Wie exzessiv kann man «Fallout 4» in VR geniessen?
Als ehemaliger «Fallout 4-Junkie» hatte ich nach dem Release einige Nächte damit verbracht, bis 03:00 das Ödland zu erkunden. Wohlgemerkt auch dann, wenn am nächsten Morgen wieder das Büro gerufen hat. Darum meine Frage: Schaffe ich das auch mit der HTC Vive in der virtuellen Realität?
Als einer der ersten, welcher bereits eine HTC Vive zuhause hatte, habe ich mich besonders gefreut als ich gehört habe, dass Bethesda eine VR-Version dieses Games herausbringen würde. Was für mich nämlich bis jetzt immer gefehlt hat, sind wirklich grosse AAA-Titel auf dieser Plattform.
Das Intro hat sofort wieder das alte «Fallout»-Gefühl aufleben lassen. Danach geht es bereits los mit der Charaktererstellung. Diese ist zwar nicht so umfangreich wie bei der PC-Vorlage, allerdings sieht man seinen eigenen Charakter sowieso nicht, also ist mir das im Prinzip egal. Was mir als erstes auffällt ist, dass ich in keinster Weise Motion Sickness betroffen zu sein scheine. Ich kann die Steuerung in der freien Bewegung mit dem Linken Pad nutzen, die Geschwindigkeit auf die höchste Stufe stellen und brauche auch sonst keine Hilfsmittel. Alternativ kann man eine Teleportfunktion aktivieren, welche meiner Meinung nach aber die Immersion stört.
Das Ödland in der virtuellen Realität
Das Spiel wurde komplett für VR angepasst. Es handelt sich also im Grunde genommen nicht um einen originalen VR-Titel, sondern eher so etwas wie ein gut gemachter Port.
Bei meinem ersten Versuch habe ich es zugegebenermassen nur 45 Minuten ausgehalten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits war ich mich VR nicht mehr gewöhnt und andererseits wurde das Erlebnis immer wieder durch Mikroruckler getrübt. Meine GTX-1070 wurde gegen eine GTX-1080Ti getauscht und das Problem damit glücklicherweise gelöst. Die Grafik lässt sich leider praktisch nicht anpassen. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit haben mich die verwaschenen Texturen aber auch nicht mehr so gestört. Mittlerweile schaffe ich zwei Stunden im Ödland, danach wird es mir zu mühsam, da ich die meiste Zeit stehe und mich primär mit Kopf und Armen bewege.
Da ich «Fallout 4» bereits in der Originalversion durchgespielt habe, kommt mir vieles auf Anhieb wieder vertraut und bekannt vor. Dies ist einerseits schön (Wiedersehen mit Piper in VR), andererseits ist dadurch meine Geduld auch nicht mehr so gross. Längeren Dialogen zu lauschen kann ziemlich anstrengend werden, da man effektiv vor den jeweiligen Personen steht. Irgendwie so ähnlich wie Smalltalk an Cocktailpartys. Details in der Umwelt bekommen durch die neugewonnene Nähe dafür plötzlich eine andere Bedeutung. Die vielen Schaufensterpuppen wirken richtig unheimlich und auch die radioaktiven Gewitter lassen mich teilweise erzittern.
Bewegung real vs. virtuell
Entweder gehöre ich zu den glücklichen, welche wirklich keine Probleme mit der virtuellen Welt haben, oder die Entwickler haben es tatsächlich hingekriegt, dass die Steuerung angenehm verläuft. Ich kann die Richtung bestimmen, in welche ich im Game gehe und gleichzeitig aber auch schrittweise Drehbewegungen machen, wie ich das auch bereits bei «Resident Evil 7» gesehen habe. In der Interaktion mit der Umwelt merkt man dem Spiel leider teilweise an, dass es ursprünglich nicht für die virtuelle Welt entwickelt wurde. Behältnisse wie z.B. ein Kühlschrank lassen sich nicht von Hand öffnen. Ich muss mit der Hand darauf deuten und einen Knopf drücken, danach wird eine Liste mit dem Inhalt angezeigt, genau wie bei der PC-Vorlage.
