Hintergrund

Weltbevölkerungstag: Menschheit wächst trotz sinkender Geburtenrate – noch

Anna Sandner
11.7.2023

Noch nie lebten so viele Menschen auf der Erde wie heute. Bildung, Chancengleichheit und bessere Gesundheitsversorgung verlangsamen das Bevölkerungswachstum aber. Obwohl bereits die meisten Menschen in Ländern mit niedriger Geburtenrate leben, wächst die Weltbevölkerung dennoch erst mal weiter.

Im November 2022 wurde sie geknackt: die 8-Milliarden-Grenze. Und die Zahl der Menschen auf der Welt steigt auch jetzt weiter an. Seit 1974 hat sie sich verdoppelt, damals wurde die 4-Milliarden-Marke überschritten. Die rasant wachsende Weltbevölkerung ist auf die Geschichte der Menschheit bezogen ein neues Phänomen. Erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts, als es erstmals über eine Milliarde Menschen auf der Welt gab, steigt die Zahl immer schneller an. Doch wie lange noch?

Immer mehr Länder unter dem Bestandserhaltungsniveau

Aktuell bekommt im weltweiten Durchschnitt jede Frau 2,3 Kinder. Zum Vergleich: Anfang der 1960er Jahre lag dieser Wert noch bei 5 Kindern pro Frau. Seither geht er kontinuierlich zurück. Ab einem Wert unter 2,1 ist das sogenannte Bestandserhaltungsniveau erreicht. Das bedeutet, wenn im Schnitt jede Frau weniger als 2,1 Kinder bekommt, nimmt die Bevölkerung insgesamt ab. 1957 war Serbien das erste Land mit einer Geburtenrate unter dem Bestandserhaltungsniveau. In Dänemark und Finnland wurde der Wert 1969 erreicht. Und immer mehr Länder ziehen nach: 1972 die USA, China durch die Einführung der Ein-Kind-Politik 1991, Brasilien 2003 und unlängst auch Indien 2020, das mittlerweile bevölkerungsstärkste Land der Erde. In Europa lag die Geburtenrate zuletzt weit unter dem Bestandserhaltungsniveau bei unter 1,5 Kindern pro Frau.

Zum Weltbevölkerungstag am 11. Juli 2023 leben nun bereits mehr Menschen (68 Prozent der Weltbevölkerung) in Ländern mit einer Geburtenrate unter 2,1, also unter dem Bestandserhaltungsniveau. Trotzdem wird die Zahl der Menschen auf der Welt weiter wachsen. Der Grund dafür: die sogenannte «demographische Trägheit». Aufgrund der jungen Altersstruktur wirken sich die niedrigen Geburtenraten erst zeitversetzt aus. Neben anderen Unsicherheiten erschwert das die genaue Vorhersage der weiteren Bevölkerungsentwicklung.

Höchststand und Wendepunkt schon im Jahr 2040 erreicht?

Eine Prognose der Vereinten Nationen kommt zu dem Ergebnis, dass die Weltbevölkerung bereits im Jahr 2040 einen Höchststand von 8,5 Milliarden Menschen erreicht haben könnte. Dann könnte die Zahl der Menschen auf der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts auf 6 Milliarden schrumpfen. Die Initiative Earth4All setzt dafür aber stark steigende Investitionen in Bildung, wirtschaftliche Entwicklung und Gesundheit voraus.

Ein zweites Szenario geht für das weltweite Bevölkerungsmaximum von einem späteren Zeitpunkt um das Jahr 2080 aus, wonach zu diesem Zeitpunkt rund 10,4 Milliarden Menschen auf der Erde leben würden.

Bildung, Gesundheit und Wohlstand lassen Geburtenzahlen sinken

Ein entscheidender Faktor für die Zahl der Geburten ist die Selbstbestimmung der Frauen. Einem aktuellen UN-Bericht zum Stand der Weltbevölkerung zu Folge haben 24 Prozent der Frauen und Mädchen weltweit keine Möglichkeit, «Nein» zum Sex zu sagen. In vielen Ländern hat der weibliche Teil der Bevölkerung noch immer kaum ein Mitspracherecht bei der Familienplanung. Elf Prozent der Frauen können keine autonomen Entscheidungen zur Verhütung treffen. Und auch der Zugang zu Verhütungsmitteln ist für viele allein aus Kostengründen nicht möglich. Als entscheidender Faktor für den Rückgang der Geburtenrate gilt der Bildungsstand der Frauen. Durch eine bessere Bildung in der weiblichen Bevölkerung steigt die Chancengleichheit und damit die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben. Erhalten Frauen Zugang zu Bildung und einer besseren Gesundheitsversorgung, sinken die Geburtenraten automatisch.

Titelfoto: Mauro Mora/Unsplash

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Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.

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