Logitech MX Ergo
Kabellos
In einer perfekten Welt gäbe es sie nicht mehr: die Trackball-Maus. Und doch hat sie ihren Weg auf mein Pult gefunden.
In einem früheren Artikel habe ich eine ergonomische vertikale Gaming-Maus getestet. Mein Fazit: Sie erfüllt meine Bedürfnisse nicht. Das, obwohl einige Leserinnen und Leser durchaus von positiven Erfahrungen berichten. Doch was mich stutzig machte, waren diese zwei Kommentare:
Gamen mit einer Trackball-Maus? Das soll gehen? Ich bin skeptisch. Deshalb bestelle ich eine Maus mit Kugel und teste sie – im Dienste der Digitec-Community.
Eine Trackball-Maus ziehst du nicht über die Tischplatte, sondern rotierst eine in der Maus verbaute Kugel – meistens benutzt du dafür den Daumen. So bleibt der Unterarm an Ort und Stelle auf der Tischfläche liegen. Das soll die Belastung des Handgelenks vermindern. Mein Modell ist für eine natürlichere Haltung etwas gekippt und hat an der Seite die Maustasten 4 und 5.
Um mich an die Kugelmaus zu gewöhnen, nähere ich mich stufenweise an. In jedem Level stelle ich mich einem neuen Genre. Zuerst versuche ich zwei Strategiespiele, dann ein MMORPG und schliesslich zwei Shooter.
Der Battle-Royale-Modus des Kartenspiels «Hearthstone» erfordert keine schnelle Reaktion oder genaues Zielen. Meistens habe ich für meinen Zug mehr als genug Zeit – zumindest anfangs. Ich ziehe die Karten zwar langsam, aber doch korrekt an den richtigen Ort.
Doch je weiter ich komme, desto mehr Aktionen kann und muss ich während meines Zugs ausführen. «Hearthstone» spiele ich ausschliesslich mit der Maus. Gegen Ende der Spielrunden bin ich mit dem Trackball zu langsam. Ich habe Mühe, meine Karten sauber zu kaufen, zu legen und zu verkaufen. Ich mache Fehler, klicke öfter daneben, komme ins Rudern und treffe falsche Entscheidungen. Mit ein bisschen Übung wird das schon, denke ich mir, und gehe ins nächste Level.
«Tavern Master» ist ein gemütliches Offline-Strategiespiel, in dem ich eine mittelalterliche Taverne betreibe. Schiefgehen kann nicht viel, es gibt keinen Zeitdruck und keine Gegner. Während ich in anderen Strategiespielen gleichzeitig Ressourcen abbaue, Einheiten ausbilde und an drei Fronten Krieg führe, spielt sich das Geschehen hier nur in einer kleinen Taverne ab.
Dementsprechend macht mir «Tavern Master» keine grosse Mühe. Allerdings brauche ich mit der Trackball-Maus für alles mehr Zeit. Zum Beispiel, um die Löhne meiner Mitarbeitenden anzupassen oder die Vorratskisten aufzufüllen. Damit kann ich leben.
Schwierig wird es, wenn ich Möbel und Dekorationen platzieren möchte. Dafür sind kleine, exakte Mausbewegungen nötig. Mein Daumen ist sich diese Bewegungen nicht gewöhnt. Ausserdem rollt der Trackball nicht immer fliessend, sondern stockt oft. Ich spüre in «Tavern Master» deutlich, dass mir die normale Computermaus besser liegt.
Profis spielen «WoW» vor allem mit der Tastatur. Ich bin kein Profi. Ich nutze die Maus, um mich zu bewegen, Gegner anzuvisieren und Fähigkeiten zu klicken. In einfachen Kämpfen komme ich mit dem Trackball zurecht. Sobald es aber heiss wird, wenn mich mehrere Gegner gleichzeitig angreifen, komme ich mit Bewegen nicht mehr nach. Ich klicke die falschen Fähigkeiten und verfalle in Panik. In Gruppenkämpfen greife ich regelmässig die falschen Gegner an.
In «World of Warcraft» nervt mich ausserdem, dass ich mit meiner Trackball-Maus für alle Klicks in Dialogfenstern länger brauche. Quests annehmen, Gegenstände verkaufen, mit Mitspielern handeln, neue Fähigkeiten lernen, mich im Questlog orientieren: Jede Tätigkeit fühlt sich an wie eine Herkulesaufgabe. Deshalb erscheinen mir die beiden letzten Levels wie ein unüberwindbarer Berg.
