Hasselblad 907X & CFV 100C
100 Mpx, Mittelformat
Sie ist etwas ganz Besonderes. Eine Schönheit, die sich im Jahrhundert geirrt haben muss. Nach wenigen Stunden mit ihr war mir klar: Diese ungewöhnliche Kamera erfordert einen ungewöhnlichen Testbericht.
Meine teure Freundin Hannelore,
Ich kann nicht anders, als Euren Namen «Hasselblad 907X & CFV 100C» durch einen zu ersetzen, der mir passender erscheint. Gar zu hart und lieblos kommt mir euer Taufname vor, mag er noch so sehr von Eurer edlen Herkunft zeugen. Nun hoffe ich inbrünstig, dass Ihr es nicht als Respektlosigkeit auslegt, denn nichts liegt mir ferner, als Euch beleidigen zu wollen.
Anders seid Ihr als alle anderen, so gänzlich anders, und genau das hat es mir angetan. Anfänglich verstand ich Eure Eigenart nicht und muss gestehen, dass ich mir im Umgang mit Euch töricht vorkam. Der Auslöser, das Drehrad, der Einschaltknopf, alles ist an einem ungewohnten Ort. Eure Öffnung für den USB-C-Anschluss ist schamhaft unter einer Klappe versteckt und nur dem zugänglich, der sich auskennt.
Erschien mir Eure Sichtweise zu dunkel, wusste ich nicht, wie ich eingreifen konnte. Erst das gleichzeitige Drücken des silbrigen Seitenknopfs und Drehen am Rad brachte mich weiter. Ebenso konnte ich Euch anfänglich nicht dazu bewegen, selbst Euren Blick zu schärfen; durch Herausziehen des Fokusrings war dies jedoch schnell behoben. Ebenso war mir nicht klar, wie ich denn aus der Hüfte fotografieren kann. Denn Euer Bildschirm schmiegt sich so nahtlos an den Körper an, dass ich die Möglichkeit des Ausklappens nicht bemerkte.
Viel hatte ich bei Euch zu lernen, liebe Hannelore, wie einst als Jüngling, als ich zum ersten Male eine Kamera in Händen hielt – doch ich wurde reichlich belohnt. Dies wurde mir schon nach einem ersten gemeinsamen Spaziergang am See deutlich. Nie habe ich den Himmel schöner gesehen als durch Euch.
Von anmutiger Gestalt, strahlt Ihr eine klassische Eleganz aus, die Ihresgleichen sucht. Euer von jeglichen Moden befreites Äusseres wage ich geradezu schlicht zu nennen – wohl wissend, dass sich darin ein reichhaltiges Innenleben verbirgt. Verzeiht mir, wenn ich nebst Eurem Namen eine weitere Bezeichnung ändere: Mittelformat. Wie unpassend. Was, frage ich, ist an Euch «mittel»? Gross sind Eure inneren Werte: der 44×33 Millimeter grosse Sensor, die 100 Megapixel – gross müsste man Euch nennen!
Gross ist auch Euer Gedächtnis. Wo andere sich auf Karten stützen müssen, speichert Ihr mühelos 1 Terabyte Bilder auf der internen SSD. Das Glas, das Ihr zum Sehen nutzt, ist kostbar und makellos geschliffen wie kein zweites. In voller Schärfe bildet es die Auflösung Eures grossen Formates ab.
Sensibel reagiert Ihr auf Licht, und doch ertragt Ihr viel davon. Sei es in der grellen Sonne oder bei Mond- und Kerzenschein, stets vermögt ihr durch Eure Bilder zu entzücken. Ein Jammer nur, dass Ihr innerlich nicht gefestigt seid, sondern Euch in der Dunkelheit oft stützen lassen müsst.
Gar weise ist es, sich nicht an Dingen zu versuchen, für die man nicht geschaffen ist. Das Filmen ist Eure Sache nicht, und deswegen lasst Ihr es ganz bleiben. Recht so! Gleiches gilt für alles Hektische, das Euch zuwider ist. Gemächlich verrichtet Ihr Euer Werk, getreu dem Motto: Was lange währt, wird endlich gut. Ihr ermüdet etwas schneller als andere und, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, erhitzt Euch manchmal mehr, als nötig wäre. Doch beides tut meiner Sympathie keinen Abbruch.
Ach, wie sehr wünschte ich, dass Ihr ganz mir gehöret; doch muss ich erkennen, dass ich Eurer nicht würdig bin. Zu edel und kostbar seid Ihr für meine niedere Herkunft. Gerade vernahm ich die Kunde, dass ihr aufbrecht zu anderer Gesellschaft und ich Euch schmerzlich entsagen muss.
Lebt wohl! Euer auf ewig verbundener
David
Die Hasselblad X2D 100c sei eine Kamera für irrationale Menschen, schrieb Kollege Samuel in seinem Test. Für die Hasselblad 907X & CFV 100C gilt das erst recht.
Beide Kameras sind sündhaft teuer und haben nicht mal eine Videofunktion. Doch die X2D lässt sich immerhin wie eine «normale» Kamera bedienen. Sie verfügt über einen elektronischen Sucher und die üblichen Bedienelemente, zudem hat sie einen Bildstabilisator. Bei der 907X gibt es den Sucher nur als Zubehör und er ist nichts als ein simples Guckloch. Ein optionaler Handgriff liefert die nötigen Bedienelemente – darunter im Gegensatz zur X2D auch einen Joystick – aber damit verliert die Kamera ihre Kompaktheit. Ebenso durch den Umstand, dass wegen des fehlenden Bildstabilisators bei wenig Licht ein Stativ zur Pflicht wird.
Doch gerade diese Kompromisslosigkeit macht auch die Faszination dieses Geräts aus. Wer Freude am Vorgang des langsamen und überlegten Fotografierens hat, findet hier Entspannung und totale Befriedigung. Das Resultat ist überwältigend. Die Objektive sind so scharf, dass du die 100 Megapixel des Sensors voll ausnutzen kannst. Die Hasselblad 907X & CFV 100C besetzt eine extrem spezielle Nische, tut dies aber gut.
Pro
Contra
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.