Gua Sha: Die Geschichte hinter Gesichtsstein und Jaderoller
Hintergrund

Gua Sha: Die Geschichte hinter Gesichtsstein und Jaderoller

Wer sich das Gesicht täglich mit dem Jaderoller oder Gesichtsstein massiert, braucht kein Lifting mehr – so das Schönheitsversprechen. Aber was kann Gua Sha wirklich bewirken und woher kommt es?

Gua Sha ist das Beauty-Treatment der Stunde und wird von Influencer:innen und Self-Care-Begeisterten rund um den Globus als Anti-Aging-Wunder gehypt. Mit einem Jaderoller oder Gesichtsstein sollen Verspannungen gelöst, die Muskulatur gestärkt oder sogar Gesichtskonturen gestrafft werden. Was bei genauerer Betrachtung bleibt, sind zweifelhafte Versprechen der Schönheitsindustrie und eine zutiefst missverstandene Behandlungsmethode der Traditionellen Ostasiatischen Medizin (TEAM). Aber alles von Anfang an: Was ist Gua Sha eigentlich genau und woher kommt es?

Kratzen, schaben, massieren

Gua Sha spricht man Gwah-Schah aus, wobei es in manchen Teilen Asiens auch unter anderen Namen bekannt ist. In Vietnam beispielsweise unter dem Namen «cao gió», in Indonesien nennt es sich «kerikan». Gua Sha ist eine Behandlungsmethode aus Ostasien, bei der die Haut mit der Rückseite eines Löffels – oder mit einem anderen Gegenstand – so lange geschabt wird (Gua), bis sie rot oder sogar blau anläuft (Sha). Die Idee ist ähnlich der von Akupunktur: Die Haut, als größtes Organ mit einem Netzwerk an Energieströmen entlang der Faszien, rsp. die Muskulatur darunter, kann durch das Kratzen und Schaben von Blockierungen befreit werden. Die renommierte amerikanische Wissenschaftlerin und Autorin Arya Nielsen forscht seit mehr als 40 Jahren im Bereich der Gua-Sha-Praktik. In «The Science of Gua Sha» (2012) beschreibt sie ihre durchblutungsfördernde und entzündungshemmende Wirkung und ihren nachweislichen Einfluss auf eine Anzahl von Beschwerden wie Rückenschmerzen oder chronische Migräne.

Wie Gua Sha in den Westen kam

Die Praktik kann bis zu 2000 Jahre zurückdatiert werden und findet ihre Ursprünge in der Traditionellen Ostasiatischen Medizin. Wie so viele antike Behandlungsmethoden fand wahrscheinlich auch Gua Sha über wichtige Handelsrouten, wie die Seidenstraße, den Weg nach Europa, schreibt Nielsen im Buch «Gua Sha: A Traditional Technique for Modern Medicine» (2012). In einer der ersten Übersetzungen stand das Wort «Sha» sogar für Cholera oder Malaria. Die Behandlung wurde Anfang des 19. Jahrhunderts bei der Ausbreitung der Cholera für die Behandlung Cholera-ähnlicher Symptome eingesetzt. Und auch heute noch wird Gua Sha in der Traditionell Ostasiatischen Medizin zur Fiebersenkung angewandt.

Von der Cholera- zur Gesichtsbehandlung: Ist das kulturelle Aneignung?

Sich heute das Gesicht mit einem Gesichtsstein oder Jaderoller zu massieren, hat mit all dem nicht mehr viel zu tun. Nicht zuletzt, weil Gua Sha traditionell gar nicht im Gesicht, sondern am Körper angewandt wird. Oder ist das schon kulturelle Aneignung? Unter kultureller Aneignung verstehen wir, wenn eine Ethnie oder Kultur, kulturelle Einflüsse von anderen ethnischen Gruppen übernimmt. Das passiert andauernd – egal ob von Dreadlocks oder Yoga die Rede ist. Entscheidend ist, ob die kulturelle Herkunft der Praktik gewürdigt und der entsprechenden Kultur Anerkennung dafür gezeigt wird.

Das passiert in der breiten Anwendung von Gua Sha kaum. Während die Schönheitsindustrie die jahrtausendealte Praktik zum Gesichtsmassage-Tool degradiert, belächelt die westliche Schulmedizin ihre Philosophie der Energieströme und ihr holistisches Körperverständnis. Trotzdem werden Social-Media-Kanäle von Influencer:innen-Videos überflutet, in denen sie sich ihre Wangenknochen mit den bunten Gesichtssteinen «schlankmassieren». Aus «kratzen» und «schaben» wird «streichen» und «liften», weil es einfach besser klingt. Es soll darüber hinwegtrösten, dass Gua Sha kein Wundermittel und auch kein Codewort für ewige Jugend ist. Dabei übersehen wir, was Gua Sha wirklich kann und ist: Eine Methode der Traditionell Ostasiatischen Medizin mit einer jahrtausendealten, medizinischen Erfolgsgeschichte.

Quellen:

1: Nielsen, A. (2012): The Science of Gua Sha. A Publication of Pacific College of Oriental Medicine. The 24th Annual Pacific Symposium Issue: 1,28,30. San Diego, CA, p

2: Nielsen, A. (2012): Gua Sha: A Traditional Technique for Modern Practice. Second Edition. S. 2-10

Titelbild: unsplash.com/@contentpixie

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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