Samsung-TV-Chef im Gespräch: «Wir brauchen kein Dolby Vision für ein gutes Bild»
In Frankfurt stellte der südkoreanische Tech-Gigant Samsung sein TV-Lineup für das Jahr 2023 vor. Ich war dabei – und hatte Fragen. Beantwortet hat sie Nathan Sheffield, Head of TV und Audio Europa.
Es war das grosse Medien-Stelldichein, auf das niemand gewartet hat und das trotzdem alle besuchen wollten: der erste European Samsung Summit in Bad Homburg, Frankfurt. Echte Neuigkeiten erwarteten die anwesenden Journalistinnen und Journalisten kaum. Nicht so kurz nach der vergangenen CES 2023 in Las Vegas, über die ich hier berichtet habe. Der Summit bot aber die Möglichkeit, das neue Lineup mit eigenen Augen zu sehen und den wichtigen Köpfen bei Samsung Fragen zu stellen. Etwa Nathan Sheffield, Head of TV und Audio Europa.
Eine Möglichkeit, die ich wahrgenommen habe. Unter anderem mit einer Frage aus der Community: Warum gibt’s kein Dolby Vision auf Samsung-Fernsehern?
Der unbesungene Primus: QD-OLED
Seit 2022 mischt Samsung endlich auf dem OLED-Markt mit. Und nicht nur irgendwie: QD-OLED, Samsungs Weiterentwicklung der OLED-Technologie, könnte LGs OLED-Monopol zum ersten Mal seit fast zehn Jahren in Frage stellen. Mit-Konkurrent Sony kauft zum Beispiel schon fleissig QD-OLED-Displays bei Samsung ein, um sie in seinen eigenen Fernsehern einzubauen. Dazu kommen immer mehr Hersteller, die Samsungs QD-OLED-Panels für ihre Gaming-Monitore verwenden. Steht ein Umbruch bevor?
«Es kommt eben nicht immer darauf an, wer als erstes eine neue Technologie auf den Markt bringt, sondern wer die beste Umsetzung davon entwickelt», erklärt mir Nathan Sheffield im Gespräch. Nathan spricht dabei mit dem Selbstverständnis von jemandem, der weiss, dass Samsung der grösste TV-Hersteller der Welt ist – mit Abstand. Und das, obwohl andere Hersteller neue Technologien oft viel früher auf den Markt bringen.
An Nathans These scheint etwas dran zu sein. Nehmen wir das Beispiel der Mini-LEDs. Also tausende dicht nebeneinander liegende LEDs, die fürs Hintergrundlicht sorgen. Der chinesische Tech-Hersteller TCL war der erste TV-Hersteller, der die Technologie zur Marktreife brachte. TCL versprach sogar, dass Mini-LED besser sei als OLED. Der erste Hersteller, der diesem Versprechen zumindest annähernd gerecht wurde, war allerdings Samsung. Das wissen auch die Südkoreaner. «Our best TV» steht über dem neuen Neo-QLED-Fernseher in Frankfurt, der auf Mini-LED-Hintergrundlicht zurückgreift. Bei dessen 8K-Version sogar «Our true flagship TV».
Zu Recht?
Ich finde nicht. Davon kann mich keine Marketingabteilung dieser Welt überzeugen. Und dass nicht mal Samsungs eigene Marketingabteilung daran glaubt, wird ironischerweise auch am Summit offensichtlich.
Etwa, als der professionelle Gast-Kalibrierer Florian Friedrich von FF GmbH während einer Präsentation Samsungs das QD-OLED-Bild direkt mit einem Referenzmonitor vergleicht, wie er in Hollywood beim Mastering von Kinofilmen benutzt wird. Friedrich gerät dabei immer wieder ins Schwärmen. Lobt die 2000 Nit Spitzenhelligkeit – für einen OLED-Fernseher ein beinahe unerhört hoher Wert – und die 14-Bit-Bildverarbeitung, die selbst bei unterschiedlicher Bildhelligkeit für besonders referenzwürdige Farben sorgt. Das Bild des «konventionellen OLEDs der Konkurrenz» (wie Samsung es nennt) sieht dagegen alt aus. Aber: Wo bleibt der Vergleich mit einem Fernseher aus der Neo-QLED-Sparte, dem angeblich «besten Fernseher» des Hauses? Ich frage Nathan Sheffield.
«Wenn wir von unserem besten Fernseher sprechen, dann meinen wir das Gesamtpaket», sagt Nathan ausweichend und greift dabei auf ein ganzes Repertoire von Marketing-Begriffen zurück. Von der Struktur des Lineups ist die Rede. Von der Bildqualität. Der Soundqualität. Q Symphony. Design. Konnektivität. Processing. AI Upscaling. Shape Adaptive Light Control und Real Depth Enhancer Pro. Die Neo-QLED-Fernseher würden die gesamte Palette am besten bedienen, so Nathan, deshalb vermarkte Samsung die Neo QLEDs als ihre Flaggschiffe, nicht die QD-OLEDs.
Ob das implizit bedeutet, dass QD-OLED-Fernseher zumindest die beste Bildqualität bieten? Der Chef der TV- und Audio-Sparte Samsungs will das nicht bejahen. Stattdessen greift er auf die Erklärung zurück, dass sich Neo QLED besser in hellen Räumen eignet, QD-OLED hingegen in dunklen Räumen. Unrecht hat Nathan nicht. Mini-LED-Fernseher strahlen technologiebedingt heller als (QD-)OLED-Fernseher. Ich bin trotzdem enttäuscht, dass es mir nicht gelingt, ihm eine eindeutige Antwort zu entlocken.
