
«Dead Island 2» im Test: Hirn abschalten und draufhauen

«Dead Island 2» setzt kaum neue Akzente im Zombiemetzel-Genre. Spass macht es trotzdem – irgendwann.
Einen schlechteren ersten Eindruck als «Dead Island 2» hat selten ein Spiel bei mir hinterlassen. Zumindest nicht solche, auf die ich mich gefreut habe. Als ich nach wenigen Spielminuten das erste Mal mit einer Eisenstange auf Zombies eindreschen darf, kann ich nur fassungslos den Kopf schütteln. Es fühlt sich an, als würde ich durch Pudding hauen. Meine Waffe schwingt völlig kraftlos und träge in die Zombiefratzen. Das soll die Fortsetzung zu «Dead Island» sein? Ich fühle mich wie ein Metzger mit Arthrose.
Ich muss zugeben, auch ich spüre leichte Zombiemüdigkeit. Zwar ist das beliebte Feindbild der Game-Welt nicht mehr allgegenwärtig wie vor zehn Jahren, an Zombie-Spielen mangelt es aber auch heute nicht. Und doch habe ich mich als Connaisseur gepflegter Schnetzeleien auf «Dead Island 2» gefreut. Den ersten Teil aus 2011 habe ich in bester Erinnerung. Eine traumhafte Tropeninsel, kristallklares Wasser und unzählige Zombies, die ich mit immer spektakuläreren, selbstgebauten Waffen zu Matsch hauen durfte. Was gibt es daran nicht zu lieben?

Quelle: Dambuster Studios
Mein Zombiehunger war damit nicht gestillt. Als Nächstes habe ich mir «Dead Island Riptide» gegönnt, dann «Dying Light» und «Dying Light 2». Alle stammen von Techland. Auch «Dead Island 2» wurde ursprünglich vom polnischen Studio entwickelt – damals, als das Spiel noch 2015 erscheinen sollte. Weitere acht Jahre und drei Studiowechsel später ist «Dead Island 2» endlich da. Eine Insel gibt es nicht mehr, am Rest hat sich wenig geändert.
Wenig Story, viel Blut
«Dead Island 2» verlegt die Zombieapokalypse nach Los Angeles oder wie die Stadt im Spiel heisst: HELL-A. Statt üppige Dschungellandschaften gibt es überbaute Bonzenviertel in Hollywood. Das ist ein bisschen schade, etwas Ferienfeeling kommt im sonnigen L.A. aber doch noch auf. Spätestens als es mich an den sonnigen Strand von Venice Beach verschlägt. Einen Einfluss auf das Gameplay hat jedoch weder der Standortwechsel noch die lange Entwicklungszeit. Wie schon im ersten Teil prügle ich mich hauptsächlich mit Nahkampfwaffen, die sich mit der Zeit abnutzen, durch Horden gefrässiger Zombies. Im Verlauf des Spiels finde ich immer bessere Mordwerkzeuge, die ich an der Werkbank mit gesammelten Ressourcen noch tödlicher machen kann – MacGyver wäre stolz auf mich.

Quelle: Dambuster Studios
Das Spiel beginnt mit einem Flugzeugabsturz, den ich zusammen mit fünf weiteren «Slayern» überlebe. Die sechs Figuren reichen von der schlagfertigen paralympischen Athletin Amy, über den exotischen Tänzer Ryan bis hin zur irischen Rockabilly-Schlägerin Dani. Alleine wegen ihres grossartigen Dialekts entscheide ich mich für letztere. Die Slayer unterscheiden sich durch zwei Anfangsskills, die jedoch keinen nennenswerten Einfluss aufs Spiel haben. Etwas mehr Auswirkungen haben die unterschiedlichen Werte bei Lebenspunkten, Beweglichkeit oder kritischem Schaden. Am Ende zählt aber hauptsächlich das Mordinstrument, das ich in der Hand habe.
Gerne hätte ich den Co-op-Modus ausprobiert, um mit bis zu zwei weiteren Slayern die Zombiehorden auszudünnen. In der Test-Zeit habe ich leider nie Mitspielerinnen oder Mitspieler finden können.

