Fachhändler sagt: «E-Zigaretten ermöglichen den stressfreien und erfolgreichen Rauchstopp»
Als Neo-Dampfer und Ex-Raucher ist die E-Zigarette buchstäblich mein täglich Brot. Zum Experten macht mich der Konsum noch lange nicht, dessen bin ich mir bewusst. Dafür habe ich jetzt einem Fachhändler von E-Zigaretten Löcher in den Bauch gefragt.
Zwei Monate und ein paar Zerquetschte. So lange rauche ich inzwischen nicht mehr. Ich vermisse es kein bisschen und hatte nie das Bedürfnis, doch wieder mal eine Zigarette anzuzünden. Zu verdanken habe ich das der E-Zigarette, die seither meine treue Begleiterin ist.
Bei einem anderen Arbeitgeber lernte ich vor einigen Jahren Mario Puppo kennen. Er ist seit 2017 Geschäftsführer von Vape.ch und betreibt mehrere Filialen im Kanton Zürich. Seit Ende 2019 ist er zudem Präsident der Swiss Vape Trade Association (SVTA), des Verbands für Schweizer Händler und Hersteller von E-Zigaretten. War ich bei unserer ersten Begegnung noch nicht wirklich am Dampfen interessiert, brennt mir das Thema heute unter den Nägeln. Höchste Zeit für ein erneutes Gespräch.
Mario, warum verkaufst du eigentlich E-Zigaretten?
Mario Puppo: Weil ich mit dem Rauchen aufhören wollte, auch wenn ich jahrelang gern geraucht habe (lacht). Aber Rauchen ist ja extrem schädlich, das ist hinlänglich bekannt. Dazu kam die Geburt meiner ersten Tochter. Leider fiel mir das Aufhören dann doch nicht so leicht, wie ich gehofft hatte. Darum schaute ich mich nach weniger schädlichen Alternativen um und bestellte alles Mögliche aus der ganzen Welt. Das weckte zwar meine Neugier, aber die Qualität der Ware begeisterte mich gar nicht. Also rauchte ich vorerst weiter. Das muss etwa 2008 gewesen sein.
Und was geschah dann?
Ein paar Jahre später fand ich endlich erste E-Zigaretten, deren Qualität mich überzeugen konnten. Ich hörte prompt auf, zu rauchen, ohne je wieder rückfällig zu werden. Und: Mein Umfeld musste nicht mehr unter dem Gestank des Rauchs leiden. Das war mir wichtig. Sicher, streng genommen habe ich nicht ganz aufgehört, sondern einfach eine schädliche Sucht durch eine weniger schädliche ersetzt.
War das die Geburtsstunde deiner Ladenlokale?
Genau! Ich wollte diese stressfreie und vor allem erfolgreiche Erfahrung anderen Raucherinnen und Rauchern auch ermöglichen. Also gründete ich «Vape Heaven» und den dazugehörigen Onlineshop. Meine Frau unterstützte mich dabei immer tatkräftig. Als Nichtraucherin verstand sie sowieso nie ganz, für was das Rauchen gut sein soll – ausser dass es schadet und stinkt.
Inzwischen gibt es immer mehr Leute, die dampfen statt rauchen. Freut dich diese Entwicklung?
Grundsätzlich ja: Trotz unseres hohen Bildungsstands gibt es bei uns aber immer noch viel zu viele Raucherinnen und Raucher. 2022 hat fast ein Viertel der Schweizer Bevölkerung geraucht, täglich sterben etwa 26 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Dabei ist die Schadensminderung durch den Umstieg auf das Dampfen enorm, was diverse Studien aus aller Welt inzwischen bestätigen. Eine aktuelle Studie unter Leitung der Universität Bern belegt zudem, dass E-Zigaretten beim Rauchstopp viel besser helfen als andere Hilfsmittel wie etwa Nikotinpflaster und -kaugummis.
Und was ist mit all den Studien, die der «Verharmlosung» der E-Zigarette widersprechen?
Wer behauptet, die E-Zigarette sei gesund, ist falsch informiert. Ich verharmlose das keineswegs. Korrekt ist aber nach aktuellem Wissensstand, dass das Dampfen im Vergleich zum Konsum von Tabakprodukten massiv weniger schädlich ist. Und genau darum geht es, um Schadensminimierung. Hier wünschte ich mir auch etwas mehr Toleranz von den Tabakgegnern. Sie betrachten Menschen, die durch die E-Zigarette vom Tabak weggekommen sind, nach wie vor als Raucherinnen und Raucher. Für die Betroffenen, die anders nicht vom Tabak wegkommen, ist das nicht zielführend.