Das Menü mit den Statistiken, Quests und dem Inventar ist komplett über den Pip-Boy gelöst – der kultige Armcomputer. Ich finde diese Art der Umsetzung extrem witzig, da ich so nicht aus dem Spielgeschehen gerissen werde. Um den Pip-Boy aufzurufen muss ich bloss den Arm heben und ihn effektiv anschauen – genial! Allerdings ist die Bedienung des Pip-Boy selber etwas gewöhnungsbedürftig, da ich dazu das Trackpad benutzen muss.
An der Steuerung gefallen besonders die Kampfsituationen. Einerseits kann man mit den Waffen über Kimme und Korn zielen, wahlweise (oder zur Not) lassen sich die Gegner aber auch durch Hiebe mit den Waffen vom Leib halten. Das war bei mir der Fall, als ich aus dem Hinterhalt von Ghoulen angegriffen wurde. So eine Situation bekommt virtuell eine völlig andere Dramatik. Das VATS-Zielsystem wurde ein Wenig angepasst, so dass man von Anfang an mehr Angriffe in Zeitlupe ausführen kann. Das macht in VR mehr Sinn und auch mehr Spass.
…wenn doch da nicht das störende Kabel an der Vive wäre
Bis jetzt hat mich das Kabel an der HTC Vive in den eher kurzen VR-Erlebnissen nicht weiter belastet. Bei «Fallout 4 VR» sah die Situation dann aber plötzlich anders aus. Sobald ich mich wohl und sicher in der virtuellen Welt gefühlt habe, kam das doofe Kabel in den Weg und hat meine Immersion gestört. Zum Glück verspricht der TPCast Wireless Adapter da Abhilfe zu schaffen. Die Installation war zwar nicht so einfach wie ich sie mir vorgestellt hatte, aber seit das Ding läuft, kann ich mich nicht beschweren. Es passt alles zusammen und ich kann mich endlich frei bewegen. Nach einem kurzen Zusammenstoss mit einem Regal bin ich mir aber auch wieder bewusst, dass ich in einer virtuellen Welt bin und die reale Umgebung bestehen bleibt.
Ein grosser Schritt in eine spannende Zukunft
Mein Versuch, bis in die tiefe Nacht hinein im virtuellen Ödland zu verbringen, ist gescheitert. Trotzdem hat mich «Fallout 4 VR» enorm beeindruckt. Nachdem ich mit einer neuen Grafikkarte und dem TPCast mein Setup aufgewertet habe, macht es enorm Spass. Ich denke nicht, dass ich viel länger als zwei Stunden am Stück durchhalten werde, aber das muss eigentlich auch gar nicht sein. Mir hat das Spiel gezeigt, dass es tatsächlich möglich ist, eine so grosse Welt wie jene von «Fallout 4» in eine virtuelle zu verwandeln. Ich persönlich bin nach wie vor überzeugt, dass VR die Zukunft ist und mit «Fallout 4 VR» sind wir damit einen grossen Schritt nähergekommen.
Mit der Gaming-Welt bin ich schon früh in Kontakt gekommen. Aufgewachsen mit Gameboy, SNES und Star Wars-Kassetten, waren Luke, Link und Ark (davon schwinden mir immer noch die Sinne... #insiderjoke) meine Helden. Später haben mich dann «westlichere» Titel wie Baldur’s Gate oder Gothic geprägt, bis ich dann schlussendlich auch noch Halo und Call of Duty entdeckt habe. Die Duron 700 MHz CPU habe ich einmal zum Geburtstag geschenkt gekriegt, bis ich sie dann mangels damaliger Kenntnisse und Übertakt-Wahn verbraten habe. Mittlerweile habe ich zudem auch schon auf einigen kleinen bis sehr grossen Bühnen in der Schweiz gespielt, weil ich mit der Musik eine zweite grosse Leidenschaft entdeckt habe.