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Filmkritik: «Zombieland: Double Tap» kommt viel zu spät – und macht erschreckend viel Spass
Der erste Teil ist Kult. Jetzt kommt die Fortsetzung – zehn Jahre später. Entsprechend wirkt «Zombieland: Double Tap» alles andere als originell, macht dafür nicht viel falsch und ist stellenweise sogar richtig lustig.
Eines vorweg: In diesem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur das, was aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt ist. Die beiden Clips nach dem Trailer stammen aus dem ersten Teil.
Zehn Jahre sind vergangen, seit Columbus (Jesse Eisenberg), Tallahassee (Woody Harrelson) und das Geschwisterpaar Wichita (Emma Stone) und Little Rock (Abigail Breslin) eine dysfunktionale, aber irgendwie doch funktionierende Familie gegründet haben.
Schwierigkeiten gibt’s trotzdem. Erstens, weil sich die Zombies in dieser postapokalyptischen Welt – sie nennen sie Zombieland – weiterentwickelt haben. Zweitens, weil soziale Strukturen neu definiert werden müssen: Die jugendliche Little Rock hat keine Freunde in ihrem Alter und ist für den alternden Tallahassee Ersatztochter und Zombie-killender Sidekick zugleich. Währenddessen verfallen Wichita und Columbus einem lähmenden Beziehungstrott, der nur einem der beiden ganz gut in den Kram passt.
Als Little Rock dann endlich doch noch auf einen Gleichaltrigen trifft – einen kiffenden Pazifisten –, macht sie sich aus dem Staub. Die anderen drei jagen ihr hinterher und gabeln nebenbei ein dummes Blondie auf: ein typischer Roadtrip durch Zombieland.
Regel Nummer Zwei: Doppelt hält besser
«Nur zehn Jahre mussten wir auf die Fortsetzung warten», höre ich einen Journalisten im Publikum zu seinem Kollegen murmeln. Der sarkastische Unterton ist kaum zu überhören. Verübeln kann ich’s ihm nicht, denn «Zombieland: Double Tap» ist die Fortsetzung, auf die Fans Jahre gewartet haben, bis sie irgendwann halt aufgehört haben, zu warten. Wie das Date, für das man die besten Plätze beim Italiener reserviert, das dann aber nie auftaucht.
Schuld daran waren die vollen Terminpläne der Zombieland-Darsteller, die 2009 noch mehr oder minder unbekannte Niemande gewesen sind, es mittlerweile aber zu oscarprämierten oder zumindest -nominierten Stars gebracht haben. 2013 gab’s zwar den Versuch, eine Zombieland-Serie ohne Eisenberg, Harrelson und Co. zu machen – der Versuch scheiterte aber auf ganzer Linie. Ein Umstand, für den sich Eisenbergs Columbus, der schon beim ersten Teil die Geschichte aus dem Off erzählt hat, gleich zu Beginn entschuldigt. «Danke, dass Sie uns dennoch als Zombieunterhaltung des Tages gewählt haben», oder so ähnlich. Sympathisch.
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Quelle: Columbia Pictures
Tatsächlich wirkt «Double Tap» nicht mehr ganz so frisch wie anno 2009, als der erste Teil ins Kino gekommen ist. Wohl auch, weil zehn unterschiedlich gute «The Walking Dead»-Staffeln samt Spin-Off die Zombie-Unterhaltungsindustrie der letzten Dekade nachhaltig gesättigt haben. Oder geschädigt. Columbus zum Beispiel schimpft es «unrealistisch», als er in einer Szene ein The-Walking-Dead-Comic liest. Er muss es ja wissen. Solchen Humor mag ich.
Überhaupt macht «Zombieland: Double Tap» während seinen angenehm kurzen 99 Minuten verdammt viel Spass. Ist in seinen besten Szenen zum Schreien komisch. Die Magie, die Regisseur Ruben Fleischer vor zehn Jahren im abgefahren und ungemein witzigen «Zombieland» beschworen hat – sie ist wieder da. Nein, das Zombieland-Rad erfindet «Double Tap» nicht neu, aber ich zweifle dennoch nie daran, in einem «Zombieland»-Film zu stecken.
Das mag wohl auch daran liegen, dass Fleischer erneut mit den 2009-Zombieland-Autoren Rhett Reese und Paul Wernick an der Story gefeilt hat. Schützenhilfe haben sie von Dave Callaham bekommen, der die Drehbücher zu DCs «Wonder Woman 1984» und Marvels «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» liefert. Zusammen sorgen sie dafür, dass der bekannte Look-and-Feel des Vorgängers eingefangen wird – inklusive den skurrilen, aber grafisch hochwertigen Texteinblendungen, die Columbus altbekannte Regeln erklären.
