Ratgeber

Livemusik in Stereo aufzeichnen: Warum ich einen Field Recorder verwende

David Lee
13.7.2023

Ich möchte unkompliziert Live-Musik aufzeichnen. Wie die meisten habe ich dafür bisher mein Smartphone verwendet. Doch das hat seine Tücken, vor allem weil ich das Ganze in Stereo haben möchte. Für mich selbst überraschend benutze ich nun einen externen Audio-Recorder.

Mit dem Smartphone kann ich auf einfache Weise Konzertausschnitte, Bandproben oder eigene Songideen festhalten. Smartphones haben mehrere Mikrofone eingebaut, daher sind sie auch fähig, Stereoton zu erzeugen. Der klingt manchmal ganz gut. Manchmal aber auch nicht. Woran liegt das? Ich bin der Sache auf den Grund gegangen und habe verschiedene Möglichkeiten durchgetestet.

Reines Audio in Mono, Video in Stereo

Ich benutze ein iPhone. Für Tonaufzeichnungen ist die App «Sprachmemos» vorinstalliert, für Musik gibt es das kostenlose «GarageBand». Beide nehmen in Mono auf. Kein Wunder: Für Sprachnotizen reicht das. GarageBand ist darauf ausgelegt, mehrere Spuren hintereinander aufzunehmen und anschliessend zu einem Stereomix zu mischen. Für Live-Aufnahmen in Stereo muss ich daher die Kamera-App nehmen und ein Video machen. Selbst dann zeichnet das iPhone nur in Stereo auf, wenn die entsprechende Option in den Systemeinstellungen aktiviert ist.

Das stört mich. An einem Konzert ist ein Video toll, aber in unseren Bandproben brauche ich kein Bild. Das macht bloss die Dateien grösser, sie werden unpraktisch zum Versenden. Oder ich muss nachträglich Ton und Bild trennen.

Mit speziellen Recording-Apps lässt sich Stereo auch ohne Bild aufnehmen. Eine gute App zu finden, hat sich aber als schwierig herausgestellt – dazu weiter unten mehr.

Anordnung und Einsatz der eingebauten Mikrofone

Bei meinem iPhone 12 mini sind drei Mikrofone vorhanden: Eines an der unteren Kante. Oben befinden sich zwei weitere Mikrofone, eines auf der Vorderseite und eines auf der Rückseite. Andere Smartphones haben die Mikrofone möglicherweise etwas anders platziert, aber es sollte kein Problem sein, sie ausfindig zu machen.

An diesen Stellen hat das iPhone Mikrofone.
An diesen Stellen hat das iPhone Mikrofone.
Quelle: David Lee

Um herauszufinden, welches Mikrofon gerade verwendet wird, reibe ich Daumen und Zeigefinger direkt bei den drei Mikrofonen aneinander. Dieses Geräusch ist nur von ganz nahe gut hörbar. Der Unterschied zwischen einem benutzten und einem unbenutzten Mikrofon ist daher leicht zu erkennen.

Das Resultat dieser Tests: Die App «Sprachmemos», die nur Ton aufzeichnet, nutzt das Mic auf der Unterseite. Im Videomodus benutzt das iPhone immer die beiden Mikrofone auf der Oberseite. Das Mikrofon auf der Unterseite bleibt inaktiv.

Das hat mich sehr erstaunt. Für einen guten Raumklang sollten die Mikrofone möglichst weit auseinanderliegen. Bei meinem vorherigen Smartphone, dem Huawei P20 Lite, war das der Fall. Mit einer Trennwand aus Karton erzeugte es einen fast schon binauralen Stereoklang.

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    Mittendrin statt nur dabei: Raumklang-Aufnahme mit Smartphone

    von David Lee

Natürlich geht das nur bei Aufnahmen im Querformat – aber immerhin. Im Hochformat ist ein realistisches Stereobild mit der Anordnung der Mikrofone gar nicht möglich – sie liegen ja alle mehr oder weniger auf der Mittelachse.

