Wozu ein Graufilter gut ist und wie du den richtigen auswählst
Normalerweise willst du möglichst viel Licht beim Fotografieren. Mit einem Graufilter erreichst du genau das Gegenteil: Er dunkelt ab und verlängert die Belichtungszeit. Wofür du das brauchst und welchen der unzähligen Filter du auswählen musst, erfährst du hier.
In Langzeitaufnahmen verschwimmen Bewegungen und ermöglichen schöne Effekte.
Drei unserer Mitarbeiter haben zum Beispiel letztes Jahr in den Bergen Stahlwolle abgebrannt, um die Langzeitbelichtungstauglichkeit von Smartphones zu testen.
Manchmal wäre es auch reizvoll, bei Tag lange zu belichten. Etwa um Wasserbewegungen verfliessen zu lassen. Oder für Architekturaufnahmen, wenn die Menschen nicht erkennbar sein sollen.
Doch wenn du bei Tag sehr lange belichtest, gelangt zu viel Licht auf den Sensor. Das Bild wird überbelichtet. Darum brauchst du für diese Fälle einen Filter, der Licht schluckt. Ein solcher Filter heisst Graufilter oder ND-Filter (Abkürzung für neutral density oder Deutsch Neutraldichte).
Manchmal ist ein Graufilter auch bei relativ kurzen Belichtungszeiten nötig. Denn wenn du die Blende weit geöffnet hast, gibt es im hellen Sonnenlicht selbst bei kurzer Belichtungszeit überbelichtete Bilder. «Dann schliess halt die Blende, Problem gelöst!» magst du einwenden. Doch ein Foto mit geschlossener Blende sieht anders aus, hat mehr Tiefenschärfe und kein verschwommener Hintergrund. Durch den Einsatz eines Graufilters bist du nicht gezwungen, die Blende nach dem Licht zu richten, sondern kannst sie viel freier als Gestaltungsmittel einsetzen.
Graufilter kommen zudem recht häufig bei Videos zum Einsatz. Auch Video Producer möchten ab und zu mit offener Blende filmen. Ausserdem belichten sie ungern mit sehr kurzen Belichtungszeiten, auch wenn das technisch möglich ist. Der Grund: Wenn die Einzelbilder leicht verschwommen sind, wirkt im Video der Bewegungsablauf flüssiger und natürlicher, als wenn jeder Frame eingefroren wird.
Wenn du überlegst, einen Graufilter zu kaufen, gibt es bei der Wahl des richtigen Filters gleich mehrere Dinge zu klären.
- Welcher Filter passt zu meinem Objektiv?
- Welche Stärke brauche ich?
- Brauche ich einen runden oder einen quadratischen Filter?
Welcher Filter passt? Der Filterdurchmesser
Die meisten Objektive haben vorne ein Filtergewinde. Da wird der Filter reingeschraubt. Natürlich muss die Grösse passen. Der Filterdurchmesser steht normalerweise auf der Vorderseite am Rand des Objektivs, manchmal auch auf der Unterseite des Objektivs (Nikon).
Wahrscheinlich haben nicht alle deine Objektive den gleichen Durchmesser. Du müsstest also mehrere Graufilter kaufen. In vielen Fällen kannst du das mit einem Filteradapter umgehen. Du kaufst den Filter für den grössten Durchmesser deiner Objektive. Bei diesem schraubst du den Filter direkt drauf. Bei einem kleineren Objektiv verwendest du den Adapter.
Direktlink zu den Filteradaptern
Die richtige Stärke des Filters
Je nachdem, wie hell es ist, wie lange du belichten willst und welche Blende du benutzen willst, ist eine stärkere oder schwächere Abdunkelung gefragt. Die klassischen ND-Filter schlucken aber eine fest vorgegebene Menge Licht, denn sie sind im Prinzip einfach dunkles Glas.
Für Videos sind nur schwache Filter (bis Faktor 32) sinnvoll, da du ja nie länger als 1/50 Sekunde belichtest. Für die Fotografie dagegen sind die stärkeren Filter interessant.
Ein Verlängerungsfaktor von 1000 (logarithmisch ND 3.0) reduziert die Lichtmenge um 10 Blendenstufen. Das bedeutet umgekehrt, dass die Verschlusszeit bei gleicher Blende zehn Mal verdoppelt werden kann, also 2^10 = 1024 Mal so lang sein darf. Wenn also ohne Filter 1/125 Sekunde belichtet werden muss, liegt die korrekte Verschlusszeit mit einem 1000er-Filter bei 8 Sekunden. Bei einem 64er-Filter sind es 6 Blendenstufen, das ergibt nur noch eine halbe Sekunde. Ein 1000er-Filter ist also in vielen Fällen keineswegs zu stark.
Für Wasserbewegungen oder schnelle Bewegungen wie vorbeifahrende Autos ist der 64er sicher gut. Wenn ich mich für einen Filter entscheiden müsste, würde ich aber den 1000er wählen. Nur damit kannst du bei Sonnenschein auch 20 Sekunden oder noch länger belichten. Bei starkem Wind kannst du so selbst Wolken zerfliessen lassen.
Es gibt auch ND-Filter mit variabler Stärke. Sie sind beweglich und ändern ihren Verdunklungsgrad, wenn du am Ring drehst. Das klingt sehr verlockend – du musst dich nicht entscheiden, gibst weniger Geld aus und schleppst weniger mit dir rum.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch. Denn diese Filter haben zwei grosse Nachteile.
- Sie sind zwar variabel, aber nicht unbedingt in dem Bereich, den du zum Fotografieren brauchst. Für viele Zwecke dunkeln sie einfach nicht stark genug ab.