Regel Nummer zwei etwa: Double Tap – Doppelt hält besser. Ha! Jetzt habe ich auch den Witz im Filmtitel verstanden.
Im Mittelpunkt stehen die Charaktere
Fleischer ist sich während dem ganzen Gaudi zu jeder Sekunde bewusst, was er abliefern will: Einen Mix aus Action, Comedy und Horror, der nicht langweilt. Und das tut «Double Tap» eigentlich nie. Gerade der Horror-Aspekt wird mit seinem R-Rating angemessen gewürdigt. Der Film ist herrlich blutrünstig, wie es sich in einem anständigen Zombiefilm gehört.

Quelle: Columbia Pictures
Auch die beliebten «Zombie Kills of the Week» sind wieder da. Im ersten Teil war das ein Wettbewerb, in dem sich Apokalypse-Überlebende einen Spass daraus machen, Zombies möglichst kreativ zu töten. Der kreativste Tod bringt den «Zombie Kill of the Week»-Titel ein. Nur geht’s in «Double Tap» nicht mehr um den Kill der Woche, sondern um den Kill des Jahres. Köstlich. Mein Favorit: der Italiener. Du wirst schon sehen.
Im Kern des Zombie-Gemetzels sind aber seine Figuren und die Gruppendynamik, die sich aufgrund ihrer Charakterzüge, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ergibt: Tallahassee, gespielt von Woody Harrelson, ist immer noch herrlich verschroben, laut, vulgär und ein wenig cholerisch – hat aber das Herz am rechten Fleck.
Im krassen Gegensatz dazu steht Jesse Eisenbergs Columbus, der notorisch nervöse, introvertierte Stubenhocker, der weiterhin an seine beachtliche Sammlung an Regeln feilt, die das Überleben in einer Zombie-verseuchten Welt sicherstellen sollen.
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Quelle: Columbia Pictures
Immer noch saucool: Emma Stone als Wichita, deren schlagfertiger Sarkasmus seinesgleichen sucht. Nur Abigail Breslins Little Rock ist im Film etwas untervertreten, was allerdings an der Story selbst liegt.
Die Show stiehlt aber jemand anderes: Zoey Deutch als Dummkopf-Blondie Madison. Es ist ein Knaller, wie scheinbar mühelos sie sich wie ein perfekt sitzender Schuh in die bereits bestehende Gruppendynamik einfügt. Und das rechne ich Deutch hoch an: Sie spielt nämlich eine Rolle, die erfahrungsgemäss in 99 von 100 Fällen unfassbar nervig gewesen wäre. In «Double Tap» sorgt sie stattdessen für die grössten Lacher. Wer hätt’s gedacht. Ich nicht.

Quelle: Columbia Pictures
Ich meine: Wer es schafft, bei einem Zombieangriff den Satz «don’t worry, they are more afraid of us than we are of them» auf eine derart naiv-unschuldige Weise zu trällern, die alles andere als ignorant-schwachsinnig wirkt – dem kann ich einfach nicht böse sein. Im Gegenteil. Am liebsten würde ich Deutch’ Madison einfach den Kopf tätscheln und sagen: Alles wird gut.
Fazit: Immer noch gut, wenn auch viel zu spät
Nein, «Zombieland: Double Tap» ist keineswegs die Komödie des Jahres, die du unbedingt gesehen haben musst. Aber eine würdige Fortsetzung des heissgeliebten ersten Teils, die viel zu spät kommt und nach der niemand mehr gefragt hat.
Umso erstaunlicher, wie gut Cast und Crew auch zehn Jahre danach noch immer harmonieren. Das Apokalypse-Setting passt. Die Roadtrip-Stimmung des ersten Teils kommt wieder auf. Ja, «Double Tap» macht Spass, den Kultstatus des ersten Teils wird er aber nicht erreichen. Obwohl, die Szene nach dem Abspann, bei der ein ganz spezieller Gast auftaucht – die hat das Zeug dazu.
«Zombieland: Double Tap» startet in der Deutschschweiz und in Deutschland am 7. November 2019. In der Romandie bereits am 30. Oktober 2019. Im Tessin hingegen erst am 14. November 2019.
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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»