Krafttraining: Macht deine Muskeln 30 Jahre jünger
24.3.2022
Mitarbeit: Patrick Bardelli
There is no magic pill! Krafttraining ist das einzige Mittel, Muskel- und Kraftschwund im Alter zu bekämpfen.
Fehlende Kraft und Muskelmasse können dazu führen, dass du stürzt und dir Frakturen zuziehst, die im Spital behandelt werden müssen. Dieser altersassoziierte Abbau von Muskelmasse und Kraft führt zu einer starken Verminderung der Lebensqualität und belastet unser Gesundheitssystem enorm.
Es sei hier nochmal ganz dezidiert betont: Es gibt keine pharmakologische Möglichkeit, diese Abbauprozesse zu stoppen oder abzumildern. Glücklicherweise gibt es jedoch ein sehr potentes Gegenmittel, das uns quasi gratis zur Verfügung steht. Es lautet Krafttraining – und kostet nichts als ein wenig Zeit.
Mehr Kraft, Volumen und Mobilität
Krafttraining ist ein wirksames anaboles Gegenmittel zur Bekämpfung der Sarkopenie, da es die Muskelmasse und -kraft selbst bei betagten Menschen erhöht. Fiatarone und Kollegen [1] unterzogen zehn gebrechliche, institutionalisierte Freiwillige im Alter von 90 ± 1 Jahren acht Wochen lang einem hochintensiven Krafttraining. Die Kraftzunahme betrug im Durchschnitt 174 % ± 31 % (Mittelwert ± SEM) (Bild). Die Oberschenkelmuskelfläche nahm um 9 ± 4,5 % zu. Krafttraining führt also bei gebrechlichen Bewohnern von Pflegeheimen zu einer signifikanten Zunahme der Muskelkraft, der Muskelgrösse und der funktionellen Mobilität.
Selbstbestimmung im Alter dank Krafttraining
Churchward-Venne et al. [2] wollten wissen, ob es unter älteren Männern und Frauen Personen gibt, die nicht auf ein Krafttraining ansprechen. Hierzu wurden ältere Männer und Frauen (n = 110, 72,6 ± 0,6 Jahre) rekrutiert, die entweder 12 oder 24 Wochen lang unter Aufsicht trainierten. Gemessen wurden die Muskelmasse, die Muskelquerschnittsfläche, die Kraft und funktionelle Parameter.
Als Reaktion auf das Krafttraining nahm die Muskelmasse in der Trainingsgruppe 0 bis 12 Wochen um 0.9 ± 0,1 kg und bei der Gruppe 0 bis 24 Wochen um 1,1 ± 0,2 kg zu. Darüber hinaus zeigte die Muskelfaserquerschnittsanalyse eine durchschnittliche Zunahme der Querschnittsfläche von Typ 1 um 324 ± 137 μm2 und Typ 2 Fasern um 701 ± 137 μm2 von 0 bis 12 Monaten. Nach 24 Wochen nahm die Querschnittsfläche von Typ 1 Fasern um 360 ± 157 μm2 und die Querschnittsfläche von Typ 2 Fasern um 779 ± 161 μm2 zu.
Die Kraftzunahme, gemessen durch das 1-RM auf der Beinpresse und dem Beinstrecker, zeigten eine Zunahme um 33 ± 2 kg und 20 ± 1 kg von 0 bis 12 Wochen und eine Zunahme um 50 ± 3 kg und 29 ± 2 kg von 0 bis 24 Wochen für die Beinpresse bzw. den Beinstrecker.
Als funktioneller Parameter wurde untersucht, wie schnell die Probanden vor und nach der Studie von einem Stuhl aufstehen können. Die Zeit für das Aufstehen vom Stuhl verringerte sich um 1.3 ± 0,4 s von 0 bis 12 Wochen und um 2,3 ± 0,4 Sekunden von 0 bis 24 Wochen. Die Autoren kamen zum Schluss, dass alle Probanden robust auf ein Krafttraining reagieren, da bei jedem Probanden mindestens ein positives Trainingsergebnis zu verzeichnen war.
