Bombondžija: Belgrader Süssigkeiten nach altem Familienrezept
Hintergrund

Bombondžija: Belgrader Süssigkeiten nach altem Familienrezept

Egal ob bei alten Belgraderinnen oder jungen Touristen, die handgemachten Süssigkeiten von «Bombondžija» kommen gut an. So gut, dass der Laden sogar ausgebaut werden kann. Die Rezepte aber bleiben gleich – seit 1936.

Bei meinem Besuch in unserem Belgrader Büro ist mir das Haus an der Gavrila-Principa-Strasse sofort aufgefallen. Sein schräges Dach sticht aus der alten Blockrandbebauung hervor und gibt den Blick auf den Sichtbeton der Brutalismus-Bauten am Horizont frei. Noch interessanter ist es drinnen. Hier wird noch immer Ratluk in Handarbeit hergestellt.

Seit 1962 ist «Bombondžija» an der Gavrila-Principa-Strasse 14.
Seit 1962 ist «Bombondžija» an der Gavrila-Principa-Strasse 14.
Quelle: Ramon Schneider

Süssigkeiten für die Schutzheiligen

«Ratluk ist eine Art besseres Turkish Delight», erklärt Milica Bosiljčić grinsend in einem komplett weissen Outfit inklusive Haarnetz. Um ihre Aussage zu unterstreichen, reicht mir die 22-jährige Urenkelin des Gründers von «Bombondžija» gleich ein Stück in Geschmacksrichtung Vanille. Weniger süss, dafür cremiger als erwartet, schmeckt die serbische Süssigkeit. Gerade jetzt im Winter sei viel zu tun. Natürlich wegen Weihnachten und Neujahr, aber auch wegen «Slava». Zur Feier des jeweiligen Familienschutzheiligen sei es üblich, Ratluk mitzubringen.

Milica Bosiljčić ist die Tochter des jetzigen Besitzers.
Milica Bosiljčić ist die Tochter des jetzigen Besitzers.
Quelle: Ramon Schneider

Das Geschäft läuft so gut, dass die Familie nächstes Jahr gar vergrössern kann. Laden- und Produktionsfläche bekommen je ihren eigenen Raum, erklärt Milica. Momentan sind die beiden Bereiche nur durch einen rot-weiss karierten Vorhang getrennt. Davor gibt’s bunte, in Schachteln abgepackte Süssigkeiten in über einem Dutzend Geschmacksrichtungen wie Pflaume, Rose oder Erdnuss.

Dahinter stehen silberne, alte Maschinen. Die meisten Geräte, die Familie Bosiljčić benötigt, haben sie selbst entworfen. Schon damals war es schwer, an die richtigen Werkzeuge zu kommen. Die Stanzmaschine wird noch immer von Hand betrieben – genau wie damals bei der Eröffnung im Jahr 1936.

Mit diesem Gerät werden die Bonbons gestanzt.
Mit diesem Gerät werden die Bonbons gestanzt.
Quelle: Ramon Schneider

Neuer Geschmack dank Diplomarbeit

Milicas Urgrossvater Branko kam aus Valjevo im Westen Serbiens und lernte das Süssigkeitenhandwerk in verschiedenen Betrieben in Belgrad, bevor er seinen eigenen Laden eröffnete. Damals noch an anderer Adresse und lediglich mit der Geschmacksrichtung Bergamotte. Das Karamell-Ratluk kam im Rahmen von Brankos Diplomarbeit an der Universität dazu. Die beliebtesten Sorten sind aber bis heute Rose und Vanille, die von älteren Leuten ganz simpel als rotes und weisses Ratluk bezeichnet werden.

Auch Lollipops und Zuckerstangen hat «Bombondžija» im Sortiment.
Auch Lollipops und Zuckerstangen hat «Bombondžija» im Sortiment.
Quelle: Ramon Schneider

Wie bei den Maschinen hat sich auch bei den Rezepten nichts geändert. «Wir verwenden noch immer die Rezepte meines Urgrossvaters», sagt Milica. Von klein auf war sie in das Geschäft involviert. «Mein Vater sagt, dass ich hier rechnen gelernt habe.» Momentan arbeitet sie aber nicht nur im Verkauf, sondern lernt auch alle Aufgaben im Hintergrund: Buchhaltung, Personalführung, Marketing. Wahrscheinlich wird der Vater ihr das Geschäft übergeben – in die vierte Generation. «Meine jüngere Schwester studiert Grafikdesign, die andere Philologie. Bei ihnen ist das Interesse am Laden glaub nicht so gross», sagt Milica und lacht.

Nur morgens wird produziert

Das Handwerk selbst muss sie bis zur Übernahme noch lernen. Bisher kennt die 22-Jährige dieses erst in der Theorie: Sechs Stunden dauert es, bis 100 Kilogramm der Ratlukmasse angemischt sind. Danach muss sie auf einem Metalltablett über Nacht kühlen, damit sie am nächsten Morgen in Form gebracht werden kann.

Bald braucht's den Vorhang nicht mehr, weil alles zur Verkaufsfläche wird.
Bald braucht's den Vorhang nicht mehr, weil alles zur Verkaufsfläche wird.
Quelle: Ramon Schneider

Die süssen Rechtecke werden nicht nur von alteingesessenen Belgradern geschätzt, sondern auch immer mehr von Touristen. Qualität spricht sich eben herum. «Viele kaufen unser Ratluk als Mitbringsel für zuhause. Dafür bringen sie immer mal wieder Souvenirs aus ihrem Land.»

Ich tue es ihnen gleich und packe ein paar kleine Schachteln fürs Büro in Zürich ein. Ich hatte sicher schon dümmere Mitbringsel im Rucksack.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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