Hintergrund
Netflix, Prime und Co.: Ausgeburten der Hölle?
von Luca Fontana
Das Soundlogo aus dem Hause Netflix feiert dieses Jahr seinen zehnten Geburtstag. Wie das ikonische «Tudum» zustande kam, ist mittlerweile ein regelrechtes Mysterium. In dieser Geschichte geht es um Kevin Spacey, sein Pult und vielleicht sogar eine Ziege.
Während der vergangenen Festtage habe ich mir die aktuelle Netflix-Produktion «Carry-on» mit dem «Kingsman»-Schauspieler Taron Egerton angeschaut. Ein kurzweiliger Action-Thriller im Stil von «Non-Stop», «Phone Booth» und «Die Hard».
Der Film ist kein Meisterwerk, aber unterhaltsam. Doch darum geht’s hier auch gar nicht. «Carry-on» ist eine Netflix-Produktion. Das allererste, was du von diesem Film hörst, ist also das ikonische Soundlogo von Netflix: «Tudum», dröhnt es tagtäglich durch etliche Wohnzimmer rund um den Globus. Fast noch eindrücklicher als der donnernde Sound ist aber dessen Entstehungsgeschichte.
Erstmals zu hören gab es das Netflix-Soundlogo 2015, als sich der Streaminganbieter als ernstzunehmendes Produktionsstudio etablierte. Damals sorgte der dröhnende Klang sogar für Irritation, wie dieser amüsante Reddit-Thread festhält.
Erschien früher noch der ganze Name beim Soundlogo, wird heute nur noch das stilisierte «N» von Netflix gezeigt.
Zu hören war der Jingle nicht nur beim Starten der Netflix-App, sondern auch zu Beginn jeder Folge der ersten Netflix-eigenen Shows. Titel wie «House of Cards», «Orange is the New Black» oder «Narcos» feierten enorme Erfolge und schufen praktisch das Konzept des Binge-Watchings.
Aber woher kommt denn nun das Soundlogo?
Bei meiner Recherche zu diesem Thema bin ich über mehrere Artikel gestolpert, welche deckungsgleich über die Entstehung des Soundlogos berichten. So erzählen etwa sowohl «Entertainment Weekly» als auch «Mashable», dass das Netflix-Soundlogo beinahe eine Ziege gewesen wäre.
Bitte was?
Beide Berichte beziehen sich auf eine Folge des «Twenty Thousand Hertz»-Podcasts vom 5. August 2020. In dieser erzählt Netflix’ damaliger VP of Product, Todd Yellin, wie das Soundlogo zustande gekommen sein soll. Gemeinsam mit Sounddesigner Lon Bender habe er zwischen 20 und 30 Entwürfe erstellt – darunter offenbar auch eine Ziege.
Diese Ziege sollte eine Antwort auf die Filmlogos etablierter Studios wie etwa der Löwe von «MGM» sein.
Nun ja, das klingt für mich doch eher nach erfundenem Marketing-Talk. Wie dem auch sei, schlussendlich hat man sich bei Netflix auf das «Tudum» geeinigt, das wir heute kennen.
Dieses soll, so Bender, durch seinen Ehering entstanden sein, mit dem er zweimal gegen eine Holzkommode klopfte. Dieses Klopfgeräusch wurde mit einem Amboss und weiteren Soundeffekten ergänzt, et voilà: Tudum!
So ganz glaubwürdig finde ich auch diese Story nicht, um ehrlich zu sein.
Am meisten irritiert mich, dass die ausschlaggebende Podcast-Folge aus dem Jahr 2020 stammt. Eine frühere Erklärung von Netflix zur Entstehung des Soundlogos lässt sich im Internet nicht finden – obwohl dieses mindestens seit 2015 existiert.
Das Einzige, was ich sonst zum Thema finden konnte, ist eine moderne urbane Legende rund um Kevin Spacey und sein Pult. Dieser spielte den Protagonisten Frank Underwood in Netflix’ allererster Eigenproduktion «House of Cards». Im dramatischen Finale der zweiten Staffel klopft er mit seinem ikonischen Siegelring düster prophezeiend zweimal auf sein Pult – eine Geste, die er in der Serie immer wieder bringt, um seine Kontrolle, Manipulation und direkte Verbindung zum Publikum zu betonen.
Und siehe da, diese 2014 ausgestrahlte Szene klingt nahezu identisch zum im darauffolgenden Jahr eingeführten Soundlogo. Das kann kein Zufall sein! Aber warum lässt sich heute keine offizielle Erklärung der «House of Cards»-Variante dieser Geschichte finden?
Aufgrund mehrerer Vorwürfe sexueller Belästigung beendete Netflix Ende 2017 die Zusammenarbeit mit Spacey. Der heute freigesprochene Schauspieler wurde von jeglichen Produktionen verbannt und aus der Netflix-Geschichte praktisch ausradiert.
Also: Wie ist das Soundlogo denn nun wirklich entstanden?
Gerade als ich meine Suche aufgeben wollte, stolperte ich über ein spannendes Interview. Im Dezember 2023 führte der US-amerikanische Polit-Moderator Tucker Carlson ein Interview mit Kevin Spacey. Im Video «Being Frank With Tucker» unterhalten sich die beiden über die aktuelle politische Lage der Staaten, die Präsidentschaftswahlen und ihr Leben. Und über Netflix.
Ab Minute 4:30 erklärt Carlson, dass Spacey bis heute ein Teil von Netflix sei. Daraufhin klopft der Schauspieler zweimal auf den Kaffeetisch vor sich und sagt: «Boom Boom». Weiter erklärt Spacey in seinen eigenen Worten:
Natürlich steht hier Aussage gegen Aussage. Wir bekommen wohl nie wirklich eine definitive Antwort, wie Netflix’ «Tudum» denn nun tatsächlich entstanden ist. Ist es der Ehering auf der Kommode – oder Spacey’s Faust mit Siegelring auf dem Pult?
Übrigens, seit 2020 produziert Netflix auch ganze Kinofilme mit einem verlängerten Soundlogo, komponiert von niemand geringerem als Filmmusik-Legende Hans Zimmer höchstpersönlich:
Was denkst du, wo liegt der Ursprung des Soundlogos wirklich? Vielleicht gibt es ja noch mehr verrückte Theorien, die wir noch nicht kennen. Hast du eine Idee, wie das «Tudum» entstanden sein könnte? Ab in die Kommentare damit!
Praktisch seit ich denken kann fasziniert mich alles, was Tasten, Displays und Lautsprecher hat. Als Journalist mit Fokus auf Technik und Gesellschaft schaffe ich Ordnung im Dschungel aus Tech-Jargon und unübersichtlichen Spec-Sheets.