Bündner Hochjagd: auf Spurensuche im Calancatal
Scharf geschossen wird auf der Bündner Hochjagd erst im September. Dem Wild auf der Spur sind die Jäger aber schon heute. Eindrücke der Jagdvorbereitungen aus einem abgelegenen Bündner Seitental.
Juni 2021 im Calancatal, einem südlichen Ausläufer des Kantons Graubünden. Claudio, Marc und Marco – eine Gruppe Bündner Jäger – haben hier ihre Jagdhütte. Da gibt es immer was zu tun, gestern ging zum Beispiel der Stromgenerator kaputt und musste kurzfristig ersetzt werden. Im abgelegenen Seitental des Misox werden die Jäger im Herbst zum ersten Mal in diesem Gebiet jagen. Während der Bündner Hochjagd 2020 wurden im Gebiet Mesolcina-Calanca 400 Hirsche und 57 Rehe erlegt. Bis im September der erste Schuss fällt, wartet aber noch viel Arbeit auf die drei.
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Bündner Hochjagd
Hier im Bündnerland ist sie eine fest verankerte Tradition. Knapp 5500 Jäger werden im Herbst im Kanton unterwegs sein. Zahlen dazu finden sich auf der Webseite des Amts für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden. Das Jagdfieber geht vom Vater zum Sohn, vom Onkel zum Neffen. Nicht hinter jedem Baum sitzt ein Jäger, aber hinter jedem zweiten. Und wartet auf ein «Stück», wie das Wild in der Jägersprache heisst. Mit der Jagd ist die Aufgabe verbunden, die Wildbestände mit einer naturnahen Alters- und Geschlechterstruktur und einer artgerechten Verteilung dem Lebensraum anzupassen. Gejagt wird im Herbst, geschwitzt schon heute.
Rekognoszieren heisst das Zauberwort
Sind auf der Jagd vor allem Geduld und Sitzleder gefragt, stehen während der Jagdvorbereitung andere Qualitäten im Vordergrund. Es geht um Kraft, Ausdauer und Spürsinn. In den nächsten Wochen installieren Claudio, Marc und Marco mobile Hoch- und Bodensitze im Gebiet rund um die Jagdhütte. Dank ihrer langjährigen Erfahrung wissen sie in etwa, wo die richtigen Standorte dafür zu finden sind. Waldschneisen beispielsweise müssen früher oder später vom Wild traversiert werden. Und was für Laien wie ein Wanderweg aussieht, erkennen geübte Fährtenleser auf einen Blick als Wildwechsel. Auf solchen Pfaden sind regelmässig Wildtiere unterwegs.
Daneben spüren die Jäger den Abdrücken (in der Jagdsprache Trittsiegeln) nach, die Hirsch, Reh und Gemse auf dem Waldboden machen. Und sie erkennen die Losung, den Kot, den die Tiere hinterlassen. Ein erfahrener Jäger liest den Wald. Und ansonsten heisst das Zauberwort «rekognoszieren». Das Gelände sichten und die besten Orte für mögliche Jagdsitze ausfindig machen. Das Tagesziel für heute: Zwei Bodensitze bauen und weiteres Gelände inspizieren. Es ist 12 Uhr Mittags, als sich Claudio und Marc auf den Weg machen.
Unter der Strasse
Einer der Standorte für einen Bodensitz liegt unweit der Jagdhütte. Sämtliches Material muss zuerst zu Fuss durch steiles, unwegsames Gelände dorthin geschleppt werden. Vorschlaghammer, Spitzhacke, Schaufel, Kettensäge, Holzpaletten und diverse Bretter, sowie Rund- und Vierkanthölzer buckeln Claudio und Marc durch den Wald. Schliesslich erreichen sie den Ort, wo sie die nächsten Stunden sägen, schrauben und hämmern werden.
Zum Schluss wird der Bodensitz mit allerlei Ästen und Tannenreisig getarnt. Oder wie es in der Jägersprache heisst: verblendet. Schliesslich soll sich das Ganze möglichst unauffällig in die Landschaft integrieren. Getauft haben Claudio und Marc den Sitz «US». Die Jäger geben ihren Positionen Namen, die das Gelände beschreiben. US steht hier für «unter der Strasse». Dann geht es weiter zum nächsten Waldstück, das die beiden bei einer ihrer Touren durchs Gebiet erkundet hatten und in welchem viele Gemse unterwegs sind. Darum wird dieser Sitz dann «Gamsbode» heissen.
Gamsbode
Und wieder wird gehämmert, gesägt und geschraubt. Claudio treibt mit dem Vorschlaghammer Vierkanthölzer als stützende Elemente in den Boden, während Marc sich bereits um das Material zum Verblenden kümmert und jede Menge tote Äste sammelt. Dieses Gebiet scheint ein regelrechter Wild-Hotspot zu sein. Auf Schritt und Tritt haben Hirsch, Reh und Gemse ihre Losung auf dem Boden der Schneise hinterlassen.
Die Arbeit geht zügig voran, als dichte Regenwolken aufziehen und das erste Donnergrollen des schnell aufkommenden Gewitters zu hören ist. Zeit, für heute Schluss zu machen und zur Hütte zurückzukehren. In aller Eile packen Claudio und Marc ihre Ausrüstung zusammen und machen sich auf den Weg. Es ist 18 Uhr.
Am nächsten Morgen um 7 Uhr kommen sie zurück und beenden die Arbeit des Vortages. Wie hoch soll der Sitz werden, wie tief die Auflagefläche für das Gewehr? Claudio misst knapp 1 Meter 90, Marco, der dieses Wochenende nicht dabei ist, etwas über 1 Meter 70. Immer wieder diskutieren Claudio und Marc über die Dimensionen des Sitzes und finden dabei stets eine Lösung. Den fertigen Bodensitz statten sie schliesslich mit einer Blache als Regendach aus. Der nächste Niederschlag wird den Jägern an diesem Standort nichts mehr anhaben können.
Und wieder rekognoszieren
Die Arbeit am «Gamsbode» ist heute Morgen im Nu getan. So ist es noch früh und es bleibt Zeit, um weiteres Terrain zu erkunden. Zwei mögliche Standorte für Boden- und Hochsitze wollen sich Claudio und Marc heute noch anschauen. Ein abgelegenes Hochplateau hat es ihnen dabei speziell angetan. Es liegt rund 40 Gehminuten von der Hütte entfernt, durch unwegsames Gelände, über einen Bach und schliesslich etwa 100 Höhenmeter in Falllinie steil den Berg hinauf.
Oben angekommen sind die beiden von der 180 Grad Panoramasicht begeistert. Der perfekte Standort. Aber wie bringen sie zu Fuss das ganze Material, das sie zum Bau benötigen, hier hoch? Und wie erreichen sie dann im September noch vor Tagesanbruch den Sitz, ohne dabei durch den Wald zu stolpern und sämtliches Wild zu verscheuchen? Oder auf dem taunassen Gras den steilen Abhang hinunter ins Tal zu rutschen? Fragen, die es in den nächsten Wochen erst noch zu beantworten gilt. Mehr dazu im September ...
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.