Produkttest

Zum «Black Friday Giganotosaurus» sage ich: Schleich Dich!

Martin Jungfer
23.11.2023

Von Hartgummi-Tier-Hersteller Schleich gibt es zum Black Friday ein besonderes Exemplar eines Giganotosaurus. Der ist unnötig wie ein Kropf. Dieser Sammelserie wünsche ich einen Meteoriten an den Hals.

Es dürfte nur wenige Kinder geben, die das Erwachsenenalter erreichen, ohne je eine Schleich-Figur in den Händen gehabt zu haben. Die Firma aus Schwäbisch Gmünd hat es mit ihren Plastikfiguren in so gut wie jeden Spielzeugladen und in viele Supermärkte geschafft. So ein lebensechtes Hippo oder ein Set Bauernhof-Tiere nehmen Grosseltern gerne mit, um Enkel zu beglücken. Auch als Mitbringsel aus dem Zoo sind Schleich-Produkte beliebt. Spricht ja wenig dagegen, das Erdmännchen, das grad noch so süss und lebendig die Besucher angeschaut hat, als Spritzguss-Version mit nach Hause zu nehmen.

Schleich hat einen guten Ruf: Ihre Tiere werden zusammen mit Biologen und Tierexpertinnen entwickelt, damit sie möglichst nah am Original aus der Natur sind. Was aber hat das Produktdesign bei dem hier geritten?

Natürlich gab es einen Giganotosaurus. Seine Knochen wurden gefunden, der Fleischfresser streifte vor etwa 100 Millionen Jahren unter anderem dort herum, wo heute Argentinien liegt. Aber eines weiss ich: Dieser Dino war nicht schwarz, und er war sicher nicht beim Tattoo-Artist, um sich dieses rote Muster auf den Rücken stechen zu lassen.

Dieser Tattoo Artist war das Geld definitiv nicht wert, lieber Giganotosaurus.
Dieser Tattoo Artist war das Geld definitiv nicht wert, lieber Giganotosaurus.
Quelle: Martin Jungfer

Der Wind weht hier eindeutig aus einer anderen Richtung als es Schleich in seiner vollmundig formulierten «Produkt-DNA» kundtut:

Unsere Figuren gibt es in unzähligen Formen, Grössen und Farben. Ob sie nun zwei, vier oder gar keine Beine haben, eines haben sie gemeinsam – jede Figur unserer Produktwelten ist authentisch, detailgetreu und hochwertig.

Der Giganotosaurus ist höchstens so authentisch wie die 70 Prozent Rabatt, die manche Händler an Black Friday ausrufen. Bei diesem Dino hat das Produktdesign offensichtlich einen Kampf gegen das Marketing-Team verloren. Um den Black-Friday-Hype zu nutzen, musste ein spezieller Dino her. Und nach mehreren Brainstormings und Kreativ-Kollaborations-Runden war er geboren: der Black-Friday-Giganotosaurus. Statt sich lang damit aufzuhalten, welche Farbe der Theropode wohl wirklich mal hatte, wurde er einfach schwarz. Dass ihm die Sonne der Kreidezeit damit zu einer mobilen Sauna auf zwei Beinen gemacht hätte oder seine Tarnung ungefähr so effektiv gewesen wäre wie die eines Erlkönigs auf der Autobahn – geschenkt.

Um den Verkauf anzukurbeln, wurde der Giganotosaurus auch noch als Sammelfigur deklariert, natürlich mit limitierter Auflage. Psst, muss ja niemand wissen, dass dieses Limit so hoch ist, dass eh genug Exemplare da sind.

Da muss es ein knackiger Marketing-Text rausreissen. Et voilà!

Alle Achtung! Dem gewaltigen Giganotosaurus sieht man schon von Weitem an, dass er keinen Spass versteht. Sein grosser Kopf scheint nur aus Gebiss zu bestehen. Und seine gefährlichen, spitzen Reisszähne fletscht er nur zu gern. Er reisst seinen mächtigen Kiefer auf und brüllt, dass man ihn schon aus der Ferne hört. Bestimmt ist er auf der Suche nach Beute, die er aufscheuchen will.

Hier wurde eindeutig eine Chance vertan. Wenn das Ding schon «Black Friday» im Namen trägt, warum jagt das Monstrum nicht den saftigsten Rabatten hinterher? Warum setzt er seine Geschwindigkeit nicht als Waffe ein, um vor allen anderen Urzeitechsen die Schnäppchen zu fangen? (Liebe Firma Schleich, falls euch solche Formulierungen interessieren, meldet Euch bei mir: Ich bin als Texter käuflich.)

So ein stolzes Tier – und doch muss es für Black-Friday-Gedöns herhalten.
So ein stolzes Tier – und doch muss es für Black-Friday-Gedöns herhalten.
Quelle: Martin Jungfer

Aber ich muss ja nicht das Geschäft von Schleich ankurbeln. So ein richtiger Brüller scheint die Black-Friday-Dino-Sammelserie eh nicht zu sein. Der letztjährige Limited-Edition-T-Rex fand offensichtlich auch nur so mittelmässig Absatz. Warum sonst würde er noch auf der Schleich-Shop-Seite herumstrolchen? Sogar bei uns im Shop hofft er noch auf einen Käufer oder eine Käuferin, bevor er in irgendeiner Logistik-Lager-Box zum Fossil wird.

Ich konnte für diesen Beitrag nur einen Black-Friday-Dino retten: das Exemplar, das du hier auf den Fotos siehst. Nur behalten will ich ihn nicht beim besten Willen. Deshalb könnte er bald dir gehören: Erzähle, warum du den Giganotosaurus unbedingt haben möchtest. Ich wähle aus den Kommentaren die beste Begründung aus. Und dann packe ich ihn in einen Karton, rufe ihm noch ein herzhaft-bayerisches «Schleich di!» nach und gebe ihn auf die Post.

Titelfoto: Martin Jungfer

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 

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