Nun gibt es durch E-Zigaretten aber auch viele Minderjährige und eigentlich Nichtrauchende, die dampfen.
Das stört mich auch. Wir haben vom ersten Tag an freiwillig und ohne gesetzliche Auflage nur an volljährige Personen verkauft. Zusätzlich hat der Verband für Schweizer Händler und Hersteller von E-Zigaretten in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit im Jahr 2018 einen Branchenkodex definiert. Einer der Hauptpunkte des Kodex: Kein Verkauf an Minderjährige. Kommt ein volljähriger Nichtraucher in den Laden, rate ich in aller Deutlichkeit vom Dampfen ab. Warum etwas anfangen, was man nicht braucht? Für mich sind E-Zigaretten generell für Leute da, die den kompletten Rauchstopp auf den bisher üblichen Wegen nicht geschafft haben.
Ich selbst bin einer dieser Leute. Nach etwa 30 Jahren als Raucher dampfe ich seit kurzem nur noch. Dem Tabak habe ich abgeschworen, nikotinsüchtig bin ich nach wie vor. Bin ich vom Regen in die Traufe gekommen?
Gratuliere zu diesem Erfolg, das ist ein Zwischenschritt in die absolut richtige Richtung. Erstens hast du auf einen Schlag die ganzen Giftstoffe weggelassen, die bei der Verbrennung von Tabak entstehen. Zweitens kannst du beim Dampfen deine gewünschte Nikotinstärke selber bestimmen. Senkst du diese nun schrittweise, wirst du deine E-Zigarette früher oder später einfach zu Hause vergessen und auch gar nicht vermissen.
Was für eine Rolle spielt dabei der Geschmack der E-Zigarette?
Eine grosse! Bei Tabakzigaretten hat der Wechsel zu schwächeren Produkten ja immer den Nachteil, dass sich der Geschmack verändert, weil sich auch die Tabakmischung ändert. Das verringert die Erfolgschancen auf einen vollständigen Rauchstopp. Bei E-Zigaretten bleibt der Geschmack hingegen immer gleich, auch wenn du die Nikotinstärke verringerst. Wir konnten in den vergangenen bald zehn Jahren zehntausende Kundinnen und Kunden gewinnen und durften sehr viele davon als Nichtraucher und Nichtdampferinnen erfolgreich wieder «verlieren».
In der Schweiz ist die Rechtslage in Bezug auf E-Zigaretten und deren Verkauf bis dato noch unklar. Was hältst du davon?
Die Rechtslage ist tatsächlich nicht zufriedenstellend. Am dringendsten vermisse ich eine nationale Regelung für das Verkaufsalter ab 18 Jahren. Gerade durch die Wegwerfprodukte, die ohne Fachkenntnisse verkauft werden dürfen, sind viele Verkaufsstellen aufgegangen, die einfach alles an alle verkaufen, solange das Geld stimmt. Immerhin warten einige Kantone nicht auf die nationale Jugendschutz-Regelung und haben bereits Massnahmen ergriffen.
Das neue Tabakproduktegesetz soll ja auf der Zielgeraden sein. Was wird sich dadurch ändern in Bezug auf E-Zigaretten?
Einer der wichtigsten Punkte für die Konsumierenden und den Handel ist, dass nur noch volljährige Personen diese Produkte kaufen dürfen, auch online, wo es eine Altersprüfung geben wird. Das begrüsse ich sehr. Ebenso kommt eine Steuer für nikotinhaltige Flüssigkeiten dazu. Als Verband haben wir dafür gekämpft, dass zumindest nikotinfreie Flüssigkeiten unbesteuert bleiben. Dies scheint uns gelungen zu sein.
Und dann gibt es doch noch die Werbeeinschränkungen, bei denen die E-Zigarette dem Tabak gleichgestellt wird.
Leider, muss ich sagen. Denn dieser Schritt verunmöglicht es nahezu, rauchenden Erwachsenen eine weniger schädliche Alternative aufzuzeigen. Rauchende werden künftig darauf angewiesen sein, dass beispielsweise Freunde oder die Hausärztin die E-Zigarette als ernsthafte Ausstiegshilfe mit hohem Erfolgspotenzial aufzeigen und empfehlen können.
Geht das neue Gesetz in deinen Augen überhaupt weit genug?
