Fairphone 4
256 GB, Grey, 6.30", SIM + eSIM, 48 Mpx, 5G
Die Vision von Fairphone ist mir sympathisch: Nachhaltig und bei fairen Arbeitsbedingungen produziert und reparierbar. Technisch hinkten die Smartphones der Konkurrenz weit hinterher. Das ändert sich auch bei der vierten Version nicht.
Fünf Jahre Garantie bietet Fairphone auf das Fairphone 4, wenn du es bis Ende dieses Jahres kaufst und aktivierst. Bei anderen Herstellern bin ich froh, wenn ich nach fünf Jahren noch ein Sicherheitsupdate für das Betriebssystem bekomme. Geplant ist außerdem, dass das Gerät bis Android 15 aktualisiert wird.
Der zentrale Punkt der Fairphone-Vision: Du kannst das Gerät alleine zu Hause reparieren. Dafür wurde es größtenteils modular gebaut. Die rutschfeste Rückseite, die komplett aus recyceltem Plastik besteht, hebelst du mit Hilfe des Fingernagels hoch. Darunter sitzt der Akku, den du mit bloßer Hand herausnimmst. Für die anderen Module wie Kameras, Lautsprecher, Hörmuschel, USB-Anschluss oder das Display ist ein kleiner Kreuzschlitz-Schraubendreher nötig (Größe 00).
Das Auseinanderbauen ist einfach und in zehn Minuten erledigt. Silberne Schrauben halten die einzelnen Module fest. Schwarze Schrauben verbinden den Rahmen mit dem Display. Sind die Schrauben gelöst, hebelst du mit dem Finger die Mini-Flachbandkabel von den Kontakten ab. Dann liegen alle Module frei. Zum Befestigen, musst du die Kabel nur vorsichtig auf die kleinen aber stabilen Pins drücken.
Diese Modularität benötigt im Gegensatz zu anderen Smartphones, die komplett verklebte oder verlötete Bauteile haben, mehr Platz. Dementsprechend ist das Fairphone dicker als andere Geräte und bringt auch mehr Gewicht auf die Waage. Zum Vergleich: Das Fairphone 4 ist etwa 10,5 Millimeter dick und wiegt 225 Gramm, das OnePlus Nord 2 kommt auf 8,3 Millimeter bei 189 Gramm und das Google Pixel 6 wiegt bei einer Dicke von 8,9 Millimetern 207 Gramm. Ich merke beim Testen, dass es schwerer ist als mein privates Gerät, aber störend ist es nicht. Verarbeitet ist das Gerät super, alles sitzt fest zusammen.
Das 6,3 Zoll große LC-Display (IPS) bietet eine Full-HD-Plus-Auflösung von 1080 × 2340 Pixeln bei einer Pixeldichte von 410 ppi. Es ist gestochen scharf, bietet eine gute Helligkeit, kräftiges Schwarz und ist außerdem blickwinkelstabil. Die Bildwiederholrate liegt bei 60 Hertz. Der Markt entwickelt sich derzeit in Richtung 120-Hertz-Displays, aber noch nutzen längst nicht alle Apps die höhere Bildwiederholrate aus.
Die Displayränder sind mit knapp zwei Millimetern links und rechts eher dünn. Unten sind es aber fast acht Millimeter und oben musst du mit einer Einkerbung für die Frontkamera („Notch“) leben. Das Display ist zwar durch Gorilla Glass 5 geschützt und sollte einige Stöße und Stürze aushalten, doch darauf verlassen möchte ich mich nicht. Stecke ich es allerdings in eine Schutzhülle, würde zum hohen Eigengewicht und der Größe nochmal einiges dazu kommen.
Auf der rechten Seite befinden sich die Knöpfe für die Lautstärkeregelung und die Taste zum Einschalten mit integriertem Fingerabdruckscanner. Alle drei haben einen guten Druckpunkt und sind angenehm zu erreichen. Unten befindet sich der USB-C-Anschluss; einen Kopfhöreranschluss gibt es nicht mehr. Das Gerät ist spritzwassergeschützt (IP54) und kann dadurch auch bei Regen bedient werden. Wasserdicht ist es aber nicht.
Das Positive zuerst: Das Fairphone 4 ist mit zwei 48 Megapixel-Kameras ausgestattet. Eine normale (Blende f1.6) und eine Weitwinkelkamera (Blende f2.2). Letztere bietet mit 120 Grad einen großen Blickwinkel, wenn mal mehr auf das Foto soll.
Als Erstes fällt auf, dass die Kamera mit einer kurzen Verzögerung auslöst. Das habe ich bei allen Smartphones, die ich bisher in der Hand hielt, noch nicht erlebt. «Mal schnell ein Foto machen» funktioniert nicht, vor allem beim Scharfstellen gibt es Probleme.
Beim Aufnehmen von Landschaften oder Naturdetails bin ich manchmal fast verzweifelt, weil die Kamera einfach nicht den Punkt scharf stellen wollte, den ich anvisierte. Während meiner Testtour durch den Wald ist die Kamera sogar zweimal komplett ausgestiegen und zeigte mir nur noch verschwommenen Matsch an; ich musste die Kamera-App neu starten. Wenn du Selfies mit der besseren Rückkamera machen willst, brauchst du außerdem viel Geduld bis ein Bild dabei ist, das wirklich dich und nicht den Hintergrund scharf stellt.
