Produkttest

Die Kamera des iPhone Xs überzeugt mit cleveren Software-Tricks

Ich habe die Kamera des iPhone Xs mit dem Vorgängermodell iPhone X verglichen. Obwohl sie äusserlich kaum zu unterscheiden sind, liefern die beiden Geräte sehr unterschiedliche Bilder.

Das iPhone Xs sieht bis auf winzige Details gleich aus wie das iPhone X. Die Kameras sind äusserlich nicht voneinander zu unterscheiden. Auch die Auflösung (12 MP) und die Lichtstärke (f/1.8) ist exakt die gleiche.

Apple iPhone XS (64 GB, Gold, 5.80", SIM + eSIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

Apple iPhone XS

64 GB, Gold, 5.80", SIM + eSIM, 12 Mpx, 4G

Macht das neue iPhone dennoch bessere Bilder als das alte? Das wollte ich mit diesem Test herausfinden. Dass die Antwort «ja» lautet, war schon 30 Sekunden nach Inbetriebnahme klar. Denn als erstes fotografierte ich meine Stehlampe.

iPhone X
iPhone X
iPhone Xs
iPhone Xs

Das Bild links (iPhone X) zeigt das typische Verhalten von Kameras mit kleinem Fotosensor: Der Sensor kann die grossen Helligkeitsunterschiede nicht bewältigen, ein Teil des Bildes ist überbelichtet. Praktisch alle Smartphone-Kameras verhalten sich so. Nicht aber das iPhone Xs. Es kommt mit extremen Kontrasten bestens zurecht.

Falls Lampen fotografieren nicht zu deinen Hobbies gehört: Der Effekt zeigt sich auch in vielen anderen Situationen, nur etwas weniger deutlich.

iPhone X
iPhone X
iPhone Xs
iPhone Xs

Smart HDR vs Auto HDR

Warum macht das iPhone Xs das so viel besser? Hat es etwa einen Riesen-Sensor eingebaut? Natürlich nicht, es wendet einige Tricks an, die Apple unter dem Namen Smart HDR zusammenfasst. Der Name ist etwas verwirrend, weil es bei Apple bereits eine HDR-Funktion gibt. Die heisst Auto HDR und geht so: Wenn das Smartphone erkennt, dass grosse Helligkeitsunterschiede in einem Bild vorhanden sind, schiesst es in schneller Abfolge mehrere Bilder hintereinander mit unterschiedlicher Belichtung. Im schwach belichteten Bild sind die hellen Partien gut erkennbar, im stark belichteten die Schatten. Diese Bilder werden dann zu einem Bild zusammengerechnet. Auto HDR kannst du in den Einstellungen ausschalten, und du kannst die Option wählen, zusätzlich ein normales Bild zu speichern. Die oben gezeigten Bilder verwenden kein Auto HDR.

Smart HDR muss etwas Ähnliches sein. Wie die Technologie genau arbeitet, weiss ich nicht. Apple schreibt: «Smart HDR nutzt mehrere Technologien, wie schnellere Sensoren, verbessertes ISP und weiterentwickelte Algorithmen, um in deinen Fotos mehr Details in die hellen Bereiche und in die Schatten zu bringen.» Auch hier werden mehrere Aufnahmen zusammengerechnet. Und das offenbar so schnell, dass es auch bei Motiven in Bewegung klappt. Die Schattenseite des Schwans ist beim Xs etwas weniger dunkel. Der Effekt ist hier allerdings nur sehr schwach sichtbar.

iPhone X
iPhone X
iPhone Xs
iPhone Xs

Smart HDR bringt bessere Ergebnisse als Auto HDR. Es funktioniert auch bei der Frontkamera. Auch wenn Apple von «schnelleren Sensoren» spricht, vermute ich, dass die Funktion höchstens in kleinen Details von der Hardware abhängt. Es ist primär eine Software-Technologie.

iPhone X (Ausschnitt)
iPhone X (Ausschnitt)
iPhone Xs (Ausschnitt)
iPhone Xs (Ausschnitt)

Selfie mit der Frontkamera: Die Stirn ist in beiden Bildern ein Desaster, aber das iPhone Xs macht es etwas besser.