Die Anordnung und Verwendung der eingebauten Mikrofone erklärt, wieso ich mit dem Stereosound nie zufrieden war. Insbesondere, warum die Aufnahmen im Querformat nicht besser sind als im Hochformat.

Nun ist mir auch klar, warum einige Aufnahmen meiner Bandproben dumpf klingen. Da mich das Bild beim Video nicht interessiert, habe ich das iPhone auf den Tisch gelegt. Dadurch wird eines der beiden aktiven Mikrofone von der Tischplatte abgedeckt. Bei Frontaufnahmen zeichnet dieses Mikrofon lauter auf als jenes auf der Bildschirmseite. Bei Selfieaufnahmen ist es umgekehrt.

Apps von Drittherstellern

Vielleicht gibt es eine App, welche Stereoton mit auseinander liegenden Mikrofonen aufzeichnen kann. Ich habe jedoch keine gefunden. Die meisten Diktier-Apps zeichnen nur in Mono auf. In «Voice Record Pro» lässt sich Stereo einstellen, faktisch wird aber Mono aufgezeichnet. In «Recorder Plus» kann ich zwischen zahlreichen Mikrofonquellen auswählen, zwei davon verwenden Stereo. Allerdings auf die gleiche Art wie bei der Kamera-App. Also nicht das, was ich suche. Nicht wenige Recording-Apps verwenden ein Abomodell mit überrissenen Preisen – diese habe ich gar nicht erst angeschaut.

Externes Mikrofon

Nach diesen enttäuschenden Erfahrungen ist für mich klar: Da muss ein externes Mikrofon her. Es gibt unzählige davon – aber die meisten zeichnen in Mono auf. Eine Ausnahme sind die Stereo-Mikrofone Zoom iQ6 und iQ7 fürs iPhone. Das iQ6 lässt sich wegen der Anordnung seiner Mikrofone ausschliesslich im Hochformat sinnvoll verwenden. Anders das Zoom iQ7: Mit seinem Drehmechanismus liefert es sowohl im Hochformat als auch im Querformat einen korrekten Stereoklang.

Eigentlich wäre das Zoom iQ7 ein hochwertiges, durchdachtes Produkt. Es hat einen Regler, eine Anzeige für den Lautstärkepegel und einen Kopfhöreranschluss. Eine abnehmbare Kunststoffabdeckung ermöglicht es, das iPhone auch in der Schutzhülle bündig anzudocken. In der zugehörigen Aufnahme-App kann der Bildschirm auf dem iPhone auch hochkant um 180 Grad gedreht werden. Das geht normalerweise nicht, ist aber notwendig, wenn du eine Aufnahme im Hochformat machen und das Mikrofon auf der Oberseite anbringen willst.

Der Bildschirm würde normalerweise auf dem Kopf stehen, aber die Zoom-App kann die Anzeige drehen.
Der Bildschirm würde normalerweise auf dem Kopf stehen, aber die Zoom-App kann die Anzeige drehen.
Quelle: David Lee

Trotz dieser Vorzüge empfehle ich das iQ7 nicht. Denn es wird direkt an den Datenport des iPhone gesteckt, also an den Lightning-Anschluss. Und der wird bei iPhones bald obsolet, weil die EU ab Ende 2024 USB-C als Anschluss vorschreibt. Das Mikrofon wird an künftigen iPhones höchstens noch mit einem Adapter funktionieren.

Es gibt mit dem Zoom AM7 ein ähnliches Mikrofon für Android mit USB-C, das ich aber nicht getestet habe.

Mein Testmikrofon hat weitere Nachteile. Das Weitergeben der Aufnahmen in der App ist nur über iCloud, Soundcloud oder per E-Mail möglich. AirDrop und andere gängige Methoden fehlen. Ich habe zudem immer Störgeräusche in der Aufnahme. Durch die Umschaltung in den Flugmodus reduziert sich das störende Ticken, bleibt aber auffällig. Das Firmware-Update bringt nichts. Das ist eigentlich das grösste Problem und macht das Mikrofon unbrauchbar – es könnte aber sein, dass ich bloss ein defektes Exemplar erwischt habe.

