Sony WH-1000XM5: Klappt nicht, trotzdem gut
Noise Canceling, Soundqualität, Sprachqualität, Ladezeit, Bedienung: Der neue Sony-Kopfhörer XM5 ist ein hervorragendes, ausgereiftes Produkt – besser noch als sein Vorgänger. Warum bloss musste Sony den Klappmechanismus entfernen?
Der Negativpunkt zuerst: Der Sony WH-1000XM5 lässt sich im Gegensatz zum Vorgängermodell XM4 nicht mehr zusammenklappen. Für mich ist das ein riesiger Nachteil. Kopfhörer-Cases sind mir zu umständlich, ein klappbarer Kopfhörer kommt bei mir ohne Case in den Rucksack. Beim XM5 wird das schwierig. Er braucht nicht nur mehr Platz, sondern ich fürchte auch, dass das Ding beim Transport kaputt geht.
Aber es gibt Leute, die den Kopfhörer ohnehin im Case transportieren oder ihn immer auf dem Kopf haben. Für die ist das alles kein Thema.
Tatsächlich eignet sich der XM5 bestens dafür, ihn immer aufzuhaben. Er ist dank geringem Gewicht und weichen Polstern sehr bequem. Zudem hat er Features, die das ständige Tragen erst möglich machen. Hältst du die Handfläche an die rechte Ohrmuschel, wird die Musik leiser und die Umgebungsgeräusche werden verstärkt. So kannst du dich problemlos mit jemandem unterhalten. Mit «Speak to Chat» hält die Musik automatisch an, wenn du zu sprechen beginnst. Die kürzeste Deaktivierungszeit nach dem Sprechen beträgt nun 5 statt 15 Sekunden und der XM5 erkennt deine Stimme besser als der XM4, wenn rundherum geredet wird.
Ich gehöre zu den altmodischen Leuten, die es unhöflich finden, den Kopfhörer zum Reden nicht abzunehmen. Auch dafür gibt’s eine Funktion: Die Musik stoppt beim Abnehmen der Kopfhörer und fährt beim Aufsetzen fort. All diese Features funktionieren ausgezeichnet und lassen sich auch deaktivieren.
Das glatte Design wirkt eleganter als beim Vorgänger. Allerdings sind Fingerabdrücke sehr gut sichtbar, zumindest bei der von mir getesteten schwarzen Ausführung.
Sound: etwas besser
Nach meinem Eindruck klingt der XM5 nicht wesentlich anders als der XM4, aber doch leicht besser. Der Sound ist klarer, sowohl in den Bässen als auch in den Höhen. Zwar wirken die Bässe beim XM4 etwas kräftiger, können aber unter Umständen zu einem wummerrigen Brei werden. Das passiert beim XM5 selbst bei hochgeschraubtem Bass kaum. Auf dem Maximum kommen auch Bass-Süchtige voll auf ihre Kosten.
Mir persönlich ist die Abstimmung der Frequenzen etwas zu wenig mittenbetont. Mit dem Equalizer (EQ) bekomme ich jedoch den Sound, den ich will. Das finde ich bemerkenswert, denn normalerweise nützt mir der EQ nicht viel, wenn die Klangcharakteristik schon von Haus aus nicht meinen Geschmack trifft.
Noise Canceling: effektiver, aber gewöhnungsbedürftig
Beim Noise Canceling fällt sofort auf, dass das Grundrauschen, das du bei Stille hörst, viel leiser ist. Das ist für mich die Hauptverbesserung. Zwar scheint das Noise Canceling selbst auch leistungsfähiger zu sein, aber nur, wenn es tatsächlich greift. Das gleiche Geräusch wird nämlich nicht immer gleich herausgefiltert.
Wenn ich zum Beispiel einen Testton mit 8000 Hertz abspiele, lässt der XM5 diesen Ton fast vollständig verschwinden. Dies, obwohl hohe Töne schwierig zu eliminieren sind. Allerdings klappt das nur, solange der Kopfhörer oder die Tonquelle sich nicht verschieben. Drehe ich den Kopf zur Seite oder verschiebe den Lautsprecher, höre ich ein lautes Pfeifen.
Auch der XM4 liefert ein unregelmässiges Noise Cancelling, aber weniger ausgeprägt. Vielleicht einfach deshalb, weil es weniger effektiv ist. Hier ist der 8000-Hz-Ton auch von vorne deutlich hörbar, aber leiser als von der Seite.
Manchmal fällt mir beim XM5 diese Unregelmässigkeit auch in Alltagssituationen auf. Mich irritiert, wenn sich die Stärke der Umgebungsgeräusche ohne ersichtlichen Grund ändert.
Wie viele andere Kopfhörer kann auch der XM5 die Umgebungsgeräusche aufzeichnen und im Kopfhörer abspielen. Damit hörst du trotz der passiven Schalldämpfung, was rund um dich herum passiert.
Die Funktion «adaptive Geräuschsteuerung» in der Smartphone-App soll das noch weiterführen. Die Idee ist, dass der Kopfhörer selbst merkt, in welcher Situation du dich gerade befindest, und dann das von dir voreingestellte Setting aktiviert. Also beispielsweise Noise Canceling, wenn du ruhig sitzt, und Umgebungsgeräusche, wenn du gehst.