Dass sich Nathan nach Kräften um eine ebensolche windet, überrascht mich indes nicht. Samsung probte bereits vor Jahren den Markteintritt mit OLED. Nach einer Reihe misslungener Prototypen kündigte man im Jahr 2014 aber an, sich aus dem OLED-TV-Business zurückzuziehen. Seitdem sprach sich der Hersteller immer wieder vehement gegen OLED bei Fernsehern aus, gerade wegen des oft zitierten Burn-In-Risikos. Und statt beim Erzrivalen LG die begehrte und offensichtlich funktionierende OLED-Panel-Technologie einzukaufen, vermarktete man lieber seine LCD-Fernseher mit Nanopartikel-Technologie und Mini LED als den eigentlichen Star am Markt. Eben: Neo QLED.
Ausserhalb des Dunstkreises Samsungs fand diese Einschätzung kaum Zustimmung. Nicht selten wurde in Fachkreisen sogar spekuliert, dass man die damalige Abkehr von OLED insgeheim bereue, auch wenn das Comeback mit QD-OLED gelungen sei. Ein zu starkes Zurückrudern würde den Südkoreanern jetzt schlecht zu Gesicht stehen. Wohl deshalb geht der Titel «our best TV» nicht an QD-OLED, sondern an Neo-QLED – meine Theorie.
Ein letzter Versuch: «Ihr verfügt mit QD-OLED über die beste Bildtechnologie auf dem Markt. In der Kommunikation macht ihr aber auf Understatement. Wieso?» – «Wir werden dieses Jahr definitiv mehr über QD-OLED reden», verspricht Nathan und weist darauf hin, dass man neu auch eine 77-Zoll-Version des Fernsehers auf den Markt bringen und Cloud-Gaming weiter pushen will. Mein Wording bei der Fragestellung korrigiert er dabei nicht.
Immerhin.
Wann kommt Micro LED?
Ein weiteres heisses Thema bei Samsung ist die sogenannte Fernseh-Technologie der Zukunft: Micro-LED. Seit 2018 wird sie jährlich angekündigt und soll sowas wie die eierlegende Wollmilchsau sein. Konkret: Ein Fernseher mit einem hellen Bild, satten Farben, perfekten Schwarzwerten und – vor allem – ohne Burn-In. In den Massenmarkt eingedrungen ist die absurd teure Technologie aber noch nicht.
«Wann sie erschwinglich wird? Das lässt sich heute noch nicht sagen. Schon gar nicht konkret in Jahren», gibt Nathan ehrlich zu. «Wir reden hier klar noch von einer langfristigen Zukunft. Kurz- und mittelfristig bleiben andere Technologien im Vordergrund.»
Samsung will aber vorwärts machen und bringt dieses Jahr zum ersten Mal 75-Zoll-Grössen auf dem Markt. Das ist ein grosser Schritt: Lange konnten die Koreaner Micro-LED nicht kleiner als 110 Zoll bauen. Ein solcher TV kostete dabei 140 000 Franken. Die 75-Zoll-Version soll sich im Zehntausend-Franken-Bereich bewegen. Bis Ottonormalverbraucherinnen sich die TV-Wollmilchsau leisten können, wird’s trotzdem noch lange dauern. Fragt sich, was aus den anderen Bildtechnologien wird, wenn’s endlich soweit ist.
«Ganz einfach: Was heute als Premium-Technologie gilt, wird dann zur Mittelfeld- oder sogar Einsteiger-Technologie. So, wie früher QLED unsere Premium-Technologie war und mittlerweile selbst in unseren günstigsten TVs zu finden ist», sagt Nathan. Klingt logisch.
Samsung vs. Dolby Vision: Aber wieso eigentlich?
«Warum eigentlich ist Samsung der einzige TV-Hersteller, der kein Dolby Vision unterstützt?» Das muss eine der meistgestellten Fragen unter all meinen Samsung-Artikeln sein. Eine Frage, die ich gerne an Samsungs Europa-TV-Chef weitergebe. Und der lacht. «Glaub mir, das ist auch die Frage, die ich am meisten zu hören kriege», sagt Nathan schmunzelnd. Dann wird er ernst. Überlegt eine Weile. Schliesslich packt er aus: «Ich bin mir nicht sicher, was Dolby Vision Samsung bringt, was wir nicht eh schon können.»
Rumms.
Nathan erinnert mich daran, dass Samsung zu den Gründungsmitgliedern des offenen HDR-Standards «HDR10» und «HDR10+» gehört. Letzteres ist das Äquivalent zu Dolbys geschlossenem und für Hersteller kostenpflichtigem HDR-Standard mit dynamischen Metadaten – «Dolby Vision». Die Frage, ob Samsung auf Dolby Vision angewiesen sei, um ein gleich gutes Bild zu erzeugen wie die Konkurrenz, verneint Nathan kategorisch. Er geht sogar weiter – und dreht den Spiess um. Es sind die anderen Hersteller, die womöglich auf die Hilfe von Dolby und dessen Standards angewiesen sind, um das zu erzeugen, was Samsung auch ohne Dolby und Dolby Vision kann, so der TV-Chef.
Eine steile These. Tatsächlich gelang Samsung aber auch in meinem Test das referenzwürdigste Bild von allen Herstellern – ganz ohne Dolby Vision, aber im Filmmaker Mode. Und auch nur beim QD-OLED-Fernseher, dem eigentlichen «best TV» des Hauses, wenn du mich fragst.
Nathan Sheffield ist seit 2008 bei Samsung. Im Jahr 2019 wurde er zum Head of TV und Audio bei Samsung Europe ernannt und arbeitete mit der globalen Zentrale und siebzehn europäischen Tochtergesellschaften zusammen, um die europäische Strategie umzusetzen. Vor seiner Zeit bei Samsung war Nathan im Produktmarketing bei Toshiba und Dixons Retail tätig.
Titelfoto: Luca FontanaAbenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»