Willkommen im Wechsel: Reden wir über die Menopause
Meinung

Willkommen im Wechsel: Reden wir über die Menopause

Noch heiß, aber meistens nachts? Die Wechseljahre sind mehr als Hitzewallungen. Viele Frauen wollen den Wechsel enttabuisieren und kämpfen gegen Ageism. Wir kennen die Speerspitze der Meno-Bewegung. Und die hat auch dir etwas zu sagen.

Frauen über 45 sollten sich ein dickeres Fell zulegen. Diskriminiert werden wir nun doppelt, als Frau und als jemand, der das tut, was der Lauf der Dinge vorzugeben scheint: Altern. Nur alt sein, das wollen wir nicht. Ich kann mich noch gut an das erste Mal erinnern, als der natürliche Prozess des Heranreifens gegen mich (Jahrgang 1975) verwendet wurde: Bei einer hitzigen Online-Diskussion. Ihm gingen die Argumente aus, er googelte mich und fuhr dann die schweren Geschütze auf. Ich sei wohl frustriert, weil eine Frau mit bald 50. Darauf wusste ich nichts zu sagen. Nicht, weil mir die Schlagfertigkeit plötzlich abhandengekommen war, sondern weil ich wirklich nicht wusste, was daran frustrierend sein sollte.

Passiert da irgendwas, also mit 50? Werden Frauen in den Wechseljahren abgeholt, ausgesiedelt und leben fortan in einer Art Oldie-Kommune, fernab der angewiderten Blicke ihrer Mitmenschen? Ab einem gewissen Alter betrachtet die Gesellschaft Frauen mit anderen Augen: Wer nicht mehr gebärfähig ist, verschwindet aus dem öffentlichen Blickfeld. Wird die menopausale Frau doch dargestellt, dann als Problembaustelle: «In Werbung und Medien wird ihr Körper primär als ein defizitärer Körper gezeigt, irgendetwas ist damit nicht in Ordnung.», analysiert die österreichische Marktforscherin Helene Karmasin in ihrem Buch «Bildmagie: Die Codes der visuellen Kommunikation». Und genau dagegen setzen sich immer mehr Frauen zu wehr, auch unter dem Hashtag #sichtbarkeit47+. Die Initiatorin der Social-Media-Kampagne, die Journalistin Silke Burmester vom Wechseljahrs-Portal «Palais F*luxx, sagt: «Wenn die Gesellschaft den Scheinwerfer nicht mehr auf uns richtet, tun wir es eben selbst.»

Weg mit dem Tabu der Wechseljahre: Eine Bewegung wird immer lauter

Ja, es ist gefährlich, die Wechseljahre totzuschweigen und so zu tun, als wäre Altern eine Krankheit. Nicht nur gesellschaftspolitisch: Immerhin ist die «zweite Pubertät» eine wichtige Phase im Leben jeder Frau. Wer nicht weiß, wie man gesund und glücklich älter werden kann, fühlt sich bald isoliert, weiß sich nicht zu helfen – und wird auch häufig falsch diagnostiziert. Viel zu lange wurden die Wechseljahre tabuisiert: aus Scham, aus medizinischem Unwissen oder schlichtweg aus Desinteresse. Viele Frauen schweigen, statt über ihre Beschwerden, Schmerzen und Ängste zu reden.

Oder wissen sie selbst zu wenig über den Wechsel? Die Ergebnisse einer aktuellen Online-Umfrage des Hamburger Marktforschungsinstituts «Appinio» zum Thema Menopause jedenfalls sind alarmierend: 24 Prozent der befragten Frauen setzen sich erst beim Einsetzen von Beschwerden damit auseinander, nur 67 Prozent der Befragten geben an, (grob) zu wissen, was Menopause ist, nur 9 Prozent fühlen sich sehr gut über die Menopause informiert. In Großbritannien stehen seit 2020 in den Schulen die Wechseljahre auf dem Lehrplan für Beziehungs- und Sexualerziehung. Bildungsminister Damian Hinds erklärte, dies ziele darauf ab, «Kindern das Wissen zu vermitteln, das sie benötigen, um fundierte Entscheidungen über ihr Wohlbefinden zu treffen – und sie auch auf das Erwachsenenleben vorzubereiten».