Quelle: Philipp Rüegg
Die Story ist Zombieapokalypse-mässig dünn. Es stellt sich heraus, dass ich immun gegen das Virus bin. Also soll ich mithelfen, ein Heilmittel zu kreieren. Ich geniesse aber nicht nur das Privileg, bei einem Biss automatisch keine lebenslange Mitgliedschaft beim Hirnfresser-Kult abzuschliessen. Aus irgendeinem Grund habe ich auch Zombie-Superkräfte. Dieser «Fury-Modus» wird aber erst später im Spiel freigeschaltet.
Nach dem grafisch imposanten, aber spielerisch ernüchternden ersten Eindruck rette ich mich in das Anwesen der bekannten Schauspielerin Emma Jaunt. Von dort aus erledige ich in typischer Openworld-Manier Aufträge im zombieverseuchten HELL-A. Meist geht es darum, Überlebende aus irgendwelchen Miseren zu befreien. Zwischendurch darf ich auch mal einen vermissten Luchs aufspüren. Spielerisch kommt es aufs Gleiche raus. Ich laufe zum markierten Punkt auf der Karte, metzle alles nieder, was sich mir in den Weg stellt und hole meine Belohnung ab. Regelmässig muss ich verschlossene Türen aufsperren, indem ich den Türcode finde, eine Batterie einsetze oder einen Stromunterbruch mit Wasser überbrücke. Viel mehr Hirn als ein Zombie brauche ich dafür nicht.
Eine gewisse Ernsthaftigkeit trotz Humor
Die ersten Stunden mit «Dead Island 2» sind zäh. Die Waffen haben keine Wucht und die Zombies stecken zu viel ein. Dass ich ab und zu einen Kopf zertreten oder zum blutigen Finisher ansetzen darf, reicht nicht aus, um die Monotonie aufzulockern. Die Gegner verhalten sich selbst für Zombies hirnlos. Sie haben immer die gleichen Angriffsmuster. Die grossen stämmigen Exemplare, die es auch in den alten Teilen gibt, schwingen zweimal oder setzen zu einem Bodenschlag an, der mich umwirft. Völlig durchschaubar. Die Auswahl an verschiedenen Untoten geht dafür in Ordnung. Da gibt es elektrifizierte, solche, die brennen und welche, die explodieren, wenn sie getroffen werden. Durch die verschiedenen Elemente ergeben sich Kombinationen, die ideal sind, um mehrere Zombies gleichzeitig unschädlich zu machen. Denn natürlich stehen überall lose Stromkabel, Wasserkanister und Ölfässer herum.

Quelle: Dambuster Studios
Bedrohlich wirken die Zombies allerdings nicht – obwohl ihre Fratzen herrlich entstellt sind. An der Zerstückelungs-Physik gibt es nichts auszusetzen. Detaillierter und blutiger konnte ich Zombies noch nie niedermetzeln. Darum an dieser Stelle der wahrscheinlich offensichtliche Hinweis, dass «Dead Island 2» ein wirklich blutrünstiges Spiel ist. Hier fliegen wortwörtlich die Fetzen.
Trotz exzessiver Gewalt hat das Spiel auch Humor. Meine Spielfigur Dani hat in jeder Situation flapsige Sprüche auf Lager – selbst in knietiefem Fäkalwasser in der Kanalisation gehen sie ihr nicht aus. Trotzdem behält Dani eine gewisse Ernsthaftigkeit. Auch Nebenfiguren wie Emma Jaunt sind überraschend menschlich. Wenn ihr bester Freund stirbt, dann kann das Spiel für einen Moment ernst sein. Die englischen Sprecherinnen und Sprecher sind zusammen mit den detaillierten Gesichtern sehr überzeugend.

