Grosse Töne: Der Sennheiser Momentum 3 im Test
Sennheiser hat den Over-Ear-Kopfhörer Momentum Wireless überarbeitet. Das betrifft die Bedienung, das Noise Cancelling und auch den Sound. Hier ein Check, wie gross die Fortschritte sind.
Fürs Pendeln in der S-Bahn habe ich mir den Sennheiser Momentum 2 Wireless gekauft und benutze ihn regelmässig. Deshalb wollte ich wissen, wie sich das Nachfolgemodell Momentum 3 schlägt.
Die Neuerungen sind ziemlich umfangreich:
- Der Kopfhörer schaltet sich beim Ausklappen ein und beim Zusammenfalten wieder aus.
- Er pausiert die Wiedergabe, wenn ich ihn abnehme und setzt sie fort, wenn ich ihn wieder aufsetze.
- Er klingt anders als der Momentum 2.
- Es gibt eine App dazu.
- Es gibt drei Arten von Active Noise Cancelling (ANC) statt nur eine.
- Transparent Hearing blendet Umgebungsgeräusche ein.
- Bügel ist besser gepolstert, also weicher.
- Die Ohrmuscheln sind etwas grösser.
- USB-C statt Micro-USB.
Ein- und Ausschalten
Beim Momentum 2 muss ich lange auf den Knopf drücken, um ihn ein- oder auszuschalten. Ob er gerade läuft oder nichtist, sehe ich ihm nicht an. Ich erkenne es nur, wenn ich auf dem Smartphone nachschaue, ob er verbunden ist. Das führt manchmal dazu, dass ich den Kopfhörer einschalten will, und merke, dass ich ihn nun ausgeschaltet habe. Und unter Umständen ist dann der Akku fast leer.
Das läuft beim Momentum 3 anders. Er schaltet sich automatisch ein und aus, wenn er aus- oder eingeklappt wird. Eigentlich eine super Verbesserung. Das Problem ist allerdings, dass sich die Muscheln sehr leicht öffnen und sich das Gerät dadurch ungewollt einschaltet.
Das Problem tritt nur auf, wenn die rechte Ohrmuschel zuerst eingeklappt wird. Sennheiser weist auf Anfrage darauf hin, dass der Kopfhörer normalerweise im Case transportiert wird und dass er auch geöffnet werden kann, ohne sich einzuschalten (vier Sekunden die Multifunktionstaste gedrückt halten). Für mich ist das trotzdem eine klare Schwäche im Design.
Automatische Wiedergabe und sonstige Bedienung
Play und Pause kann ich aktivieren, indem ich den Kopfhörer aufsetze und abnehme. Funktioniert bestens und das Feature ist praktisch bei häufigen Unterbrechungen. Nach dem Einschalten startet der Sound ebenfalls automatisch, sobald ich die Dinger aufsetze. Das passt nicht immer. Die Play-Pause-Automatik lässt sich deaktivieren. Perfekt wäre gewesen, wenn ich Auto-Play nur nach dem Einschalten deaktivieren könnte.
Der Play/Pause-Knopf am Kopfhörer dient auch zum Wechseln des Stücks: Vorwärts zwei Mal, rückwärts drei Mal drücken. Lautstärke und Sprachassistent sind ebenfalls über Tasten am Kopfhörer erreichbar. Den Knopf erfühle ich durch eine Noppe am Gummi. Ich treffe alle Tasten blind.
Die App
Im Gegensatz zum Momentum 2 lässt sich der neue Kopfhörer über die Sennheiser-App «Smart Control» steuern. Dadurch stehen dir einige Zusatzfunktionen zur Verfügung:
- Ein simpel zu bedienender grafischer Equalizer ohne Firlefanz.
- Wahl des Noise-Cancelling-Modus: Maximal, Anti-Wind und Anti-Druck. Anti-Wind nutzt nur die nach innen gerichteten Mikrofone für ANC, Anti-Druck nur die nach aussen gerichteten.
- Deaktivieren der Play/Pause-Automatik.
- Sprachansage auf andere Sprache umschalten oder deaktivieren.
- Firmware-Updates.
An dieser Stelle ein recht herzliches Dankeschön an Sennheiser, dass ich die Sprachansage ausschalten kann. Die nervt mich beim Vorgänger ziemlich. Was vor allem daran liegt, dass sich die Ansage nur nach der Lautstärke des Kopfhörers und nicht nach derjenigen des (Android-)Smartphones richtet. Da ich den Kopfhörer meist auf Maximum habe, schreit mir die Stimme immer volle Pulle ins Ohr.