Die Funktion ist aber weiterhin zu wenig intelligent, um wirklich nützlich zu sein. Zum Beispiel wechselt die Einstellung, wenn der Zug im Bahnhof hält, weil dann das GPS merkt, dass du still bist – du willst aber nichts geändert haben. Gehst du im Zug drei Schritte, schaltet es wieder um, obwohl du weiterhin Noise Canceling haben willst. Das ist eher nervig. Viel einfacher ist es, rasch manuell auf den Kopf drücken, um umzuschalten.
Sprachqualität: viel besser
Wie gut dich dein Gesprächspartner beim Telefonieren oder in einem virtuellen Meeting hört, hängt von verschiedenen Einflüssen ab. Die Mobilfunk- oder Internetverbindung gehört dazu, das hat aber mit dem Kopfhörer nichts zu tun. Diesen Faktor klammere ich im Test aus, indem ich mich selbst lokal aufzeichne.
Der zweite Faktor ist der Umgebungslärm. In einer ruhigen Umgebung ist die Qualität grundsätzlich besser als in einer lauten. Hier kannst du die Qualität bei Stille und mit laufender Musik vergleichen. Der Kopfhörer versucht, die Musik herauszufiltern, filtert aber manchmal ein kleines Stück meiner Stimme mit.
Des Weiteren scheint es einen Unterschied zu machen, ob der Kopfhörer mit einem oder zwei Geräten verbunden ist. Dies hat Kollegin Livia bereits beim Test des XM4 festgestellt. Hier eine Aufnahme mit gleich lauter Musik, aber ohne Multipoint.
Ist nun die die Sprachqualität besser geworden im Vergleich zum Vorgängermodell? Ganz klar ja! Die Hintergrundgeräusche werden viel besser eliminiert, sodass du auch in lärmiger Umgebung verständlich bleibst. Dazu eine Aufzeichnung mit Gesprächen statt Musik im Hintergrund. Beim XM4 sind diese deutlich hörbar, beim XM5 nicht.
Bedienung
Am Bedienkonzept hat Sony nichts verändert. Es gibt einen Ein-Aus-Schalter und die Taste, die zwischen Noise Canceling, Umgebungsgeräusch-Übertragung und gar nichts wechselt. Der Rest läuft über Touch-Gesten an der rechten Ohrmuschel. Lautstärke einstellen, Wiedergabe pausieren oder zum nächsten Stück wechseln funktionieren problemlos. Ich benütze dennoch lieber das Smartphone dafür, vielleicht weil ich Linkshänder bin.
Verbindungsmöglichkeiten
Bei den Verbindungen hat sich nichts verändert. Das ist nicht unbedingt schlecht. Es ist derzeit in Mode, den analogen 3,5-mm-Anschluss einzusparen. Hier ist er weiterhin vorhanden und Sony legt dem XM5 auch ein 1,2 Meter langes Kabel bei. Interessantes Detail: Die Analog-Verbindung funktioniert auch bei ausgeschaltetem Kopfhörer, also wenn zum Beispiel der Akku leer ist. Die Musik klingt dann aber völlig anders als eingeschaltet. Die Bässe verschwinden fast vollständig und die Mitten sind extrem dominant.
Nichts geändert hat sich auch bei der Bluetooth-Verbindung. Unterstützt werden die Codecs SBC, AAC und LDAC. Des Weiteren kann sich der Kopfhörer mit zwei Geräten gleichzeitig verbinden, beispielsweise Notebook und Smartphone. Das geht aber wie schon beim XM4 nicht mit dem hochwertigen LDAC-Codec.
USB-Audio gibt es weiterhin nicht. Der USB-C-Anschluss dient ausschliesslich zum Laden. Nervig: Während des Ladevorgangs ist der Kopfhörer immer ausgeschaltet und das mitgelieferte USB-Kabel ist extrem kurz.
Das Aufladen geht sehr schnell. Vor allem mit einem starken Ladegerät, wie es für Notebooks üblich ist. Damit konnte ich innert weniger Minuten von 50 auf 90 Prozent laden. Eine richtige Messreihe konnte ich nicht machen, dafür hält der Akku viel zu lange. Sony gibt eine Laufzeit von 30 Stunden mit eingeschaltetem Noise Canceling an.
Fazit: Wetten, dass …
Eigentlich überzeugt mich der WH-1000XM5 völlig. Die Sprachqualität beim Telefonieren ist viel besser als beim Vorgänger, das Grundrauschen des Noise Cancelings fast vollständig verschwunden, das Noise Canceling sehr effektiv – wenn auch nicht so konstant, wie ich es mir gewünscht hätte. Der Sound ist ebenfalls noch einmal leicht verbessert worden.
Umso ärgerlicher, dass dieser Kopfhörer nicht gefaltet werden kann. Dafür würde ich noch so gern ein bisschen Eleganz im Design opfern.
Der XM6 wird dann wieder faltbar sein. Wetten?
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.