Dieser Krake vibriert auf deinen Ohren
Razer spendiert dem Kraken V3 Hypersense-Technologie. Damit vibriert das Headset wie dein Game Controller. Das spezielle Feature des an sich soliden Gaming Headsets ist noch nicht ganz ausgereift.
Boom. Links neben mir explodiert eine Granate. Die druckvolle Explosion spüre ich an der linken Ohrmuschel. Die Vibration breitet sich von dort über den ganzen Kopf aus. Hypersense nennt Razer die Technologie, die deinen Kopf zum Beben bringt. Das macht in gewissen Games Laune, vermiest dir virtuelle Meetings und verpasst dir bei basslastigen Songs eine gratis Kopfmassage. Abgesehen davon bietet das Kraken V3 Hypersense soliden, voluminösen Klang und ein mehr oder weniger gutes Mikrofon.
Spartanischer Lieferumfang
In der Verpackung befindet sich ausser dem Headset mit Mikrofon: nichts. Das Mikrofon steckst du am linken Hörer ein. Es ist beweglich, damit du es optimal platzieren kannst. Das gewickelte USB-A-Kabel ist mit zwei Metern Länge etwas knapp bemessen.
Insgesamt ist das Headset sehr gut verarbeitet. Es lässt sich in jede Richtung verbiegen, sodass es sich an jede Kopfform anpasst. Das innere, metallene Kopfband lässt sich in 16 Stufen verstellen. Es ist mit Memory-Schaum gepolstert und von Kunstleder sowie Stoff umgeben. Damit du nicht so stark schwitzt, ist der Stoff innen und das Kunstleder aussen angebracht. Deine Haut kann also atmen. Ebenso aufgebaut sind die Hörmuscheln, die das ganze Ohr umschliessen. Hörmuscheln sowie Kopfband spüre ich auch nach stundenlangem Tragen kaum und schwitze nicht.
Optisch unterscheidet sich das Kraken V3 nicht gross von anderen Gaming Headsets: Es ist klobig und wirkt auf meinem Kopf überdimensioniert. Nur die mit RGB beleuchteten Razer-Logos auf den beiden Hörmuscheln lenken vom Schwarz ab. An der linken Hörmuschel sind hinten das Lautstärkerad und der Stummschaltknopf für das Mikrofon platziert. Rechts befindet sich der Hypersense-Schalter, mit dem du das Feature in drei Stufen einstellst oder abstellst.
Nebst dem Kraken V3 mit Hypersense gibt es noch das Kraken V3 ohne und das Kraken V3 Pro mit Hypersense und Wireless-Funktion.
Hypersense: Kein Killerfeature
1998 kurve ich in Gran Turismo über den virtuellen Asphalt. In den Händen halte ich den ersten DualShock Controller. Was für ein geiles Gefühl. Der Controller vibriert je nach Geschehen und zieht mich so mehr ins Spiel hinein. Controller, die vibrieren, werden zum Standard. Das Killerfeature Vibration bei Controllern hält sich bis heute.
Mit Hypersense will Razer dieses Gefühl von den Händen auf den Kopf übertragen. Eigentlich keine dumme Idee. Wenn du am PC zockst, willst du ja nicht, dass deine Maus vibriert. Die Bewegung beeinträchtigt deine Präzision. Tatsächlich gefällt mir das Feature gut. Zumindest bei gewissen Genres – Shootern oder sonstigen actiongeladenen Spielen beispielsweise. Dort sorgt es für zusätzliche Immersion – es zieht mich noch mehr ins Geschehen rein.
Jedoch ist das Feature noch nicht ganz ausgereift. Die Software, welche die Vibrationen auslöst, stützt sich auf den Bass. Deshalb macht das Teil in actionreichen Games auch Sinn. Wenn’s rumst, brummt’s auf dem Kopf. Spielst du hingegen ein ruhigeres Spiel, wirkt das deplatziert. Hier müsste die Software geschickter agieren – beziehungsweise müssten Entwickler das Feature bewusst implementieren.
Zudem kann ich die Intensität nur in drei Stufen – tief, mittel, hoch – einstellen. Das ist zu wenig. Bei tief und mittel ist mir die Intensität zu schwach, bei hoch zu stark. Eine stufenlose Regelung in der Software, die du auf dem Hardwareschalter speichern kannst, wäre toll.
