Yamaha R-S202dab
Receiver
Freiwillig von 5.1 Surround Sound auf 2.1 wechseln – kann das ein guter Deal sein? Ich habe es getan und bereue es nicht. Mein Heimkino klingt mit einem 1990er-Bose-Speaker-System und Yamaha-Receiver bombastisch.
Im Jahr 2002 verpasste mir ein englischer DJ einen «Ohrgasmus», den ich nie mehr vergesse: Es war Electro Music Evening in einem Pub in Southbourne. Ich hatte bereits einen Smirnoff Alcopop sowie ein Strongbow Cider intus und war gerade dabei, ein 8-Ball Billard Game total zu verpatzen. Als auf einmal dieser frische, noch nie gehörte Trance an mein Ohr drang:
ResuRection von PPK (ППК) traf genau meinen damaligen Musikgeschmack. Der Sound lenkte meine Aufmerksamkeit weg vom Spiel auf eine Anlage, die ich erst nicht ausmachen konnte. Bei genauem Hinschauen entdeckte ich in jeder Ecke des Lokals einen kleinen, diskreten Doppel-Cube-Speaker – und hinter dem Billard-Tisch stand ein Subwoofer an der Wand. Trotz lediglich 16 cm Höhe produzierten die Cubes einen glasklaren, raumfüllenden Sound – begleitet von tiefem, kribbelndem Bass. Gänsehaut pur!
Mächtig beeindruckt ging ich zum DJ – machte ihm ein Kompliment und fragte nach dem Musiktitel, dem Interpreten und dem Soundystem. Der DJ lächelte und steckte mir kurz darauf einen Zettel mit den Informationen zu. Mein Billard-Kumpel, der die Szene beobachtete, machte grosse Augen und schmunzelte.
Beim Setup handelte es sich um ein Bose Acoustimass 5 Serie II, bestehend aus einem Subwoofer und normalerweise zwei Doppel-Cube-Satelliten. Im Pub waren jedoch gleich vier der Lautsprecher installiert. Was mich total geflasht hat, war Multi-Stereo-Sound aus dem Hause Bose.
Von da an wusste ich, dass ich eines Tages auf Teufel komm raus genau dieses böse Bose Acoustimass Speaker System aus den 1990ern besitzen werde.
Mittlerweile besitze ich zwei...
Zwanzig Jahre später klingt der russische Trance noch immer exakt gleich gut. Jedoch wird mir beim Durchhören meiner Sound-Datenbank bewusst, dass es weitaus bessere Musik gibt, um den von mir hochgelobten Klang der Bose-Anlage begeisterten Gästen vorzuführen. Sie macht auch bei Klassik, Rap, Pop, Rock, Industrial und vielem mehr gute Arbeit. Nur Volksmusik bekommt ihr nicht gut – was aber nicht heisst, dass diese nicht auch «fetzig» klingen würde. Im Gegensatz zum Pub nutze ich die Lautsprecher natürlich nicht nur für Musik. Im Schweizer Wohnzimmer dienen sie ebenso dem Filmgenuss und dem Konsolen-Gaming.
Mein Traum-Retro-Speaker-System, das mich während meinem Englandsprachaufenthalt in Ekstase versetzte, liess mir nie Ruhe. Daher habe ich mir bereits vor sechs Jahren ein erstes, gut erhaltenes Acoustimass 5 Series II zugelegt. Doch nutzte ich es bis vor zwei Jahren nur beim Zweit-Fernseher im Schlafzimmer.
Dann folgte ein Umzug und ich entschied, mich vom bisherigen 5.1-Wohnzimmer-Setup zu trennen. Einerseits, weil ich den Bose-Sound hören wollte, andererseits, weil das neue Wohnzimmer sehr begrenzt Steckdosen bietet. Möchte ich die hinteren Speaker eines 5.1-Systems direkt per Kabel betreiben, kann ich diese ausserdem unmöglich diskret verlegen.
Daher verschenkte ich mein bisheriges 5.1-Surround-Sound-System von Sony – das mir über Jahre gute Dienste erwiesen hatte. Und ich kaufte ein zweites Acoustimass. Nun habe ich eines im Wohnzimmer, ein zweites in einem grossen, als Atelier und Bastelraum genutzten Zimmer – und obendrauf besitze ich fürs Schlafzimmer eine 2.1 Soundbar mit aktivem Subwoofer von Samsung.
Die Basis des Acoustimass 5 Series II bildet das Acoustimass Module – der 19,1 x 35,5 x 48 Zentimeter grosse Subwoofer.
Der Subwoofer hat keinen Stromanschluss, wie du es von heutigen Modellen kennst. Genauso fehlt ein Eingang, um das Bass-Signal zu empfangen. Dafür sind klassische Polklemmen des Typs T56/24D vorhanden.
Der Tieftöner empfängt ein reines Stereo-Signal. