Wer braucht eigentlich UHD Blu-rays?
Physische Speichermedien sind tot. Es leben die physischen Speichermedien. Eine Liebeserklärung an die silbrigen Scheiben, die immer teurer werden. Und ein Aufruf, sie nicht aussterben zu lassen.
Das kleine, etwa Taschenbuch grosse Paket, das ich in Händen halte, riecht nach frischem Karton. Woher ich weiss, wie frischer Karton riecht? Weiss-ich-doch-nicht, aber bestimmt in etwa so. Alt kann das Paket ja noch nicht sein. Das schweizerische Postwesen funktioniert. Und meine neue Ultra HD Blu-ray ist endlich da.
«Blade Runner 2049», ich liebe dich jetzt schon.
Ultra HD (UHD) ist die Nachfolgerin von Full HD (FHD). Ihre Auflösung ist viermal höher. In Zahlen bedeutet das: 3840 × 2160 Pixel gegen 1920 × 1080 Pixel. Mit den neuen UHD-Fernsehern können entsprechende UHD-Inhalte angeschaut werden.
Im Zeitalter von Glasfaserkabel und WLAN tun das die Meisten, in dem sie von Anbietern wie Netflix oder Google Play digitale Inhalte streamen. Physischen Speichermedien wie etwa DVDs oder Blu-rays droht das gleiche antiquitäre Schicksal wie VHS-Kassetten, Telefonkabinen und Dinosauriern.
Nun, wer braucht dann eigentlich noch UHD Blu-rays?
Ich. Und ich habe meine Gründe.
Streaming: Des physischen Speichermediums Tod
Ultra HD Blu-rays werden kaum gekauft (zwei Prozent Marktanteil). Das sagt die GfK, ein Marktforschungsinstitut in Deutschland. Schlimmer: Der Markt für physische Speichermedien scheint zu schrumpfen. Und das, obwohl es immer mehr UHD-Fernseher in unseren Wohnzimmern gibt, die sich zum Schauen von Ultra HD Blu-rays qualifizieren. Wieso?
Streaming-Anbieter.
Das Streamen digitaler Medien wie Filme, Serien oder sogar Spiele ist beliebter denn je. Ich mache es ja auch. Denn dank Netflix und Konsorten ist das alles nur einen Klick entfernt. Ich denke über meine Blade-Runner-Scheibe nach, die ich gerade in den Ultra HD Blu-ray-Player lege.
- Zuerst habe ich sie gekauft, online
- Dann nach Hause liefern lassen, das hat ein paar Tage gedauert
- Dann habe ich sie in den Player, der auch einmal erworben werden wollte, gelegt
- Und zum Schluss abgespielt
Eigentlich mühsam. Wenigstens muss ich den Film nicht mehr zurückspulen, wie bei einer VHS-Kassette. Dunkle Zeiten waren das.
Ich will nicht so tun, als ob mich das alles eine unzumutbare, physische Überwindung gekostet hätte. Aber etwas umständlicher als über Smart-TV-App meinen Wunschfilm auszuwählen und abzuspielen, ist es schon. Die Sache mit dem Streamen ist aber die: Alle Inhalte sind stark komprimiert.
Komprimieren bedeutet, dass eine grosse Datei kleiner gemacht wird, als sie eigentlich ist. Das geht natürlich nicht einfach so. Wenn ich eine Datei, die zum Beispiel 150 GB gross ist, auf 50 GB trimmen möchte, dann muss ich ihr etwas wegnehmen. Dadurch wird sie leichter. Was ich ihr wegnehme, sind in der Regel Bild- oder Toninformationen. Bildrauschen und Artefakte entstehen. Sachen wie «wie viele Grübchen sehe ich auf Harrison Fords Gesicht» oder «wie viel Bass hat der Revolverschuss». Und das wiederum wirkt sich negativ auf die Ursprungsqualität der Datei aus.
Und genau das tun Streamingdienste – Daten komprimieren. Warum? Wegen der begrenzten Übertragungsrate, in der Daten via Internet vom Server zu deinem Fernseher fliessen. Diese beträgt bei UHD Content in etwa 20-30 Megabits pro Sekunde (Mbit/s), je nach Streaminganbieter und -Abo. Das reicht hinten und vorne nicht, um einen 150 GB grossen Film ruckelfrei und innert nützlicher Frist vom Server zu deinem Fernseher zu übertragen. Also muss der Film komprimiert werden. Die Folge: Bild- und Tonqualität leiden unter der Komprimierung.