Selbstbewusst durch die Wechseljahre: Das sind die Vorbilder

Was mich zuversichtlich stimmt – auch angesichts der Tatsache, dass ich den Wechsel noch vor mir habe: Die Bewegung der «Tabu-Smasherinnen» wird jeden Tag grösser. US-Schauspielerin Naomi Watts berichtet dazu offenherzig auf ihrem Insta-Kanal, die britische Moderatorin Davina McCall beleuchtet mit ihren Channel4-Dokus die Auswirkungen auf den Arbeitsalltag. Und die Schweizer Schriftstellerin Milena Moser wird in Interviews nicht müde zu betonen, dass sie sich sogar auf den Wechsel gefreut hat. Als die ersten Wallungen kamen, habe sie darauf angestoßen. Moser: «Jetzt kommen meine Jahre. Jetzt kommt meine Zeit, und jede Wallung war ein Reminder: Es wird Energie frei, nutze sie.» Auch in Serien und Filmen werden die Wechseljahre immer öfter zum Thema: In «Meine Stunden mit Leo» etwa, dem aktuellen Film mit Emma Thompson, oder in der dänischen Politserie «Borgen» – denn da kommt gerade die Außenministerin in den Wechsel.

Mit drei besonders engagierten Rolemodels der Menopausen-Bewegung habe ich persönlich gesprochen. Ihre Statements sollen allen Frauen Mut machen, egal ob sie die Wechseljahre noch vor sich haben oder mitten drinnen stecken. Sie sind keine Krankheit, auch wenn manche Symptome ordentlich nerven können. Doch um sich zu helfen, gibt es Mittel und Wege. Diese gemeinsam zu ergründen, ist wundervoll und wichtig.

«Holt die Menopause ins 21. Jahrhundert!»

Sheila de Liz, Gynäkologin und Autorin («Woman on Fire»)

«Früher ging es für die Frau in erster Linie darum, einen Versorger zu finden, sie sollte sich um Haushalt und Kinder kümmern. Die Wechseljahre stellen diesen Zweck plötzlich infrage. Doch diese Gedankengefängnise bestehen nur im Kopf. Die Wechseljahre sind eine wunderbare Zeit. Mit Mitte vierzig hören wir auf, uns Sorgen darüber zu machen, ob uns alle mögen. Wir fühlen uns frei und selbstsicher, ziehen klare Grenzen und sagen: «Das will ich. Und das will ich nicht mehr.». Schaut euch nur um, es gibt so viele großartige Rolemodels um die 50. Das Bild der Frau hat sich einfach gewaltig geändert. Deswegen ist es mir wichtig zu sagen: Hey, du brauchst keine Angst vor den Wechseljahren zu haben! Deine Beschwerden kannst du in den Griff bekommen und alles andere kannst du nur willkommen heißen! Außerdem kannst du auch noch mit achtzig Sex haben. All diese Fragen, die einen jahrelang beschäftigt haben wie «Wer bin ich?» oder «Bin ich gut genug?», lösen sich in Luft auf. Und man stellt fest: «So wie ich bin, bin ich richtig super!». Wir sollten einen Schritt zurücktreten und unser Leben kurz von außen betrachten. Dann werden wir feststellen: Wir haben erst eine Hälfte unseres Lebens rum – und die zweite Halbzeit wird mit dem richtigen Wissen über die Wechseljahre und die passende Pflege keinesfalls nur halbwegs erträglich, sondern kann richtig klasse werden. Unsere Menopause ist nicht die unserer Mütter. Es wird Zeit, den Wechsel ins 21. Jahrhundert zu befördern!»

«Wir sind die Generation Sex, Drugs und Rock’n’Roll»

Veronika Pelikan, Gründerin von «www.wechselweise.net»

«Gerade kommen mit den (späten) Babyboomern und der Generation X geburtenstarke Jahrgänge in den Wechsel. Die Wechseljahre werden dann einen Viertel der Bevölkerung beschäftigen – und sie haben auch positive Aspekte. Viele Frauen fühlen sich nach dem Wechsel erleichtert, freier oder ermutigt, etwas Neues zu beginnen. Sie passen nicht ins Bild der angepassten «Silver Ager». Sie sind auch jenseits der Fünfzig kein bisschen leise. Deswegen haben wir wechselweise.net für die individuellen Bedürfnisse in dieser Lebensphase entwickelt, fast genau vor einem Jahr. Und der Zuspruch ist enorm. Warum? Wir werden älter. Viel älter als noch zwei Generationen vor uns. Das ist cool. Aber Älterwerden hat auch Nebenwirkungen. Das zu leugnen wäre unaufrichtig.