Ich möchte beim Fotografieren ein Abbild der Realität als Erinnerung einfangen, an Freunde schicken oder auf Instagram posten. Der Automatik-Modus des Fairphone 4 nimmt es mit dem Einfangen der Realität nicht so genau. Die Bilder wirken deutlich kühler und irgendwie scharf gezeichnet. Stelle ich den Modus auf Landschaft um, bekomme ich ebenfalls kein reelles Abbild. Hier sind die Farben deutlich zu warm. Auch wenn das im Herbst für romantische Fotos sorgt, ist es definitiv nicht das, was ich mit meinen Augen sehe. Einzige Abhilfe: Pro-Modus einschalten und für jedes Foto mehr Zeit investieren, um die optimalen Einstellungen zu finden.
Der Nachtmodus macht im Dunkeln annehmbare Bilder. Doch auch hier hatte ich Probleme mit dem Scharfstellen und brauchte viele Versuche, bis ein akzeptables Foto dabei war.
Die Frontkamera löst mit 25 Megapixeln (Blende f2.2) auf. Die Selfies sind okay, aber deutlich verrauschter als ich es von anderen Geräten gewohnt bin. Für die Frontkamera gibt es softwareseitig auch keine Modi wie für Nachtaufnahmen. So werden Selfies im Dunkeln nur ansatzweise okay.
Die Videofunktion hat mich ebenfalls enttäuscht. Sobald etwas Bewegung im Bild ist, zum Beispiel durch Schwenks oder beim Gehen, kommt es häufig zu Stottereffekten. Daran ändert leider auch der «Super Anti Shake» Modus nichts.
Die Probleme beim Auslösen und Scharfstellen hängen mit der Software zusammen. Hier bleibt nur zu hoffen, dass der Hersteller schnellstmöglich nachbessert.
Das Fairphone wirbt damit, zukunftssicher zu sein. Wenn damit die verfügbaren Ersatzteile sowie die lange Garantie von fünf Jahren gemeint ist, dann ist es zukunftssicher. Im Fairphone-Shop gibt es immer noch einzelne Ersatzteile für das Fairphone 2 aus dem Jahr 2015 zu kaufen.
Der Akku ist einer der häufigsten Gründe, warum jemand ein neues Smartphone braucht. Mit dem Fairphone kaufst du einfach einen neuen und baust ihn ein. Zum Einsatz kommt ein Akku mit 3905 mAh, der je nach Nutzung bis zu zwei Tage durchhält.
Technologisch gesehen würde ich das Fairphone 4 aber nur bedingt als zukunftssicher bezeichnen. Zwar ist es schon mit 5G ausgestattet und der Hersteller möchte auch möglichst viele Betriebssystemupdates unterstützen. Doch ich befürchte, dass der verbaute Prozessor Snapdragon 750G in fünf Jahren nicht mehr gut genug für Android 15 ist.
Von der Ausstattung her gesehen ist das Fairphone trotz höherem Preis ein Mittelklasse-Smartphone. Die Welt dreht sich in den nächsten Jahren weiter. Andere Hersteller werden neue Funktionen und Technologien in ihre Geräte packen, die das Fairphone 4 nicht nachrüsten können wird. Dessen musst du dir bei der Kaufentscheidung bewusst sein. Immerhin kannst du dir Hoffnung auf ein erneuertes Kameramodul machen. Zumindest gab es jeweils eins beim Fairphone 2 und 3.
Ich finde der Nachhaltigkeitsansatz ist genau das, was Technologie heutzutage braucht. Das Fairphone 4 ist an sich ein tolles, sehr gut verarbeitetes Gerät. Ich würde es allen empfehlen, die ihr Smartphone nicht als Kameraersatz sehen oder eine Instagram-Karriere anstreben.
Browsen, Chatten, Lesen, Knipsen, Hören, Telefonieren und Casual Games zocken ist mit dem Fairphone 4 möglich. Das Gerät ist nachhaltig und fair produziert. Es kostet zwar mehr als Smartphones mit einer ähnlichen Ausstattung und es gibt Smartphones für den gleichen Preis, die mehr zu bieten haben. Doch das Fairphone 4 besticht mit seiner Reparierbarkeit und dem Versprechen, für die nächsten fünf Jahre Ersatzteile und Updates anzubieten. Wer sich ein Fairphone kauft, dürfte darauf mehr Wert legen als die neueste Technologie.
Meistens lebe ich irgendwo zwischen Bits und Bytes, probiere alternative Android-Betriebssysteme aus und versuche mein Leben mit Hilfe von Open Source Tech smarter zu machen - immer mit dem Fokus auf Datenschutz und Privacy. Wenn ich gerade mal keine coolen Gadgets teste, entwickle ich Videospiele, schreibe Geschichten und spiele Knopfakkordeon.