Ich blicke auf meinen Fernseher. Agent 'K' ist ein Blade Runner. Er jagt abtrünnige Replikanten – künstliche Menschen – die sich in einer düsteren Zukunft im Jahre 2049 von ihrem Sklavendasein losgesagt haben. Gefunden hat er Sapper Morton, ein Hühne von Replikant. Während der Szene rufe ich mir in Erinnerung, dass auch UHD Blu-rays auf komprimierte Daten zurückgreifen.
Eine Ultra HD Blu-ray hat eine Speicherkapazität von etwa 100 GB. Für die meisten Filme reicht das nicht aus. Abgesehen vom Bild gibt’s ja meistens auch noch etwas Bonusmaterial und verschiedene Tonspuren. Die Daten sind aber nicht ansatzweise so stark komprimiert, wie jene von Streaming-Plattformen. Dank der Übertragungsrate von HDMI-Kabeln mit ihren 18 000 Mbit/s muss die Datei nur so lange komprimiert werden, bis sie gerade so auf die Scheibe passt.
Also: Gestreamte UHD-Inhalte sehen immer schlechter aus, als wenn sie von einer Ultra HD Blu-ray abgespielt würden. Das gilt übrigens auch für die Tonqualität.
Ultra HD Blu-rays sind irre teuer!
Agent 'K' und Replikant Sapper liefern sich einen fulminanten Faustkampf. 'K' hätte den Replikanten lieber festgenommen, aber Sapper hat ihm keine Wahl gelassen. Die Spannung lässt mich an meinen Fingernägeln kauen. Dann denke ich an «The Matrix» zurück, einer der einflussreichsten Filme meiner frühen Jugend. Damals habe ich auch keine Wahl gehabt.
Für’s Kino bin ich nämlich zu jung gewesen. Später an der Ladentheke gab’s Rückendeckung von meinem älteren Bruder. Ich erinnere mich noch an sein kopfschüttelndes Schnauben, begleitet von einem «du spinnst doch» – die erste DVD, die ich in meinem Leben gekauft habe, hatte mich ein halbes Vermögen gekostet. Es war mir egal.
Heute habe ich einen eigenen Haushalt, zahle Steuern und Stromrechnungen. Mit einem einfachen «ist mir egal» ist es nicht mehr getan. Trotzdem leiste ich mir den Luxus einer physischen Scheibe. Man könnte fast meinen, ich sei reich. Oder wenigstens in der Nähe davon.
Damals galten DVDs als teuer, dann kamen die Blu-rays. Neue Speichermedien rechtfertigen ihren Preis immer mit einer deutlich verbesserten Bild- und Tonqualität. Das ist heute nicht anders.
«Aber UHD Blu-rays kosten mehr als eine monatliche Prämie bei Netflix», empören sich manche.
Stimmt. Streaming-Dienste bieten ein Riesenangebot für eine monatliche Gebühr an, die deutlich unter dem Preis einer einzelnen UHD Blu-ray liegt. Die Empörung ist nicht ganz unberechtigt.
Dennoch: Eine UHD Blu-ray besitze ich, physisch. Sie gehört mir, und ich kann sie ohne Internet überall hin mitnehmen. Gestreamte Inhalte gehören mir hingegen nicht. Gucke ich eine Serie auf Netflix oder kaufe ich mir einen Spielfilm via Google Play oder Apple TV, kaufe ich lediglich das Recht, einen Film zu streamen, der auf irgendeinem Server irgendwo auf der Welt liegt. Verliert das Unternehmen die Lizenzrechte – so geschehen bei Netflix mit vielen Disney-Inhalten, die von der Plattform verschwunden sind – verliere ich auch das Recht am Streamen jener Inhalte.
«Nun, Pech», heisst es dann bei Netflix. Bei Google oder Apple erhalte ich wenigstens mein Geld zurück. Wirklich befriedigend ist das alles nicht. Als Sammler möchte ich die Dinge, die ich kaufe, besitzen.
Ums Sammeln alleine geht’s mir aber nicht. Auf einer UHD Blu-ray bekomme ich nämlich nicht nur den Film, sondern auch Bonusinhalte wie Making-Ofs, geschnittene Szenen, Gag-Reels und Audiokommentare von Regisseur, Drehbuchautor oder Schauspielern. Das ist für mich genauso viel wert, wie der Film selber. Und eine kleine Rechtfertigung für den hohen Preis einer physischen Scheibe.
Derweil donnert Sapper Agent 'K's Kopf gegen die Wand. Im Hintergrund verlangt ein blubbernder Kochtopf mit einem eindringlichen Pfeifen nach sofortiger Aufmerksamkeit. Als ob einer der beiden Männer gerade Zeit hätte. Ich liebe das, und freue mich bereits aufs Making-Of.
