Charlie Chulho Bae während der «World of Samsung»-Präsentation / Foto: Luca Fontana
Hintergrund

«Dolby Vision? Brauchen wir nicht!» – Samsung über TV-Strategie, 8K und Micro-LED

Luca Fontana
22.3.2025
Bilder: Luca Fontana

Samsung ist die Nummer eins im TV-Markt – doch die Konkurrenz holt auf. Während China mit Kampfpreisen angreift, setzt Samsung auf KI, 8K und Micro-LED. Aber reicht das? Ein Gespräch über Marktstrategien, Dolby Vision und die Zukunft des Fernsehens.

Zusammen mit Journalistinnen und Journalisten aus ganz Europa war ich in Fredenhagen bei Frankfurt am Main zu Gast, wo Samsung beim «World of Samsung»-Event sein gesamtes Produktportfolio für das kommende Jahr präsentierte. Doch mein Fokus lag – natürlich – auf dem TV-Geschäft. Und ich hatte Fragen im Gepäck: Wie will Samsung an der Spitze bleiben? Wo bleibt der Markt für 8K-Fernseher? Und warum verzichtet Samsung weiterhin auf Dolby Vision?

Über diese Fragen und mehr sprach ich mit Jose Barreiro-Lopez, Samsungs Europachef für TV und Sound, und Charlie Chulho Bae, Leiter des TV- und Sound-Produktmanagements in Europa. Es wurde ein Gespräch über Strategien, technologische Visionen – und warum Samsung überzeugt ist, dass Micro-LED mehr als nur Zukunftsmusik ist.

«AI for All» – Wo die Reise bei Samsung hin soll, ist klar.
«AI for All» – Wo die Reise bei Samsung hin soll, ist klar.

Samsung dominiert den TV-Markt wie kein Zweiter. Doch TCL und Hisense drücken mit Kampfpreisen immer mehr nach vorne. LG und Sony haben sie bereits überholt. Bleibt ihr unantastbar – oder spürt ihr den Druck?
Jose Barreiro-Lopez: Fakt ist: Wir sind seit 19 Jahren Marktführer bei TVs und seit 11 Jahren bei Soundbars. Aber unser Fokus geht längst über klassische Fernseher hinaus. Deshalb haben wir «Vision AI» nicht nur in TVs integriert, sondern auch in Projektoren und Lifestyle-Produkten. Die Lifestyle-TV-Kategorie – mit Geräten wie The Frame, The Serif und The Terrace – haben wir bereits 2016 mit Vitra und den Kolek-Brüdern gestartet. Unser Ziel ist klar: weiter wachsen, neue Segmente erschliessen, auch abseits des Mainstreams.

Und wie sieht es bei klassischen Fernsehern aus? Die sind doch noch immer das Herzstück eures Geschäfts.
Jose: Genau deshalb investieren wir konstant in Innovation. Samsung hat eine treue Kundschaft, die unsere Vielfalt schätzt – von Fernsehern über Smartphones bis hin zu Haushaltsgeräten und sogar Medizintechnik. Viele Hersteller wären froh, so breit aufgestellt zu sein. Aber für uns geht es um mehr als einzelne Geräte: Wir denken in Ökosystemen. Über 285 Millionen Menschen nutzen SmartThings, unsere Plattform, die alles von Unterhaltung bis Haustechnik miteinander vernetzt.

«Tizen OS, unser Smart-TV-System, bekommt ab sofort sieben Jahre lang Updates – in der TV-Branche ist das so gut wie beispiellos.»

Ein riesiges Ökosystem allein reicht aber nicht aus, um langfristig Nummer eins zu bleiben. Was unterscheidet Samsung von der Konkurrenz?
Jose: Ein entscheidender Punkt ist unsere Offenheit für Partnerschaften. SmartThings funktioniert nicht nur mit Samsung-Geräten, sondern auch mit Marken wie Philips Hue, Ring oder sogar Automobilherstellern. Wir setzen bewusst auf eine offene Plattform. Und: Unser Smart-TV-System Tizen OS bekommt ab sofort sieben Jahre lang Updates – das ist in der TV-Branche so gut wie beispiellos.

Manchmal wirkt es allerdings so, als würden Fernseher immer mehr Features bekommen. Viele bleiben ungenutzt. Wollt ihr wirklich noch mehr Funktionen in eure TVs packen?
Jose: Richtig, Technik soll nicht überfordern, sondern das Leben erleichtern. Ein TV muss kein Schweizer Taschenmesser sein, bei dem die Hälfte der Tools niemand braucht. Stattdessen soll sich der Fernseher anpassen. Wer von einem Film direkt ins Game wechselt, muss sich nicht durch Menüs hangeln – der TV erkennt die Konsole und stellt automatisch um. Einfach hinsetzen und loslegen.

«Dolby Vision? Wir übernehmen keine bestehenden Standards – wir entwickeln lieber eigene Technologien, die das Seh- und Hörerlebnis verbessern.»

Dolby Vision bleibt ein heisses Thema: Viele sagen mir, sie würden sofort einen Samsung-TV kaufen – wenn Dolby Vision an Bord wäre. Warum bleibt ihr trotzdem nur bei HDR10+? Warum nehmt ihr diesen Marktverlust in Kauf?
Charlie Chulho Bae: Für uns ist nicht entscheidend, ob HDR10+ oder Dolby Vision «besser» ist. Aber wir glauben an HDR10+ – deshalb entwickeln wir es gezielt weiter. Und wir sind offen für Partnerschaften: Mit Google haben wir etwa «Eclipsa 3D Audio» umgesetzt. Statt bestehende Standards zu übernehmen, konzentrieren wir uns darauf, neue Features zu schaffen, die das Seherlebnis spürbar verbessern.

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Trotzdem wirkt das für viele wie ein klares Nein zu Dolby Vision.
Jose: Ja, das verstehe ich. Aber für uns ist das Thema breiter. Wir setzen stark auf AI-Optimierung bei Bild und Ton – weil dort das grösste Potenzial liegt, um das Erlebnis aufs nächste Level zu bringen. Technologien wie zum Beispiel Q-Symphony, bei denen TV und Soundbar perfekt zusammenspielen, machen für uns einen echten Unterschied.

Heisst das, Samsung sieht in Dolby Vision gar keinen Mehrwert?
Jose: Doch, aber unsere Prioritäten liegen woanders. Wir entwickeln Technologien, die sich über unsere gesamte Produktpalette hinweg auszahlen – nicht nur im TV-Bereich. Zum Beispiel im Bereich Sicherheit oder Nachhaltigkeit: Wir setzen auf recycelte Materialien, Solarzellen in Fernbedienungen oder kabellose Stromversorgung. Für uns zählt das grosse Ganze.

Anderes Thema. Letzte Woche habe ich mit Shoji Ohama gesprochen, Sonys «TV-Chef Europas». Aus seiner Sicht gebe es keine Inhalte und keine Nachfrage für 8K. Sony hat sich deshalb in den letzten Jahren aus dem 8K-Geschäft zurückgezogen. Ihr hingegen setzt weiterhin darauf. Warum?
Charlie: Oh, es gibt sehr wohl 8K-Inhalte! Auf YouTube zum Beispiel. Und mit einem Galaxy-Smartphone kann man in 8K filmen. Gleichzeitig investieren wir stark in AI-Upscaling, das niedrig aufgelöste Inhalte sichtbar verbessert. Klar ist: Ohne 8K-Panel sieht man kein echtes 8K – auch wenn das Ausgangsmaterial vorhanden ist. Deshalb treiben wir die Technologie weiter voran – jetzt auch mit «Vision AI».

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Aber wie reagiert ihr auf Kritik, die sagt, dass echter 8K-Content noch immer begrenzt ist?
Jose: Es wird mehr – vor allem im Bereich von User-Generated Content, etwa in Zentral- und Osteuropa. Viele filmen in 8K, laden es hoch, teilen es. Das war bei HDR oder HD-ready nicht anders. Auch damals hat sich die Infrastruktur erst mit der Zeit aufgebaut. Wir glauben, dass sich die Entwicklung bei 8K ähnlich wiederholen wird.

«8K ist keine Technologie nur für heute – es geht darum, auf die Inhalte, die kommen werden, vorbereitet zu sein.»

Das Problem ist eurer Meinung nach also nicht – wie Sony es sagte – der fehlende Content, sondern die Verbreitung der Displays?
Jose: Genau. Deshalb implementieren wir unser AI-Upscaling auch in 4K-Modelle. So profitieren auch Nutzende ohne 8K-TV von der besseren Bildqualität. Egal ob alte Familienvideos oder Fotos: Unsere KI macht das Bild schärfer. Für uns ist 8K keine Momentaufnahme, sondern eine Investition in die Zukunft.

