildausschnitt zu erzeugen. Und genau hier liegt das Problem. In einem Smartphone ist die Brennweite sehr kurz, in der Regel vier Millimeter. Objektiv und Sensor sind so gebaut, dass bei diesen vier Millimetern ein bestimmter Bildausschnitt entsteht, den wir als Weitwinkel bezeichnen. Das bedeutet, dass der Bildausschnitt eher gross ist. Es wird viel von der Umgebung eingefangen, weit Entferntes kannst du nur sehr klein abbilden.
Wenn ich nun einen grösseren Sensor nehme, wird der Ausschnitt noch grösser. Das will ich aber nicht, weil der tendenziell eh schon zu gross ist.
![Ein grösserer Sensor ohne Anpassung der Brennweite führt zu unbrauchbaren Bildausschnitten.](/im/Files/1/8/3/4/6/4/8/7/Image2.jpg?impolicy=resize&resizeWidth=430)
Ich müsste also die Brennweite verlängern, um wieder den gleichen Bildausschnitt zu haben. Das wiederum geht aber nicht, weil dann das Smartphone dicker sein müsste. Oder die Kamera des Smartphones würde deutlich hervorstehen. Irgendwie muss ja der Abstand zwischen Sensor und Objektiv vergrössert werden. In jedem Fall entsteht eine Bauform, die kein Mensch an einem Smartphone haben will.
Ein Wort zu Brennweitenangaben
Immer mal wieder ist zu lesen, das iPhone oder das Galaxy S9 habe eine Brennweite von 26 Millimetern. Das ist falsch, diese Phones haben wie gesagt 4 Millimeter Brennweite. Diese 26 mm bezeichnen im Grunde gar nicht die Brennweite, sondern den Bildausschnitt.
Gemeint ist, dass der Bildaussschnitt der gleiche wäre wie bei einer Kleinbildkamera (=Vollformatkamera) mit einer Brennweite von 26 mm. Diese Grösse wird verwendet, um den Bildausschnitt von Objektiven miteinander zu vergleichen, obwohl sie unterschiedliche Sensorgrössen haben. Man nennt diesen Wert etwas irreführend «Kleinbild-Brennweite», woraus dann schnell nur «Brennweite» wird, was definitiv falsch ist. Ein Phone, das tatsächlich eine Brennweite von 26 mm hätte, müsste mindestens 26 mm dick sein.
Wie dick ein Smartphone mit grossem Sensor wäre
Der Bildausschnitt, den wir als «normal», als natürlich empfinden, liegt bei 50 mm im Kleinbildformat. Bei einem typischen Smartphone-Sensor wären das 7 bis 8 mm. Das könntest du vielleicht noch knapp tolerieren. Wenn du sehr tolerant bist.
Wenn wir nun den Sensor einer Kompaktkamera wie der Sony RX100 in ein Smartphone setzen, dann liegt die Brennweite für diesen Bildausschnitt bei 18.5 mm. Das Smartphone müsste etwa zwei Zentimeter dick sein. Beim Smartphone-typischen Weitwinkel-Bildausschnitt wäre es immer noch einen Zentimeter dick. Mindestens.
![Panasonic Lumix DMC-CM1, eine Mischung aus Smartphone und Kompaktkamera](/im/Files/1/8/2/9/7/5/5/1/panasonic%20lumix%20dmc-cm1.jpg?impolicy=resize&resizeWidth=430)
Hersteller wie Samsung, Nikon und Panasonic haben es schon versucht. Die «Smart Camera» Panasonic Lumix DMC CM1 hat tatsächlich einen Sensor so gross wie bei der Sony RX100. Wenig überraschend: Mit dem hervorstehenden Objektiv ist das Ding etwas über zwei Zentimeter dick.
Du kannst es auch umgekehrt denken: Sony würde seine Kompaktkamera bestimmt auch nur ein paar Millimeter dick machen, wenn das physikalisch möglich wäre. Die machen das Zeug nicht extra so dick, um dich zu ärgern.
Software und Mehrfachkameras sind ein Ersatz
Dass die Smartphone-Hersteller intensiv an ihrer Kamera-Software herumbasteln und in letzter Zeit immer mehr Linsen auf die Rückseite packen, hat eben auch mit den physikalischen Limiten der Hardware zu tun. Anders gesagt: Die Konzerne müssen dort etwas ändern, wo sich etwas ändern lässt.
Viele Software-Tricks haben in der einen oder anderen Form etwas mit Mehrfachaufnahmen zu tun. Entweder schiessen mehrere Objektive gleichzeitig ein Bild, oder das gleiche Objektiv macht ganz schnell mehrere Fotos hintereinander. Diese fast identischen Bilder werden anschliessend zu einem «Masterbild» zusammengerechnet. Dadurch lassen sich Schwächen der Hardware überdecken.
Dennoch glaube ich auch, dass immer mehr Kameras nicht viel bringen. Die bekanntesten Tricks von Mehrfachbildern funktionieren mit der Methode «schnell aus einer Kamera». Etwa die Beseitigung von Bildrauschen oder zu hartem Licht. Mit mehreren Kameras lassen sich zwar mehrere Bildausschnitte realisieren. Es entsteht so etwas Ähnliches wie eine Zoom-Fähigkeit. Allerdings entsteht dieser Zoom nicht in erster Linie durch die Verlängerung der Brennweite – weil das eben nicht geht – sondern vor allem durch Verkleinern des Sensors.
Titelbild: Adobe Stock/Dakota. Sein Handy wäre dick genug, aber wer will heute noch so was?57 Personen gefällt dieser Artikel
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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.