Kommt das «Harry Potter»-Remake zu früh?
Bei einigen Fans stiess die Ankündigung des «Harry Potter»-Remakes auf Skepsis. Ganz ehrlich: bei mir auch. Mittlerweile hat mich aber die Euphorie gepackt.
Die Jobberknollen pfiffen es seit Wochen von den Dächern Hogsmeades. Jetzt ist es offiziell: «Harry Potter» bekommt ein Remake – im Serien-Format. Wann, ist nicht bekannt. Aber jede Prognose, die «vor 2025» sagt, dürfte zu sportlich sein. Schliesslich müssen erst noch Showrunner gefunden werden. Oder zumindest bestätigt. Zudem Produzentinnen. Regisseure. Schauspielerinnen. Erst dann können die Dreharbeiten beginnen. Die Nachdrehs. Die Postproduktion. Und… Es gibt noch jede Menge zu tun.
«Ich weiss nicht so recht», unterbreche ich meine Gedanken, während ich genau diese Überlegungen für meine gestrige News anstelle. «Hat die Welt denn wirklich auf ein ‹Harry Potter›-Remake gewartet!?»
Im Netz scheint die Skepsis ebenfalls verbreitet. Manche Fans deuten die jüngste Ankündigung als mangelnde Kreativität und billigen Versuch, das Franchise zu melken. Eine bessere Umsetzung ist sowieso kaum möglich. Vor allem, was das Casting betrifft. Daniel Radcliffes Harry Potter, Alan Rickmans Severus Snape, Robbie Coltranes Hagrid und Ralph Fiennes Voldemort, um ein paar Beispiele zu nennen. Wird die Serie nicht alleine daran scheitern? Und von John Williams’ ikonischer Filmmusik will ich gar nicht erst anfangen.
Die Wizarding World bietet ohnehin genug Stoff für zahlreiche Spin-offs, die nicht von Harry und seinen Freunden handeln müssen. Warum also schon wieder «Harry Potter»? Sicher, die «Fantastic Beasts»-Reihe mag enttäuscht haben. Ihr gegenüber steht dafür «Hogwarts Legacy», das gut 100 Jahre vor den Filmen spielt und einen Rekord nach dem anderen bricht. Niemand kann also sagen, dass das Franchise nur dann erfolgreich ist, wenn Harry Potter darin vorkommt.
Und trotzdem… Je länger ich darüber nachdenke, desto wärmer werde ich mit dem «Harry Potter»-Remake. Was hat sich geändert?
Der wichtigste Grund überhaupt
Reden wir mal Parsel… äh, Tacheles. Ja, Warner Bros. geht’s ums Geld. Aber im ganzen Brimborium und Backlash rund um die Ankündigung ging das vielleicht wichtigste Argument, das für ein Remake spricht, unter: Es wird von HBO gestemmt.
HBO.
Das ist nicht irgendein Warner-Bros.-Sender, Streamingdienst und Produktionsstudio. HBO ist das Unternehmen, das hinter Kult-Klassikern wie «Game of Thrones», «Succession», «Tschernobyl», «Euphoria», «True Detective», «The Wire», «The Sopranos» und zuletzt auch «The Last of Us» steckt. Ich könnte gleich hier aufhören zu tippen und hätte bereits genug Gründe für ein Remake geliefert. Denn wo Banken Garantien für ein Darlehen verlangen, ist HBO für mich eine Garantie, für die ich im Tausch mindestens meine Skepsis beiseite legen und der Serie eine faire Chance geben kann. Tatsächlich tut HBO weit mehr als das: Es befeuert meine Euphorie.
Eine Staffel pro Buch? YES!