Im ersten Shooter-Spiel «Team Fortress 2» trickse ich ein wenig und spiele als Erstes den Medic. Habe ich mit meiner Medigun einen Mitspieler anvisiert und halte die linke Maustaste gedrückt, heile ich automatisch, bis ich wieder loslasse. Ich muss nicht die ganze Zeit zielen. Das funktioniert gut. Deshalb wage ich mich eine Stufe höher zum Soldier, der als Primärwaffe einen Raketenwerfer hat. Mit diesem muss ich nicht allzu genau zielen, um Gegner zu verletzen. Somit komme ich auch mit dem Raketenwerfer einigermassen zurecht.
Allerdings finde ich nicht die richtige Empfindlichkeit für die Maus. Denn einerseits brauche ich in einem Ego-Shooter eine empfindliche Maus, damit ich mich schnell umsehen und -drehen kann. Andererseits brauche ich eine unempfindliche Maus, damit ich beim Zielen nicht ständig überschiesse. Das wird deutlich, als ich «Team Fortress 2» in der Sniper-Rolle spiele – und keine Chance habe. Die kleinen Bewegungen durch das Zielfernrohr sind unmöglich und ich sterbe ständig. Auch hier merke ich, dass die Kugel der Maus nicht fliessend läuft, sondern ruckelt. Für das letzte Level mache ich mir schon fast keine Hoffnungen mehr. Das nächste Spiel verzeiht noch viel weniger Fehler als «Team Fortress 2».
Ich spiele, als sässe ich zum ersten Mal an einem Computer. Schleiche ich mich von hinten an einen Gegner an, verballere ich mein ganzes Magazin in der Luft. Er kann sich gemütlich umdrehen und mich abknallen. Mit der Kugelmaus hole ich keinen einzigen Kill und frage mich, ob die anderen Spieler mich für einen Bot halten.
Mir fällt auf, dass nur drei Finger meiner rechten Hand die ganze Arbeit leisten. Mit dem Mittelfinger (rechte Maustaste) schaue ich durch das Visier. Mit dem Daumen (Trackball) ziele ich und mit dem Zeigefinger (linke Maustaste) schiesse ich. Alle diese Bewegungen gleichzeitig auszuführen, überfordert das komplexe Muskel- und Sehnengebilde, das meine Finger bewegt. Traditionelle Mäuse teilen die Aufgaben fairer auf, beziehen den Unterarm und das Handgelenk mit ein.
Während ich wochenlang wie ein Noob spiele und die Freude am Gamen langsam erlischt, drängt sich mir eine Frage immer stärker ins Bewusstsein: Ist das angenehmer als eine normale Maus? Ich rekapituliere und komme zu einem ernüchternden Fazit: Bequemer ist die Trackball-Maus nicht. Weil ich mein Handgelenk nicht bewege, versteift es sich von Minute zu Minute mehr. Dabei sehnt sich mein Unterarm nach Bewegung. Gleichzeitig beanspruche ich meinen Daumen mehr als je zuvor. Der grosse Vorteil, den die Kugelmaus haben sollte, ist ein Luftschloss.
Mir ist bewusst, dass Trackball-Mäuse vor allem im Büro verbreitet sind. Deshalb möchte ich meinem Exemplar eine letzte Chance geben, und zwar an meinem Arbeitsgerät. Ich rolle durch den Alltag und spüre auch hier die Einschränkungen. Besonders wenn ich Wörter oder Buchstaben in einem Word-Dokument anwählen will, zittert der Cursor über den Monitor und ich verfehle zuverlässig die richtigen Buchstaben. Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich statt der Maus das Trackpad des Laptops benutze. Damit bin ich schneller, die Bewegungen fühlen sich natürlicher an und ich habe die Finger näher an der Tastatur.
Das Quäntchen Trost bleibt also leider aus. Die Trackball-Maus verstaubt jetzt in meiner Elektronik-Schublade neben alten Handys, Ladekabeln und Kopfhörern.
Meine Rückzugsorte tragen Namen wie Mittelerde, Skyrim und Azeroth. Muss ich mich aufgrund von Reallife-Verpflichtungen von ihnen verabschieden, begleiten mich ihre epischen Soundtracks durch den Alltag, an die LAN-Party oder zur D&D-Session.