Wir müssen auch ein bisschen differenzieren. Manche Nebenwirkungen müssen wir so nicht hinnehmen. Da sind einmal die sozialen Nebenwirkungen: Frauen ab etwa 45 werden plötzlich unsichtbar. Als ob mit der Gebärfähigkeit auch das Interesse an uns erlischt. Ab 50 gelten wir am Arbeitsmarkt als schwer vermittelbar. Bestenfalls dürfen wir, ein paar Jahre später dann, die nette Oma geben. Doch hey: Wir sind die Generation «Sex, Drugs und Rock’n’Roll». Wir sind gut ausgebildet, haben beruflich unsere Frau gestanden, Karrieren gemacht, Kinder großgezogen. Und auch wenn wir ein paar Falten mehr haben: In Kopf und Herzen sind wir immer noch dieselben. Womöglich erfahrener und gelassener. Wir haben keinen Grund, uns zu verstecken. Und auch nicht alle körperlichen Nebenwirkungen des Älterwerdens müssen wir hinnehmen. Viele Frauen leiden an Wechselbeschwerden, die mit der richtigen Therapie gut behandelbar sind – aber oft nicht ernst genommen werden. Selbst von Ärztinnen. Hier braucht es mehr Aufklärung. Bei Ärztinnen und Ärzten ebenso wie bei den Frauen selbst. Auch dafür stehen wir ein. Denn auch nach der Menopause haben wir noch viele Jahre vor uns. Und die wollen wir fit, gesund und freudvoll erleben.»

«Wenn der Östrogenspiegel sinkt, sinkt auch das Gefühl, immer für alle da sein zu müssen.»

Miriam Stein, Journalistin und Autorin («Die gereizte Frau. Was unsere Gesellschaft mit meinen Wechseljahren zu tun hat»)

«Das Frausein endet nicht mit den Wechseljahren, sondern verändert sich lediglich. Die Wechseljahre machen sich bei jeder Frau individuell bemerkbar. Das macht die Menopause so kompliziert für die Medizin und zum Problem – aber auch zu einer Riesenchance. Viele Frauen, mit denen ich für mein Buch gesprochen habe, fühlen sich trotz gelegentlicher Beschwerden insgesamt zielstrebiger und selbstsicherer mit dem Einsetzen der Wechseljahre. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Wenn der Östrogenspiegel sinkt, sinkt auch das Gefühl, man müsse immer für alle da sein. Ich halte es für absolut notwendig eine breite, öffentliche Debatte über die Menopause zu führen. Nur im öffentlichen Dialog können Stigmata beseitigt werden, nur so können Frauen ohne Scham über ihre Symptome sprechen, nur mit Hilfe eines lauten Diskurses wird sich die Forschungs- und Versorgungslage verbessern. Die Zeit ist auf unserer Seite – wir Frauen über 45 werden statistisch mehr. Im Vergleich zu den Generationen davor verfügen wir endlich über etwas mehr Entscheidungsfreiheit, mehr eigenes Geld und körperliche Selbstbestimmung. Es ist nicht mehr möglich, uns als gesellschaftliche Schattengruppe zu marginalisieren, im Gegenteil. Die Wut, die in menopausalen Frauen manchmal so brodelnd aufsteigt, nutze ich, um klarzustellen: Ich ziehe mich nirgendwohin zurück. Ich selbst, und hoffentlich alle Frauen über 45, wir stehen weiterhin mitten im Leben.»

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Janina Lebiszczak
Autorin von customize mediahouse

Lebe lieber ungewöhnlich: Ob Gesundheit, Sexualität, Sport oder Nachhaltigkeit, jedes Thema will entspannt, aber aufmerksam entdeckt werden. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie und niemals ohne Augenzwinkern.


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