Fürs Remake im Serienformat spricht auch die Laufzeit. Die Serie soll nämlich eine Staffel pro Buch bekommen. Sieben Staffeln «Harry Potter» also. So sollen sämtliche wichtige Handlungspunkte würdig dargestellt werden. Genau daran scheiterten gerade die späteren Filme: Um die immer dicker werdenden Bücher in einem 2,5-Stunden-Film zu packen, wurden oftmals ganze Handlungsstränge gestrichen. Manchmal gar fürs Verständnis unabdingbare Zusammenhänge. Wer beispielsweise «Harry Potter und der Gefangene von Askaban» nie gelesen hat, versteht gar nicht, warum Harry gegen Ende des dritten Films meint, seinen verstorbenen Vater beim Wirken des Patronus-Zaubers zu sehen. Oder warum sein Lehrer Remus Lupin überhaupt weiss, was die Karte des Rumtreibers ist und wie sie funktioniert.
Das soll sich ändern. Denken wir nur an all die Sachen, die noch gefehlt haben. Etwa das Geister-Halloween-Fest und die Jagd der Kopflosen. Die Quidditch-Weltmeisterschaft. Die richtige Schlacht im Ministerium. Die Prophezeiung, in der beinahe Neville der Auserwählte geworden wäre. Und überhaupt, so gut wie die gesamte eigentliche Handlung des sechsten Buchs, Herrgott! Das setzte nämlich den Schwerpunkt auf Voldemorts Werdegang, das in Form magischer Erinnerungen erzählt wird. Harry muss sie zusammen mit Dumbledore erforschen, denn irgendwo in diesen Erinnerungen, so Dumbledore, stecke das fehlende Puzzleteil, das verrate, wie der unbesiegbar wirkende Dunkle Lord letztendlich doch noch besiegt werden könnte.
Und der Film? Ein, zwei kurze Szenen über Voldemorts Vergangenheit. That’s it. Viel mehr Zeit wird dafür dem Liebes-Techtelmechtel von Harry und seinen Freunden gewidmet. Manchmal sogar zum Fremdschämen. Etwa die unglaubwürdig wirkende Film-Romanze zwischen Harry und Ginny. Auch das kann mit dem Remake und genügend Raum vertieft werden.
Apropos vertieft: Die Serie könnte in Flashbacks die Nacht zeigen, in der Voldemort Harrys Eltern ermordete. Das St.-Mungo-Hospital für Magische Krankheiten und Verletzungen. Kreachers Redemption-Story. Snapes Vergangenheit mit Lilly und Petunia. Mehr vom alten Orden des Phönix. Oder die Freundschaft der hochwohlgeborenen Herren Moony, Wurmschwanz, Tatze und Krone – was die Dramatik des Verrats deutlich verstärken würde.
Ach, ich könnte ewig weitermachen.
Vorsicht: Gerüchte!
Natürlich laufen die Gerüchte heiss. Wie könnten sie auch nicht? Geniesse die paar Leaks darum mit Vorsicht. Es könnte genauso gut sein, dass die Fantasie mancher «Insider» einfach mit ihnen durchgegangen ist.
Aber: Angeblich soll die Handlung der ersten Folge bereits im Groben feststehen. Sie soll, ähnlich wie bei «The Last of Us», den letzten Tag von James und Lily Potter zeigen, inklusive ihre Ermordung durch Voldemort. Dazu sollen einige der Filmschauspieler in neuen Rollen zurückkehren. Etwa Tom Felton, der ursprünglich Draco Malfoy spielte. In der Serie würde er den Part von Dracos Vater Lucius Malfoy übernehmen. Und wenn wir schon beim Casting sind: Adam Driver soll im Gespräch als Snape sein und Helen Mirren als Minerva McGonagall. Guter Start.
Ja, die Serie hat einen schweren Stand. Ihre Daseinsberechtigung muss darin liegen, eine der beliebtesten Filmreihen der Welt zu übertreffen. Unmöglich. Eigentlich. In den Händen von HBO sehe ich aber eine Chance. Und denke ich daran, was zuvor im Korsett eines 2,5-Stunden-Films nicht mal annähernd denkbar gewesen wäre, werde ich beinahe sogar zuversichtlich, dass das Unmögliche letztlich doch noch möglich ist.
Titelfoto: Warner Bros.Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»