Bei Games kann Hypersense also durchaus Sinn ergeben. Anders sieht es beim Sprechen aus. Habe ich das Feature auf höchster Stufe in virtuellen Meetings aktiviert, wird’s ganz schräg. Das Headset steppt auf meinem Kopf, wenn mich die männlichen Kollegen mit ihren Bassstimmen bombardieren. Immerhin, nach zwanzig Minuten Kraken-Kopfmassage fühle ich mich tiefenentspannt. Das kann ich nach Sitzungen selten behaupten. Glücklicherweise lässt sich das Feature deaktivieren und ich muss weder Meeten noch Musikhören mit Vibrationen.
Noch krasser ist es bei basslastigen Liedern. Bei Dead Prez’ «Hip Hop» vibriert es mir das Kraken beinahe vom Kopf. Das ist okay für eine Massage, aber auf lange Dauer wird das Musikhören so zur Qual.
Hypersense ist zwar nett, aber im Gegensatz zu DualShock bei Controllern kein Feature, das sich für mich durchsetzen muss.
Solider Sound
Das Kraken V3 hat 50-Millimeter-Treiber verbaut. Die TriForce-Titanium-Treiber, wie sie Razer nennt, kommen bereits in mehreren Headsets des Herstellers zum Einsatz. Sie liefern gute Soundqualität. Vor allem die Mitten sind stark. Die Höhen hingegen sind eher schwach. Ihnen fehlen die Nuancen, ich höre sie nicht heraus. Die Tiefen sind in Ordnung. Bei Explosionen fehlt mir jedoch etwas der Punch. Dank Hypersense spüre ich zwar, dass da etwas explodiert, ich höre es aber nicht im selben Ausmass. Vor allem im ganz tiefen Spektrum zeigt das Headset Schwächen.
Sehr gut gelungen finde ich den Raumklang mit THX Spatial Audio. Der 7.1 Surround Sound lässt mich wirklich hören, wo meine Gegner in den Games sind.
Das Mikrofon ist für ein Gaming-Headset ganz in Ordnung. Wie die Treiber ist es vor allem in den Mitten stark, weshalb mich meine Gegenüber sehr gut verstehen. Es fehlt dem Mic aber an Substanz in den Tiefen. Ich klinge relativ flach. Dem kann ich mit dem Equalizer in der Razer Kraken Software zwar etwas nachhelfen, aber wirklich toll klingt es auch so nicht.
Software mit vielen Einstellungsmöglichkeiten
In der Razer Synapse Software kann ich in den Reitern Sound, Mixer, Verbesserung, Mikro und Beleuchtung diverse Dinge einstellen. Die Software lässt für mich keine Wünsche offen.
Das Bild in Originalgrösse gibt es hier.Bei «Sound» stelle ich die Lautstärke und Stärke von Hypersense ein. Weiter kann ich beim «Mixer» den Raumklang anpassen. «Verbesserung» lässt mich die Soundprofile einstellen oder selber erstellen. Dasselbe kann ich unter «Mikro» für die Aufnahme tun. Zuletzt passe ich unter «Beleuchtung» die RGB-Effekte auf den Ohrmuscheln an.
Fazit: Gutes Headset mit nettem Gimmick
Hypersense ist kein Killerfeature. Nett ist es aber allemal. Es macht Laune, in actiongeladenen Spielen Explosionen und derartiges zu spüren.
Abseits von Hypersense ist das Kraken V3 ein gut verarbeitetes Headset, das nicht viel anders macht als andere Gaming Headsets. Der Klang ist voluminös, reisst mich aber nicht vom Hocker. Dazu müssten die Tiefen und Höhen besser ausbalanciert sein. Auch das Mikrofon ist eher bei den Mitten stark, weshalb meine Stimme flach klingt. Aber das ist bei den meisten Gaming-Headsets so. Der Surround Sound hingegen ist gut umgesetzt.
Willst du ein Headset, das vibriert, kann ich dir das Kraken V3 Hypersense empfehlen. Da es das einzige Headset mit Vibration ist, ist eine preisliche Einschätzung schwierig. Das Kraken V3 ohne Hypersense kostet knapp 90 Franken. Damit liegt es preislich im Bereich von qualitativ ähnlichen Headsets. Deshalb erscheinen mir die 40 Franken mehr für die Hypersense-Version fair.
Persönlich bevorzuge ich jedoch die Kombination von Podcast-Mikrofon und Hifi-Kopfhörer an einem Digital-Analog-Umsetzer (DAC) und Verstärker. Doch diese Kombo kostet in meinem Fall mit 400 Franken einiges mehr als das Kraken V3 – und vibrieren tut mein Meze 99 Classic nicht.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.