Die unbekannten Smartphone-Kings von Afrika
Der fünftgrößte Smartphone-Hersteller der Welt ist in Europa nahezu unbekannt. Transsion dominiert mit seinen drei Marken Tecno, Infinix und Itel den Markt in Afrika und schließt langsam zu den Großen auf.
Anfangs habe ich News über Tecno & Co ignoriert. Langweilige Billig-Smartphones, die es bei uns eh nicht gibt. Inzwischen hat Transsion, der Konzern hinter den drei Marken, seine Entwicklungsabteilung ausgebaut. Die unbekannten Smartphone-Kings von trumpften auf dem Mobile World Congress (MWC) mit der einen oder anderen Neuheit auf.
Nummer 1 in Afrika, Nummer 5 weltweit
94,9 Millionen Smartphones hat Transsion mit seinen drei Marken im Jahr 2023 verkauft. Das hat das Marktforschungsunternehmen IDC in ihrem Worldwide Quarterly Mobile Phone Tracker ermittelt. Es entspricht einem Marktanteil von 8,1 Prozent und reicht für Platz fünf, knapp hinter Oppo. Davor liegen nur noch Xiaomi, Samsung und Apple.
Der Marktforschung von Canalys zufolge verzeichnet Transsion in Afrika zudem seit Jahren einen Marktanteil um die 50 Prozent. Samsung folgt mit 30 Prozent und Xiaomi liegt bei 10 Prozent. Dabei ist Tecno die wichtigste Marke des Transsion-Konzerns. Sie war letzten Winter auch der Smartphone-Sponsor des Afrika-Cups.
Eine Smartphone-Rückseite als Teaser
Während Itel dem MWC fernblieb, nutzte Infinix eine Veranstaltung am Vortag der Messe, um einen Bildschirmprototyp zu zeigen. Dieser ist für die Rückseite eines Smartphones gedacht und kann die Farbe wechseln oder Muster anzeigen. Für Kollege Lorenz Keller die schönste Rückseite eines Smartphones, die er seit langem gesehen hat.
Infinix setzt dabei auf E-Ink-Technik, wie sie in E-Book-Readern zum Einsatz kommt. Sprich: Nur wenn die Pixel ihre Farbe wechseln, brauchen sie Strom. Das Panel für die Rückseite ist übrigens gar nicht so viel dicker als das sonst verbaute Material.
Ein aktuelles Sortiment, das sich nicht verstecken muss
Auch Tecno ist beim MWC präsent. Am Messestand gibt es aktuelle Produkte zu sehen und der Hersteller gewährt Einblicke in die Arbeit seiner Entwicklungsabteilung.
Aus europäischer Sicht bewegen sich die Smartphones von Tecno eher im Einsteiger- bis Mittelklassebereich. Das Topmodell ist das Camon 30 Premier. Je nach Preis könnte es ein guter Deal sein. Denn das Phone kommt mit dem Dimensity 8200 Ultimate, einem 6,77 Zoll großen AMOLED-Display mit 120 Hertz sowie drei Kameras mit jeweils 50-Megapixeln. Android 14 ist bereits an Bord, aber ich habe keine Informationen über Support-Zeiträume erhalten.
Das zum MWC neu vorgestellte Pova 6 Pro scheint mit seinen LED-Leuchten auf der Rückseite vom Glyph auf den Smartphones von Nothing inspiriert zu sein. Bei der Ausstattung sortiert es sich mit dem Dimensity 6000 und nur einer brauchbaren Hauptkamera hinter dem Camon 30 Premier ein.
Schon etwas älter und deswegen ab Werk noch mit Android 13 ausgestattet sind das Falt- und das Klapp-Smartpone Phantom V Fold und Phantom V Flip. Ein kurzes Ausprobieren am Messestand sowie die Datenblätter lassen sie als potenziell günstigere und nutzbare Alternative zum Galaxy Z Fold und Flip von Samsung erscheinen.