Quelle: Dambuster Studios
Durchbeissen ist angesagt
Lustige Sprüche reichen aber nicht, wenn das Gameplay langweilig ist. Müsste ich dieses Review nicht schreiben, weiss ich nicht, wie lange ich mich mit «Dead Island 2» rumgeschlagen hätte.
Das Kampfsystem macht in den ersten Stunden einfach keinen Spass. Erst nach und nach kommt das Spiel in Fahrt. Nachdem ich den «Ground Pound» und den «Flying Kick» gelernt und die Waffen mit ein paar Modifikationen versehen haben, kommt erstmals ein bisschen Freude auf. Statt stumpf auf Zombies einzuhacken, bis sie endlich umfallen, renne ich nun auf sie zu und kicke sie Bruce-Lee-mässig durch die Luft. Mit einem Ground Pound setze ich nach – der Move wirft alle anderen Zombies zu Boden. Zum Schluss packe ich meinen elektrifizierten Vorschlaghammer aus und dekoriere den Asphalt mit einem Fleischgraffiti.

Quelle: Philipp Rüegg
Mit der Ankunft am Venice Beach gibt es nicht nur eine Prise frische Meeresluft, mein Waffenarsenal enthält auch die ersten Schusswaffen. Die sind zwar nicht ganz so befriedigend wie meine Nahkampfwaffen, die mittlerweile aus Gartenhacke, Morgenstern und Zombie-Schwert bestehen. Aber sie sorgen für Abwechslung. Die ergibt sich auch immer mehr durch das Skill-System. In vier Kategorien lassen sich Karten freischalten und ausrüsten. Die erwähnten «Ground Pound» und «Flying Kick» sind zwei davon. Ich kann wählen, ob ich lieber blocke oder ausweiche, ob Kills den Angriff oder die Lebensregeneration steigern oder ob getötete Zombies zu Sprengfallen werden sollen.
Auch meinen Fury-Modus kann ich anpassen. Diesen gab es schon im ersten «Dead Island». Er lädt sich auf, indem ich Zombies erledige. Aktiviere ich ihn, zerfetzt Dani für kurze Zeit Gegner mit blossen Händen. Gegen Ende des Spiels kommen sogenannte Autophage-Karten hinzu. Sie beeinflussen den Fury-Modus. Je mehr ich davon auswähle, desto mehr werde ich zum Zombie und desto stärker werden meine Angriffe. Die Kehrseite sind weniger Lebenspunkte oder schlechtere Ausdauer-Regeneration. Dafür kann ich Gift kotzen. Yummy.
Viel anders als Talentbäume aus den früheren Spielen ist das Kartensystem nicht. Es erlaubt durch das freie Austauschen der Karten aber etwas mehr Flexibilität.

Quelle: Philipp Rüegg
Irgendwann macht es Klick
«Dead Island 2» ist repetitiv und unoriginell und doch habe ich den Spass irgendwann gefunden. Je länger das Spiel dauert, desto mehr Laune macht das Zombiegeschnetzel. Am Anfang heisst es aber durchbeissen. Erst mit besseren Waffen und neuen Fähigkeiten nimmt das Mörderkarussel Fahrt auf. Wenn ich Zombies mit einer Stampfattacke durch die Luft katapultiere, eine Nagelgranate hinterherwerfe, um mich herum Fässer explodieren und ich mit meinem Elektroschwert Köpfe absäble, dann feuert «Dead Island 2» auf allen Zylindern.

Quelle: Philipp Rüegg
Die Spielwelt gewinnt keinen Designpreis. Das urbane Setting wird aber immer wieder durch sehenswerte Schauplätze wie die fleischgewordene Kanalisation oder den Santa Monica Pier aufgelockert. Zudem sind besonders die Innenräume detailliert gestaltet. Positiv überrascht haben mich die Charaktere – allen voran Dani, die Rockabilly-Braut. Ihre teils amüsanten, teils ernsthaften Dialoge verleihen dem Zombiegericht die nötige Würze.
Abgesehen von kleineren Bugs, wie Sicherungen, die ich mehrfach einsetzen musste, läuft das Spiel rund. Wenn du also die letzten hundert Zombieapokalypsen verschlafen hast oder wie ich ein Sucker für das Genre bist, dann wirst du durchaus Spass an «Dead Island 2» finden. Schöner und blutiger lassen sich derzeit in keinem Spiels Zombies zerhacken. Wenn du etwas mehr Tiefgang suchst, wirst du mit «Dying Light 2» wahrscheinlich glücklicher.
«Dead Island 2» ist erhältlich für PC, PS5 und Xbox Series und wurde mir von Plaion zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version getestet.


Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.