Viel wichtiger als die Auflösung ist der Kontrast
Ultra HD Blu-rays versprechen eine viermal höhere Auflösung als Full HD Blu-rays. Das klingt in der Theorie fantastisch, ist in der Praxis aber gar nicht so entscheidend. Der Unterschied zwischen Ultra HD und Full HD ist tatsächlich kaum zu sehen. Das hat zwei simple Gründe:
- Der Fernseher, auf dem UHD-Inhalte abgespielt werden, ist zu klein
- Die Zuschauer sitzen zu weit vom Fernseher entfernt
Der ideale Sitzabstand lässt sich rauskriegen, indem die Länge der Bilddiagonalen mit dem Faktor 1.5 multipliziert wird. Bei einem 65-Zöller wären das also 165 cm × 1,5 = 247.5 cm. Je weiter entfernt gesitzt wird, desto weniger kann der Unterschied zwischen UHD und FHD erkannt werden. Und selbst, wenn der ideale Sitzabstand eingehalten wird: Die grössere Auflösung hat keinen so verrückt grossen Einfluss auf die gefühlte Bildqualität, wie man vielleicht denkt.
Aus Marketing-Sicht ist die Rechnung «höhere Auflösung = bessere Bildqualität» einfacher zu vermarkten. Daher der ständige Fokus auf UHD, 4K, 8K und was-weiss-ich-noch-alles. Was aber am meisten für die Bildqualität von UHD Blu-rays spricht, ist der erweiterte Kontrastumfang. Namentlich: High Dynamic Range (HDR).
Einfach gesagt bedeutet ein erweiterter Kontrastumfang, dass der Unterschied zwischen dem dunkelsten und hellsten Bildpunkt grösser ist, als bei einer herkömmlichen Blu-ray. Das wirkt sich positiv auf die Farben aus, weil mehr unterschiedlich helle oder dunkle Farbtöne dargestellt werden können.
In Zahlen bedeutet das: Je nach HDR-Format kriegst du zwischen 1.07 Milliarden (HDR10) und 69 Milliarden Farben (Dolby Vision). Blu-rays bringen im Vergleich dazu «nur» etwa 16 Millionen Farben. Ein enormer Unterschied. Noch technischer gesprochen heisst das, dass UHD Blu-rays etwa 75% des für uns Menschen sichtbaren Farbraums abdecken (Rec. 2020). Blu-rays hingegen decken bloss 45% ab (Rec. 709), also nicht einmal die Hälfte.
UHD Blu-rays können somit mehr Farben und Details dank hohem Kontrast darstellen, als Blu-rays. Farben wirken kräftiger, satter, aber dennoch natürlich. Letzteres vor allem deswegen, weil das gezeigte Bild eher derjenigen Realität entspricht, die unser Auge wahrnimmt. Die viermal höhere Auflösung ist ein Bonus, der dann zum Tragen kommt, wenn du eine wirklich grosse Glotze (65 Zoll oder grösser) in deinem Wohnzimmer stehen hast.
Fazit: Meine Sammlung gebe ich nicht mehr her
Ich liebe meine Ultra HD Blu-rays. Ich bereue keinen Franken, den ich für sie ausgegeben habe. Nicht nur wegen der hohen Auflösung, sondern wegen High Dynamic Range. Denn Farbe ist wichtiger als rohe Pixelmasse.
Dazu kommt, dass UHD Blu-rays gegenüber Streams die bestmögliche Bild- und Tonqualität bieten, die es nach dem heutigen Stand der Technologie gibt. Zudem habe ich mit dem physischen Speichermedium die Gewissheit, dass die Filme mir gehören – und nicht bloss das Recht, sie zu streamen. Ich kann sie jederzeit mitnehmen oder jemandem ausleihen, ganz ohne Internet.
Und das ganze Bonusmaterial gibt’s im Stream sowieso nicht. Dabei mag ich es genauso sehr, wie den Film selbst.
Endlich hat Agent 'K' die Oberhand. Seine Waffe ist auf den Replikanten gerichtet.
«Wie fühlt sich das an, deine eigene Art zu töten», fragt Sapper. Er tut das, weil Agent 'K' selbst ein Replikant ist. Ein weiterentwickelter Replikant.
«Ich töte meine Art nicht. Sie rennt nicht weg. Nur die älteren Modelle tun das», antwortet er.
«Ihr neuen Modelle», schnappt Sapper, «ihr seid glücklich, Scheisse zu kratzen, weil ihr noch nie ein echtes Wunder gesehen habt».
Die beiden Schüsse aus Agent 'K's Revolver töten ihn sofort. Der Blade Runner ahnt nichts vom besagten «Wunder», welches das Potential birgt, die noch vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen ins totale Chaos zu stürzen. Noch nichts.
Gebannt folge ich der Geschichte.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»