Noch günstiger wird es bei Tecno, wenn du dir die Spark-Modelle anschaust. Anfang 2024 ist die Spark-20-Serie erschienen. Dort erwartet dich zwar nur ein Helio G99 (Ultimate) mit 4G als Prozessor, aber bereits AMOLED-Displays mit 120 Hertz und eine 108-Megapixel-Kamera. Android 14 gibt es allerdings nur beim Spark 20 Pro+.
Rollen, falten und Farbe ändern
Noch spannender als die aktuellen Smartphones ist die Ecke des Tecno-Standes mit aktuellen Arbeitsnachweisen aus der Entwicklungsabteilung. Spruchreif und final fertig ist davon zwar nichts. Es zeigt aber, dass nicht nur die etablierten Hersteller an Innovationen arbeiten.
So rollt zum Beispiel das Phantom Ultimate sein Display auf Knopfdruck in die Breite. Das dauert etwa 1,3 Sekunden und der Hersteller hat so viel Vertrauen in die Technologie, dass Besucher die Geräte in die Hand bekommen. Sie fühlen sich schon sehr fertig an.
Bei Falt-Smartphones mit Innendisplay ist die Kerbe in der Mitte zwar schon sehr dezent geworden, bei den Serienmodellen aller Hersteller aber immer noch zu sehen. Tecno hat das Scharnier bei seinem Demo-Gerät so optimiert, dass mit bloßem Auge keine Falte mehr zu sehen ist. Mit dem Finger spüre ich sie minimal, wenn ich sie bewusst suche.
Die «Chameleon Coloring Technology» erinnert an die Rückseite der Schwestermarke Infinix, nutzt allerdings kein E-Ink. Stattdessen werden kleine Prismen – unter einem Mikrometer – durch elektrische Ladungen so rotiert, dass sie unterschiedliche Farben und Muster reflektieren. Eine konstante Stromzufuhr ist also nicht nötig.
Ebenfalls für die Rückseiten von Smartphones experimentiert Tecno mit verschiedenen Materialien herum. So gibt es besonders robuste Kunstledervarianten und Glas-Rückseiten mit 3D-Effekten oder Texturen zu sehen, die einen besonderen Herstellungsprozess erfordern.
Während des MWC hielt Tecno zudem eine Keynote-Veranstaltung ab, um die eigenen KI-Bestrebungen vorzustellen. Funktional gab es aber im Vergleich mit Google, Samsung und Co. aber nichts wirklich neues. Tecno will dich unter anderen Porträtfotos generativ anpassen oder Strichskizzen in richtige Bilder umwandeln lassen.
Tecno beschränkt sich übrigens nicht nur auf Smartphones. Am Messestand in Barcelona waren passende Smartwatches und In-Ear-Kopfhörer ebenso zu sehen wie Notebooks, Mini-PCs, eine AR-Brille und ein Roboterhund.
Die aufstrebenden Märkte im Blick
Falls du nun direkt ein Smartphone von Tecno kaufen willst, muss ich dich enttäuschen. Tecno teilte auf Nachfrage stellvertretend für den Gesamtkonzern mit, dass der Fokus auf den sogenannten Emerging Markets bleibe. Das Unternehmen weist für Afrika, Lateinamerika, Südostasien, Indien und Osteuropa ein Verkaufswachstum zwischen 21 und 207 Prozent für 2023 aus. Da scheint das Bedürfnis, viel Marketing-Geld in den teuren Märkten in Europa und Nordamerika zu stecken, gering zu sein.
Trotz der selbstgewählten Beschränkung auf Entwicklungsmärkte haben es Smartphones von Tecno und Infinix in unser Sortiment geschafft. Allerdings sind die neuen Modelle noch nicht dabei – und die Lieferzeiten eher länger. Falls in nächster Zeit eines der spannenden neuen Modelle hinzukommt, werde ich kaum widerstehen können und mir ein Testgerät besorgen.
Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Digitec und Galaxus.