Field Recorder

Bleibt als dritte Möglichkeit, den Ton mit einem externen Audio-Rekorder aufzuzeichnen. Ich benutze dafür den Field Recorder Zoom H1n. Ein einfaches, nicht allzu teures Gerät, das für meine Zwecke vollkommen ausreicht. Der Tonpegel ist vor der Aufnahme ersichtlich und kann direkt an einem Regler eingestellt werden. Es stehen neben MP3 auch diverse unkomprimierte Formate zur Verfügung – wichtig, wenn du den Sound nachbearbeitest.

Videoaufnahmen sind mit einem externen Rekorder aufwendiger, weil du Ton und Bild auf den Computer übertragen und in einem Schnittprogramm synchronisieren musst. Aber dafür ist das Ergebnis besser. Und es funktioniert mit jedem Smartphone sowie jeder Kamera.

Ein externer Rekorder braucht einen Platz zum Aufstellen. Denn Rekorder und Smartphone gleichzeitig zu halten, ist schwierig. Der Rekorder, den ich benutze, kann auf ein gewöhnliches Tischstativ montiert werden.

Ein kleines Tischstativ ist die ideale Ergänzung zum Zoom-Rekorder.
Ein kleines Tischstativ ist die ideale Ergänzung zum Zoom-Rekorder.
Quelle: David Lee

Im folgenden Video hörst du den Unterschied zwischen dem internen Mikrofon und dem Zoom H1n. Dies bringt nicht nur einen besseren Raumklang, sondern auch eine bessere Tonqualität, etwa klarere Höhen. Da ich das Mikrofon direkt an die Quelle halten kann, ist das Signal stärker und ich kann den Pegel zurückdrehen. Als Folge davon rauscht es weniger.

Gleichbleibende Aufnahmen statt Verschlimmbesserungen

Der Field Recorder liefert mir nicht nur eine bessere Stereo- und Tonqualität, sondern auch eine konsistente Aufnahme. Die Video-Funktion des Smartphones rechnet nämlich ständig irgendwas herum und verschlimmbessert dadurch das Ergebnis. Zum Beispiel wird die Aufnahme oft leiser, wenn sie eigentlich lauter werden sollte und umgekehrt. Das liegt daran, dass der Aufnahmepegel automatisch angepasst wird. Als Beispiel zwei Konzertaufnahmen der gleichen Stelle, einmal mit automatischem und einmal mit manuellem Pegel.

Eine andere unerwünschte Optimierung: Zoome ich ins Bild, verändert sich auch der Sound. Im Beispiel unten stört das sehr. Das iPhone versucht, den Ton automatisch dem Bildausschnitt anzugleichen. Das funktioniert hier aber nicht, weil der Ton der elektrischen Instrumente nicht aus der Richtung der Musiker, sondern aus den Lautsprechern kommt.

Sehr vielseitig

Ein weiterer Vorteil des Audio-Recorders ist, dass ich problemlos ein gesamtes Konzert aufzeichnen kann. Die beiden AAA-Batterien halten laut Zoom zehn Stunden, das dürfte ungefähr stimmen. Über USB kann das Gerät unbeschränkt lange mit Strom versorgt werden. Der Speicherplatz ist ebenfalls kein Limit. Das Gerät verwendet microSD-Karten bis 32 GB – das reicht selbst in der höchsten Qualität von 24 Bit und 96 kHz satte 15 Stunden. Unkomprimiert mit 16 bit und 44,1 kHz (CD-Qualität) reicht er für 50 Stunden, bei der höchsten MP3-Qualität über 220 Stunden.

Fazit

Zusätzlich zum Smartphone einen separaten Audio-Recorder mitnehmen? Ich war anfänglich sehr skeptisch, bin aber jetzt voll überzeugt. Für meine Zwecke ist das genau das richtige. Live-Musikaufnahmen werde ich in Zukunft vor allem mit dem Field Recorder machen. Nur falls ich in Eile bin und nichts auf den Computer übertragen kann, werde ich weiterhin das Smartphone verwenden.

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