Bessere Bilder im Dunkeln

Das iPhone X neigt zu längeren Belichtungszeiten und tieferer ISO. (Kurze Erklärung, damit alle auf dem gleichen Wissensstand sind: Die ISO-Empfindlichkeit reguliert die Lichtempfindlichkeit des Sensors. Je höher, desto eher kannst du bei wenig Licht fotografieren, allerdings nimmt die Bildqualität dabei ab.) Das iPhone Xs schraubt die ISO-Empfindlichkeit hoch und belichtet dafür kürzer. Dadurch kannst du auch abends im Schummerlicht Personen fotografieren – mit ¼ Sekunde Belichtungszeit geht das nicht. Die höhere ISO hat im Vergleich mit dem iPhone X überraschenderweise keine Nachteile bezüglich Auflösung und Farbgebung. Im Gegenteil: Die Bildqualität ist selbst bei deutlich höherer ISO besser. Auch das ist möglicherweise nicht der Hardware, sondern der Software zu verdanken. Die Smartphone- und Kamerahersteller optimieren ja ständig ihre Rauschunterdrückungs-Algorithmen. Die Kunst besteht darin, das Rauschen zu beseitigen, die Details aber zu erhalten.

iPhone X
iPhone X
iPhone Xs
iPhone Xs

Dieses Bild wurde in einem sehr dunklen Raum mit der 2x-Vergrösserung geschossen. iPhone X (links) belichtet mit ¼ Sekunde und 100 ISO. Das iPhone Xs (rechts) belichtet mit 1/30 Sekunde und 640 ISO. Die Unterschiede zeigen sich in der Vergrösserung.

iPhone X
iPhone X
iPhone Xs
iPhone Xs

Der Porträtmodus kann mehr, macht aber immer noch Fehler

Der schon länger vorhandene Porträtmodus ermöglicht, den Hintergrund künstlich unscharf zu stellen. Beim iPhone Xs lässt sich neu der Grad der Unschärfe frei wählen, auch im Nachhinein. Keine grossartige Neuerung und von anderen Smartphones schon bekannt. Aber ein Fortschritt zum iPhone X: Dort kannst du nur im Nachhinein ein- oder ausschalten. Drehst du den Unschärfe-Effekt voll auf, ist er beim Xs wesentlich stärker als beim iPhone X.

iPhone X
iPhone X
iPhone Xs mit maximalem Unschärfe-Effekt
iPhone Xs mit maximalem Unschärfe-Effekt

Dabei fallen allerdings auch die Fehler mehr auf, die der «Bokeh-Effekt» nach wie vor produziert. Im Bild oben betrifft das die Lücke rechts zwischen Ellbogen und Körper. In der gleichen Lücke auf der linken Seite ist immerhin eine leichte Verbesserung zu erkennen. Das iPhone X bildet hier den unteren Teil der Lücke falsch ab, das iPhone Xs macht es besser.

iPhone X: Lücke links teilweise falsch, rechts komplett falsch
iPhone X: Lücke links teilweise falsch, rechts komplett falsch
iPhone Xs: Lücke links korrekt, rechts falsch
iPhone Xs: Lücke links korrekt, rechts falsch

Fazit: Ja, sie ist besser

Ja: Die Kamera des iPhone Xs ist klar besser als die des iPhone X. Das ist auf den ersten Blick erkennbar und benötigt keinerlei Labortests und Pixel-Klaubereien. Situationen mit grossen Helligkeitsunterschieden, etwa Lampen oder Gegenlicht, bewältigt das iPhone Xs viel besser. Ebenso Situationen mit wenig Licht. Das sind genau die beiden Dinge, mit denen Smartphone-Kameras durch ihre kleinen Sensoren am meisten Probleme haben.

Ob der neuste Wurf Apples bessere Bilder macht als Top-Phones anderer Hersteller wie das Google Pixel 2 oder 3, kann ich nicht sagen. Hieb- und stichfeste Vergleiche über Betriebssystem-Grenzen hinweg sind schwierig und unter Umständen sehr aufwendig. Ich finde, das lohnt sich nicht, denn wer einmal auf iOS ist, wird nicht plötzlich das System wechseln, nur weil die Konkurrenz momentan gerade ein bisschen besser ist in der Kamera. Und umgekehrt auch nicht. Dafür sind die Unterschiede dann doch zu gering.

14 Personen gefällt dieser Artikel


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Produkttest

    iPhone 16 Pro im Test: Rückkehr der Schatten

    von Samuel Buchmann

  • Produkttest

    iPhone 16 (Plus) im Test: Was ist wirklich neu?

    von Florian Bodoky

  • Produkttest

    iPhone 13: 7 Dinge, die nach dem ersten Test auffallen

    von Dominik Bärlocher

Kommentare

Avatar