Apple ist selber schuld
Die Kartellrecht-Klage gegen Apple ist keine Überraschung. Neben Zuckerbrot setzen die Kalifornier die Peitsche ein, um die Kundschaft ans eigene Ökosystem zu binden. Dabei wäre das gar nicht nötig.
«Kauf deiner Mutter ein iPhone» – den Witz an einer Tech-Konferenz 2022 dürfte Apple-CEO Tim Cook gerade bitter bereuen. Es war seine Antwort auf die Bitte eines Zuschauers, Apple möge endlich den Nachrichtenstandard RCS unterstützen. Er könne seiner Mutter keine Videos über iMessage schicken, weil diese ein Android-Smartphone habe.
Letzte Woche hat die US-Justiz Klage gegen Apple eingereicht. In der Essenz geht es darum, ob die Haltung hinter Cooks überheblicher Bemerkung legal ist: Darf eine Firma mit Apples Marktmacht gezielt dafür sorgen, dass ihre Produkte nicht mit denen der Konkurrenz harmonieren – selbst wenn es auch das Erlebnis für die eigene Kundschaft verschlechtert?
Nein, findet das US-amerikanische Department of Justice (DOJ). Es behauptet, Apple habe gegen das Kartellrecht verstossen. Generalstaatsanwalt Merrick Garland nahm in seiner Ansprache auch explizit Bezug auf Tim Cooks Witz, den er wohl gar nicht lustig fand. Neben iMessage geht es in der Klage um weitere Teile des Apple-Ökosystems, bei denen die Kalifornier der Konkurrenz den Zugang erschweren.
Künstliche Barrieren
Ich stecke selber bis zum Hals in Apples Ökosystem – iPhone, iPad, MacBook, AirPods, AppleTV, HomePods und ein iCloud-Abo. Mit allem bin ich zufrieden. Zusammen sind die Produkte besser als einzeln, weil sie nahtlos ineinandergreifen.
Doch die perfekte vertikale Integration der eigenen Hardware, Software und Dienste müsste nicht im Widerspruch zur Kompatibilität mit anderen Anbietern stehen. Wieso kann ich nicht per Double-Tap mit Twint bezahlen? Wieso hat Apple so lange gebraucht für die Unterstützung von RCS? Warum darf ich in der Schweiz keine Apps aus alternativen App-Stores beziehen? Für einige Einschränkungen mag es Sicherheitsargumente geben. Bei anderen geht es offenkundig nur um Profitmaximierung.
Solche künstlichen Barrieren sind für mich als Kunde lästig, für App-Entwickler mitunter existenziell. Das Schlimmste an ihnen: Apple hätte sie gar nicht nötig. Die Produkte bieten mir genug Mehrwert, damit ich sie auch sonst kaufen würde. Weil sie durchdacht sind, meine Bedürfnisse erfüllen und mir das Design gefällt.
Die logische Quittung
Apple ist deshalb selber Schuld an dieser Klage. Das Unternehmen hat die Mauern um sein Ökosystem unnötig hoch gebaut. Aus Profitgier, Verlustangst und Kontrollwahn loten die Kalifornier permanent folgende Frage aus: Wie viele Einschränkungen von Diensten anderer Anbieter akzeptiert die Kundschaft, weil sie unbedingt Apples Produkte will, bevor sie das Ökosystem wechselt?
Es ist ein Spiel mit Zuckerbrot und Peitsche. Wirtschaftlich war diese Gewinnmaximierung bisher höchst erfolgreich. Doch nun kommt die Quittung. Es überrascht nicht, dass solche Strategien die Regulierungsbehörden auf den Plan rufen, welche sich als Konsumentenschützer profilieren wollen. Sowohl die USA als auch die EU haben genug vom ungezügelten Treiben von Big Tech. Nicht nur bei Apple.
Ob Apples Mauern ums Ökosystem tatsächlich illegal sind, entscheiden nun die Gerichte. Die Staatsanwaltschaft muss beweisen, dass Apple eine Monopolstellung auf dem Smartphone-Markt hat. Und dass die negativen Effekte der Lock-in-Strategien die positiven überwiegen. Bei einigen Punkten wie der RCS-Unterstützung scheint das plausibel. Bei anderen wie dem Wallet-Zugang dürfte es schwieriger werden.
Egal wie die Klage ausgeht: Ich hoffe, dass Tim Cook umdenkt. Apple könnte sich problemlos nur auf die Qualität seiner Produkte und Dienstleistungen konzentrieren und künstliche Barrieren einreissen. Zuckerbrot ganz ohne Peitsche. Ich bin sicher, dass die Leute ihren Müttern auch dann noch iPhones kaufen werden.
Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.