Und was ist mit Micro-LED? Seit fast zehn Jahren wird sie als Wunder-Technologie der Zukunft gefeiert, die «bald» kommt – doch bis jetzt ist sie nur ein teurer Luxus für Stadien oder Kinos. Mal ehrlich: Micro-LED wird doch nie ein echter Fernseher für den Heimgebrauch werden.
Jose: Im Gegenteil. Micro-LED ist längst Teil unseres Portfolios – du hast die Technologie ja selbst an der IFA oder CES gesehen. Letztes Jahr haben wir dort zum Beispiel unseren transparenten Micro-LED gezeigt, bei der CES dieses Jahr dann RGB-Micro-LED. Auch für zu Hause bieten wir Micro-LED an

«Micro-LED ist bereits ein Produkt für Endkunden – nur eben vor allem für jene, die sich die Crème de la Crème leisten wollen.»

Einverstanden, aber Micro-LED ist und bleibt noch immer ein Premium-Produkt mit einem Preis, der es für die meisten Menschen unerschwinglich macht – darauf will ich hinaus. Ein 76-Zoll-Modell etwa kostet über 80 000 Franken, also ungefähr gleich viel wie ein neuer Tesla.
Jose: Klar, das ist ein anderes Preisniveau. Aber Micro-LED ist im Handel – etwa bei Harrods oder Selfridges in London oder bei Premium-Händlern in der Schweiz. Für Menschen, die wirklich nur das Beste wollen. Die Crème de la Crème, wenn du so willst. Das war bei neuen Technologien schon immer so.

Und wann wird sich das für Micro-LED endlich ändern?
Jose: Das ist schwer zu sagen. Wir arbeiten daran, die Kosten zu senken – aber die Technologie ist extrem aufwändig. Es braucht teure Materialien, präzise Fertigung, spezielle Verfahren. Trotzdem: Micro-LED ist keine Zukunftsmusik. Sie ist real, für Endkunden verfügbar – und wir treiben die Entwicklung weiter voran, mit transparenten Varianten und anderen neuen Ansätzen.

Charlie: Denk an OLED: Als wir die Technologie 2013 zum ersten Mal eingeführt haben, war sie fast unbezahlbar. Heute ist sie Standard. Ich glaube, Micro-LED wird denselben Weg gehen. Die Technik wird besser, die Produktion günstiger – und Stück für Stück rückt sie in greifbare Nähe.

«Die Art, wie wir TV erleben, steht vor einem Wandel – und wir treiben diesen Wandel aktiv voran.»

Eine letzte Frage. Springen wir ins Jahr 2035. Ich betrete mein Wohnzimmer – was erwartet mich? Ein riesiger Bildschirm, ein holografisches Display oder gar nichts mehr, weil der TV sich komplett in die Umgebung integriert?
Jose: Der nächste grosse Umbruch kommt bestimmt. Wie genau er aussieht? Noch geheim. Aber klar ist: Die Art, wie wir Fernsehen erleben, verändert sich gerade grundlegend. Deshalb sprechen wir bei Samsung nicht mehr nur von TVs, sondern von «Vision AI» als ganzheitlicher Idee. Erst kamen Lifestyle-TVs, dann Projektoren, interaktive Displays wie The Premiere 5 – jetzt denken wir schon über holografische Interfaces nach.

Klingt spannend. Wird es also gar keine klassischen Fernseher mehr geben? Nur noch Projektionen und holografische Displays?
Jose: Das wird der Markt entscheiden. Manche wollen weiterhin einen grossen Bildschirm an der Wand, andere setzen auf mobile oder flexible Lösungen. Wir entwickeln beides weiter. Wohin es sich entwickelt? Wir werden’s sehen – buchstäblich.

Charlie, wenn du wetten müsstest: Was wird in zehn Jahren unser Wohnzimmer dominieren – OLED, Micro-LED oder etwas völlig Neues?
Charlie: Wahrscheinlich eine Kombination aus vielem. Es wird nicht die eine Technologie geben, die alle anderen ersetzt. Aber eines ist sicher: Ob Quantum Dots, KI-gestützte Bildverarbeitung oder Micro-LED – wir wollen ganz vorne mitspielen. Unser Ziel ist, Technik so zu bauen, dass sie sich nahtlos in den Alltag einfügt.

Perfekt. Danke euch für das Gespräch!

Titelbild: Charlie Chulho Bae während der «World of Samsung»-Präsentation / Foto: Luca Fontana

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