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«God of War»: Der Wutbürger wird zum Papa und auch die Serie wird erwachsen
Kratos ist zurück und fast nicht wiedererkennbar. Die Serie über den blutrünstigen Gott des Krieges wird zur bewegenden Vater-Sohn-Geschichte. Aber keine Angst, die Action kommt deshalb nicht zu kurz.
Wär hätte gedacht, dass eine Serie, die sich in vier Worten zusammenfassen lässt – wütend, blutig, episch und Quick-Time-Events – zu einem solchen Wandel fähig ist. In «God of War» stand nie die Story im Vordergrund. Frau und Kind tot = Rache. Das musste als Motivation reichen, um tausende von Monstern, Dämonen und Göttern umzubringen und unterwegs die eine oder andere oder manchmal auch zwei Damen flach zu legen.
Die Charaktere sind die Geschichte

Der Reboot von Santa Monica Studio geht einen neuen Weg. Im Vordergrund steht nicht mehr das brutale Gemetzel, sondern die Beziehung zwischen Vater und Sohn und ihre gemeinsame Geschichte. Kratos, der Gott des Krieges (Ares hat unfreiwillig abgedankt), lebt nicht mehr im warmen Griechenland, sondern im frostigen Norden. Alleine ist der glatzköpfige Muskelberg auch nicht mehr. Kratos hat einen Sohn. Von Familienglück kann jedoch nicht die Rede sein, denn Atreus und Kratos haben ein kompliziertes Verhältnis zueinander. Was die beiden verbindet, ist Atreus’ Mutter – die jedoch bereits zu Beginn des Spiels kremiert wird. Das Verstreuen ihrer Asche auf dem höchsten Berg treibt denn Anfangs auch die Geschichte an. Während ihrer Reise versucht Kratos seinem Sohn das Überleben in der voller Gefahren strotzenden Welt beizubringen. Die nordischen Götter sind nicht erfreut über die Anwesenheit eines ausländischen Kriegsgottes und stellen ihm allerhand Hindernisse in den Weg.
Die Dialoge zwischen Kratos und Atreus und ihre komplizierte Beziehung sind eine der grössten Stärken des Spiels. Der einst so eindimensionale Gottesschlächter muss nun seine Wut zähmen und sich um jemand anderen als sich selbst kümmern. Äussersts glaubhaft porträtiert Santa Monica Studio dabei den Wandel, den die beiden Hauptfiguren im Verlauf des Spiels machen. Besonders in den kurzen Zwischen-Dialogen kommen Kratos und Atreus extrem menschlich und verletzlich rüber. Hier kommt übrigens auch eins von vielen Details zum Vorschein, das zeigt, wie viel Arbeit und Liebe in diesem Spiel steckt. Wenn die Dialoge durch Actionsszenen oder sonstige Wechsel unterbrochen werden, dann wird nicht wie in anderen Spielen mitten im Satz gestoppt. Stattdessen sagt Kratos oder Atreus etwas Überleitendes wie: «Lass uns später darauf zurückkommen.» Und später wird das Gespräch dann auch wirklich wieder aufgegriffen. Und auch dann wird nicht einfach direkt am letzten Wort angeknüpft, sondern es entsteht aus einem natürlichen Dialog wie: «Wo waren wir stehengeblieben? Ah ja, wir sprachen davon, wie Odin mit der Midgardschlange kämpfte.» Ein kleines, aber nicht zu unterschätzendes Detail.
Ein fast neues Spiel
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«God of War» ist und bleibt im Kern ein Actionspiel. Seine ikonischen Kettenklingen hat Kratos eingetauscht gegen eine magische Axt. Damit kann er immer noch genauso austeilen wie eh und je. Quick-Time-Events gibt es glücklicherweise nicht mehr. Zwar ist bei gewissen Angriffen immer noch gutes Timing gefragt, Tastenbefehle poppen aber nicht mehr ständig ins Bild. Atreus steht im Kampf hilfreich zur Seite und deckt Gegner mit Pfeilen ein. Der Sohnemann ist glücklicherweise äussersts selbstständig und wird zu keiner Zeit zur lästigen Begleitquest. Das Kampfsystem braucht ein paar Stunden bis es in Fahrt kommt. Dann macht es dafür ordentlich Laune und fordert ziemlich. Die Gegner drehen nicht Däumchen und warten, bis sie an der Reihe sind wie in der Batman-Arkham-Reihe. Es rumst von allen Seiten. Was nervt, sind die Finish-Moves, die Gegner auf Knopfdruck vernichten. Sie werden unglaublich schnell repetitiv. Mehr Variation und besonders schnellere Abläufe wären schön gewesen.