Lebenslanges Krafttraining
Wroblewski et al. [3] untersuchten die Körperzusammensetzung, das Spitzendrehmoment und die Querschnittsfläche des Quadrizeps von 40 Athleten im Alter von 40 bis 81 Jahren, die 4 bis 5 Mal pro Woche trainierten. Die Probanden setzten sich hauptsächlich aus Läufern/Leichtathleten, Radfahrern und Schwimmern zusammen. Die komplette Muskelfläche in der Mitte des Oberschenkels, gemessen mittels Magnetresonanztomografie, war nicht signifikant unterschiedlich zwischen den Altersgruppen. Die Quadrizepsfläche war jedoch etwa 20 % geringer in der Altersgruppe über 70 Jahre im Vergleich zur Altersgruppe 40 – 49 und 50 – 59 Jahre. Die Autoren beobachteten keine Unterschiede im Quadrizeps-Spitzendrehmoment, bis zur Altersgruppe mit den Teilnehmern mit 60- bis 69-Jährigen, die signifikant weniger Drehmoment erzeugen konnten als die Teilnehmer in den jüngeren Alterskategorien. Der Vergleich der Altersgruppen der 60-, 70- und 80-Jährigen ergab keinen signifikanten Unterschied beim Spitzendrehmoment.
Obwohl also das Spitzendrehmoment ab dem Alter von 60 Jahren abnahm, verstärkte sich der Rückgang mit zunehmendem Alter nicht signifikant. Dies ist ebenfalls der Fall, wenn man das Spitzendrehmoment pro Muskelfläche berechnet. Die spezifische Kraft pro Fläche nimmt also mit dem Alter nicht ab. Aus diesen Beobachtungen kann man schlussfolgern, dass die altersassoziierte Abnahme von Muskelmasse und –kraft nicht allein auf das Alter zurückzuführen sind, da sowohl Kraft als auch Muskelmasse durch langfristiges Training erhalten bleiben. Dies wiederum zeigt auch auf, weshalb Krafttraining lebenslang gemacht werden sollte. Schaut man sich die Magnetresonanzbilder eines 40-jährigen und eines 70-jährigen Triathleten an, sind darauf kaum Unterschiede zu erkennen. Die langfristige Belastung der Muskulatur durch Training kann dich also, muskulär betrachtet, 30 Jahre jünger machen.
Fazit: Krafttraining funktioniert immer
Die Fähigkeit der Muskeln sich anzupassen ist lebenslang gegeben. Ausreden wie «in meinem Alter bringt Krafttraining nichts mehr» werden mit oben genannten Studien einfach entkräftet. Ganz im Gegenteil raten wir auch älteren Menschen dazu, regelmässig Krafttraining in ihren Alltag zu integrieren.
Lass dich nicht vom Alter verändern, sondern ändere die Art und Weise, wie du alterst.
Referenzen
- Fiatarone MA, Marks EC, Ryan ND, Meredith CN, Lipsitz LA, Evans WJ. High-Intensity Strength Training in Nonagenarians: Effects on Skeletal Muscle. JAMA J Am Med Assoc. 1990;263: 3029–3034. doi:10.1001/jama.1990.03440220053029
- Churchward-Venne TA, Tieland M, Verdijk LB, Leenders M, Dirks ML, de Groot LCPGM, et al. There are no nonresponders to resistance-type exercise training inolder men and women. J Am Med Dir Assoc. Elsevier Inc.; 2015;16: 400–411. doi:10.1016/j.jamda.2015.01.071
Wroblewski AP, Amati F, Smiley MA, Goodpaster B, Wright V. Chronic Exercise Preserves Lean Muscle Mass in Masters Athletes. Phys Sportsmed. 2011;39: 172–178. doi:10.3810/psm.2011.09.1933
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Claudio Viecelli
Biologe
Molekular- und Muskelbiologe. Forscher an der ETH Zürich. Kraftsportler.