- Die Qualität kommt nicht an die eines Filters mit fester Verdunklung heran. Insbesondere mit Weitwinkelobjektiven kann es Probleme geben.
Ich habe für diesen Beitrag den oben gezeigten variablen Filter von Hoya an einem Weitwinkelobjektiv ausprobiert. Es handelt sich hier nicht um ein Billigprodukt und es sieht auch nicht billig aus. Dennoch war ich vom Ergebnis unterwältigt. Es treten grosse und massiv verdunkelte Stellen auf. Wenigstens passiert das nur im extremen Weitwinkel (10 mm, entspricht 15 mm im Vollformat) und auch nur wenn der Filter relativ stark eingestellt wird.
Also: Finger weg von diesen Filtern, wenn du mit Weitwinkel arbeitest! Du kannst stattdessen mehrere Filter hintereinander schrauben. Denn der Filter hat selbst auch ein Filtergewinde. Dann sind natürlich auch schwächere Filter als ND64 sinnvoll.
Das ist das von mir benutzte Weitwinkelobjektiv.
Rund oder quadratisch? Einschubfilter als Alternative
Nicht alle Filter werden direkt aufs Objektiv geschraubt. Einschubfilter sind quadratisch und werden in eine Halterung gesteckt. Diese schraubst du an das Objektiv, was bedeutet, dass du einen Adapter mit passendem Filtergewinde benötigst. Aber immerhin, es ist nur der Adapter, der von der Objektivgrösse abhängt. Der ganze Rest, das System und die Filter selbst, passen immer, müssen also nur einmal gekauft werden.
Das ganze System auf- und abzumontieren dauert länger als beim Schraubfiltersystem; der Wechsel zwischen einzelnen Filtern hingegen geht sehr schnell. Wenn du mit vielen verschiedenen Filtern arbeiten willst, ist ein solches System sinnvoll. Nur dann lohnen sich auch die höheren Anschaffungskosten. Einen wirklichen Vorteil haben Einschubfilter, wenn es um Grauverläufe geht. Ein Grauverlaufsfilter (auch Gradationsfilter genannt) ist nicht dasselbe wie ein Graufilter. Er dunkelt oben stärker ab als unten, um das helle Licht am Himmel auszugleichen. In einem Einschubsystem lässt sich der Verlauf so verschieben, dass er auf den Horizont im Bildausschnitt passt.
Filter für Drohnen
Drohnen haben wieder eigene Filter, da die Kameras ja speziell klein sind. Die Filter sind relativ günstig und laut Benutzerwertungen sehr nützlich. Der Fall scheint mir klar: Wenn du schon einen vierstelligen Betrag für eine Drohne ausgibst, dann gehört ein Filter-Set unbedingt auch dazu.
Direkt zu allen Drohnen-Filtern
Anfängerfehler vermeiden
Ich bin Anfänger, was ND-Filter betrifft. Als solcher habe ich extra für dich eine Reihe von Fehlern gemacht, vor denen ich dich jetzt warnen kann.
Erstens: Unscharfe Bilder. Durch einen richtig starken ND-Filter funktioniert der Autofokus nicht mehr, weil zu wenig Licht durchkommt. Daher musst du ohne Filter fokussieren, dann den Autofokus abschalten, Filter drauf, und abdrücken. Wichtig: Bei jedem Versetzen der Kamera oder auch nur des Winkels neu fokussieren.
Zweitens: Noch mehr unscharfe Bilder. Nachdem ich konsequent manuell fokussiert hatte, waren immer noch einige Fotos unscharf. Entweder habe ich aus Versehen den Fokus am Ring verstellt, oder das Stativ war zu wenig stabil. Manchmal entstehen Verwackler auch, wenn du mit Stativ fotografierst und den Bildstabilisator nicht ausschaltest. Das kann ich bei mir ausschliessen, weil das Objektiv gar keinen Bildstabi hat.
Drittens: Unterbelichtete Bilder. Die Live View moderner Digicams ist verlockend. Die Kamera macht den Eindruck, als könne sie die richtige Belichtungszeit durch den Filter hindurch berechnen. Aber das ist sehr ungenau, du musst eigentlich immer nachkorrigieren und deshalb zuerst ein paar Testaufnahmen machen. Bei mir war die richtige Belichtungszeit meistens etwa bei einer ganzen Stufe Belichtungskorrektur (+1 EV), aber das kann je nach Situation variieren. Vielleicht ist es dann doch schneller und vor allem genauer, wenn du dir die Mühe machst, die Belichtungszeit manuell auszurechnen und einzustellen.
Viertens: Falsche Farben. Der Neutraldichtefilter heisst so, weil er die Farben neutral darstellt, also gleich wie ohne Filter. Trotzdem sehen die Farben mit Filter anders aus als ohne.
Taugt etwa der Filter nichts? Doch! Das Problem ist, dass sich die Kamera-Automatik vom Filter täuschen lässt. Ohne Filter hat die Kamera den Weissabgleich im Beispiel oben auf 4700 Kelvin festgelegt, mit Filter in der genau gleichen Situation auf 7100 Kelvin. Das führt zu viel wärmeren Farben. (In diesem Fall war das sogar gut, weil die Kamera ohne eher zu kalter Einstellung neigt.)
Im RAW-Format kannst du den Weissabgleich ohne Verluste im Nachhinein ändern. Ein Problem sind die unterschiedlichen Farben also nur, wenn du mit JPEG fotografierst. Dann musst du halt den Weissabgleich manuell festlegen. Ich empfehle, bei der Arbeit mit ND-Filtern aber sowieso prinzipiell mit RAW zu arbeiten.
Titelbild: Adobe Stock / Marc BranerDurch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.