Der Gewaltgrad wurde leicht zurückgeschraubt, zimperlich ist Kratos deswegen längst nicht. Anders als in den alten Teilen existiert die Brutalität nun aber nicht mehr zum Selbstzweck. Sie zeigt vielmehr wie rau die Welt ist und illustriert Kratos’ Schicksal als Killermaschine.

Die Spielwelt ist zwar nicht richtig Openworld, aber meilenweit von den Vorgängern entfernt, die sich äusserst linear spielten. Das neue «God of War» besteht aus verschiedenen unterschiedlich grossen Gebieten, die mal etwas offener sind und mal nur kleinere Verzweigungen bieten. Die Areale sind gross genug, dass es viel zu entdecken gibt. Nur schon optisch lohnt es sich, die Augen offen zu halten. «God of War» ist ein Augenschmaus und bietet viel Variation. Auf der PS4 Pro steht dir die Wahl zwischen Auflösung und Leistung. Ich hab mich für den Auflösungsmodus entschieden. Damit sinkt die Framerate zwar in gefährlich tiefe Gefilde, aber mit der Zeit fällt das kaum noch auf. Und schliesslich erreicht auch der Performance-Mode nicht annähernd 60 fps. Dass das Leistungslimit der PS4 Pro erreicht ist, zeigt der Lüfter, der wirklich, wirklich laut wird.
Upgrades, Loot, Skills und Quests
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Für zusätzliche Abwechslung sorgt das Skillsystem, das viel Raum für unterschiedliche Spielweisen bietet. So kannst du dich beispielsweise ganz auf Atreus als schlagkräftigen Gehilfen fokussieren. Deinen Sohn kannst du indirekt steuern und bei Bedarf Gegner direkt anvisieren. Er fungiert dann wie ein zusätzlicher Fernkampfangriff. Aber auch für Axt und den Schild gibt es diverse Tricks freizuschalten.
Neu gibt es auch Loot. Immer wieder findest du in Truhen oder bei Gegnern neue Ausrüstung oder Runen, um deine Waffen zu verbessern. Bei einem freundlichen Zwergen-Duo kannst du die ganzen Sachen zusätzlich aufwerten. Da alles Geld oder Erfahrungspunkte kostet, lohnt es sich, nicht nur stur dem Hauptziel zu folgen. Es gibt nämlich auch Nebenquests. In diesen Aufträgen triffst du auf optionale Bossgegner und findest zusätzliche Beute, mit der du dich weiter verbessern kannst.
Fazit: Ein Grund, eine PS4 zu kaufen
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Auch wenn die Berggrossen Bossgegner aus Teil 3 fehlen, so übertrumpft der neue Teil den letzten numerischen Ableger in jeder anderen Hinsicht. «God of War» liefert etwas, das man der Serie nie zugetraut hätte. Eine Geschichte mit Herz. Damit kriegt die Gewalt endlich einen Sinn und dient nicht nur der Unterhaltung. Und selbst wenn es keine Titanen mehr zu besteigen gibt, so ist das Kampfsystem weiterhin wuchtig, blutig und actionreich. Besonders die Axt fühlt sich richtig massig an. Die cineastische Präsentation mit der freien Kamera, die im ganzen Spiel nie einen Schnitt macht, beeindruckt durchs Band. Die Neuauflage ist Santa Monica Studio voll und ganz gelungen. Kratos ist zurück: Älter und grauer, und doch in der Form seines Lebens.
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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.