Der Sound: Laut und klar
Mit Unterstützung der Codecs AptX und AAC bietet der Momentum 3 die idealen Voraussetzungen sowohl für Android als auch für iOS. AptX Low Latency sorgt zudem für eine perfekte Ton-Bild-Synchronisation.
Unüberhörbar hat Sennheiser auch am Sound geschraubt. Zuerst fällt die krasse Lautstärke auf. Das Problem von zu leiser Musik am Smartphone hast du mit dem Momentum 3 bestimmt nie. Der Bass hat richtig viel Wumms, je nach Aufnahme fast zu viel. Bei «Stay» von Me'Shell Ndegeocello drückt es mir beinahe das Trommelfell aus den Nasenlöchern.
Auch die Höhen sind stärker betont als beim Vorgängermodell, so dass die Musik generell sehr klar und definiert klingt. Sehr starke Bässe und Höhen sind im Moment im Trend; auch der neue PX7 von Bowers & Wilkins geht voll in diese Richtung. Das entspricht wohl dem Massengeschmack, ich bin allerdings nicht so Fan dieser Entwicklung. Denn in vielen Aufnahmen gehen die mittleren Frequenzen ziemlich unter und die enthalten so wichtige Dinge wie Gesang und Klavier. Mit dem Equalizer kann ich das immerhin gut korrigieren. Schliesslich ist es weniger problematisch, per EQ die Mitten anzuheben als die Bässe und Höhen.
Der Ton beim Telefonieren ist okay, wie ein kurzer Test zeigt Es ist auch möglich, sich in lauten Umgebungen zu unterhalten.
Active Noise Cancelling
Der Kopfhörer unterdrückt Lärm ziemlich effizient und klar besser als der Momentum 2 – aber nicht besser als die momentanen Platzhirsche Sony WH-1000XM3 und Bose 700. In einem Treppenhaus mit gut hörbarer Belüftung ist beim Momentum 3 und beim Konkurrenten von Sony Ruhe; beim Momentum 2 höre ich noch was. Laut soundguys.com ist der Momentum besser bei den höheren Frequenzen, Sony und Bose eliminieren dafür tieferen Störgeräusche besser.
Die beiden leichteren ANC-Einstellungen Anti-Wind und Anti-Druck habe ich kaum je benutzt. Anti-Wind ist sehr angenehm, wirkt aber nur schwach. Bei Anti-Druck wirkt stärker, aber da höre ich seltsamerweise meinen eigenen Herzschlag, wenn keine Musik läuft. Vermutlich werden die meisten User Noise Cancelling sowieso ganz ausschalten oder dann gleich auf dem Maximum haben wollen – schliesslich hat das ANC kaum negative Auswirkungen auf den Sound und das Eigenrauschen ist sehr gering.
Kabel und Akku
Der USB-Anschluss ist aus drei Gründen vorbildlich. Erstens wird der aktuelle USB-C-Standard mit einem genügend langen Kabel (1,2 m) verwendet. Zweitens liefert Sennheiser einen Adapter für PCs mit, die nur USB-A haben. Und drittens kann über USB auch der Ton übertragen werden, und zwar in sehr guter Qualität. Nach wie vor bietet Sennheiser auch die traditionelle Klangübertragung via Audio-Kabel. Auch hier stimmt die Soundqualität. Active Noise Cancelling funktioniert im Kabelbetrieb, aber alles, was über die App gesteuert werden muss, geht nicht – der Kopfhörer stellt keine Bluetooth-Verbindung her.
Der Hersteller gibt eine Akkulaufzeit von 17 Stunden an. Das ist im Vergleich zur Konkurrenz nicht gerade top, und auch 3 bis 3,5 Stunden Ladezeit hauen niemanden vom Hocker. Gut ist aber, dass mit den ersten zehn Minuten Ladezeit bereits 1,5 Stunden Betrieb möglich sind.
Fazit: Viel Kopfhörer für viel Geld
Der Kopfhörer klingt hervorragend. Die Betonung der Höhen und Tiefen ist meiner Meinung nach übertrieben, was ich aber im Equalizer anpassen kann. Auch bei der Bedienung hat Sennheiser die Schwächen des Momentum 2 weitgehend beseitigt. Schade nur, dass der Kopfhörer sich manchmal ungewollt selbst einschaltet.
Auch in den übrigen Disziplinen zeigt der Momentum 3 kaum Schwächen. Im Moment ist er aber im Vergleich zur Konkurrenz ein bisschen teuer. Falls du nicht warten kannst, würde ich je nach Geschmack zum Sony WH-1000XM3 oder zum Bose 700 greifen, die bieten aktuell das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.