Der bestehende Entwurf hat wie immer, wenn man etwas Neues regelt, ein paar Ecken und Kanten. So vermisse ich etwa die aktive Bevorzugung des Dampfens gegenüber dem Tabak im Gesetz. Lediglich bei der Besteuerung wird etwas tiefer angesetzt als beim Tabak. Ein gutes Beispiel ist hier England, das aktive Werbung für das Dampfen zulässt und sogar selbst betreibt, um die Schadensminderung zu fördern. Das würde der Schweiz auch gut stehen bei den fast vier Milliarden Franken jährlich, die der Tabakkonsum an Krankheitskosten hierzulande verursacht.
Sehr angesagt sind Wegwerf-Vapes, die auch gleichzeitig schwer in der Kritik stehen. Immer mehr Länder verbieten ihren Verkauf oder bringen entsprechende Gesetze auf den Weg. Was hältst du von Wegwerf-Vapes?
Ich habe mich lange geweigert, Wegwerfprodukte im Sortiment aufzunehmen, da ich deren Sinnhaftigkeit nur für einen sehr eingeschränkten Einsatz sehe. Aus Sicht der Kundschaft sieht das etwas anders aus.
Zum Beispiel?
Die Wegwerf-Vapes sind gut für Rauchende, die einfach mal testen wollen, wie es mit dem Dampfen klappt, oder für Menschen mit motorischen Einschränkungen an den Händen, die ein Gerät suchen, das sehr einfach zu bedienen ist. Ansonsten lohnen sich Wegwerf-Vapes schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht. Für dieses Argument hat unsere Kundschaft noch ein Ohr offen. Ein Starterkit etwa kostet in der Regel viel weniger als eine Stange Zigaretten und hält wesentlich länger. Deutlich weniger interessiert die Kundschaft hingegen, dass Wegwerf-Vapes auch wenig umweltfreundlich sind. Davon abhalten, sie trotzdem zu kaufen, kann ich aber niemanden.
Daraus leite ich ab, dass du deinen Widerstand gegen Wegwerf-Vapes in deinen Läden aufgegeben hast …
Korrekt. Schlussendlich bestimmt die Kundschaft, was erfolgreich ist, nicht wir Händler. Die Aufnahme der Wegwerf-Vapes ins Sortiment haben wir aber mit dem ganzen Team besprochen und gemeinsam beschlossen. So verlieren wir als Fachgeschäfte keine wiederkehrenden Wegwerf-Vape-Kundinnen und -Kunden und können trotzdem versuchen, sie aktiv für nachhaltigere Produkte zu begeistern. Am Kiosk oder an der Tankstelle, wenn es Wegwerf-Vapes nur noch dort gäbe, wird nämlich bestimmt nicht dazu motiviert, auf eine günstigere und umweltfreundlichere Alternative umzusteigen.
Braucht es in Bezug auf Wegwerf-Vapes allenfalls schärfere Gesetze?
Das Wesentliche wird mit dem neuen Tabakproduktegesetz bereits geregelt. Sprich: Wegwerfprodukte mit und ohne Nikotin werden künftig fünfmal höher besteuert als Nachfüllbehälter für wiederverwendbare Produkte. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und dürfte die Attraktivität des Produktes verringern. Ebenfalls sinnvoll fände ich es, wenn sich alle Verkaufsstellen von Wegwerf-Vapes dem eRecycling von Sens anschliessen müssten. Das ist ein Programm, dem Händlerinnen und Händler aktuell freiwillig beitreten und pro verkauftem Wegwerfprodukt einen Beitrag für das Recycling zahlen. Wir sind natürlich schon dabei. Wer Wegwerfprodukte in den Umlauf bringt, soll auch deren Entsorgung und Wiederverwertung mitfinanzieren.
Zum Schluss noch dies: Was empfiehlst du den Leuten, die von Tabakprodukten wegkommen wollen?
Zuerst möchte ich eines klarstellen: Am besten ist es natürlich, Nichtraucherin und Nichtdampfer zu sein! Trotzdem, jede Raucherin und jeder Raucher merkt selbst, wann es wirklich Zeit ist, aufzuhören. Und wenn es soweit ist, empfehle ich den Besuch eines der Fachgeschäfte von SVTA-Mitgliedern. Die sind in der ganzen Schweiz zu finden und betreiben Vape Shops, die zu 99 Prozent von ehemaligen Rauchenden geführt werden und den Rauchstopp selbst mit dem Dampfen erreicht haben. Dort wirst du mit viel Erfahrung gut beraten. Diese Menschen haben schliesslich aus Überzeugung ein Unternehmen gegründet, um den Konsum von Tabak zu stoppen. Ehrlicher geht nicht, oder?
Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen.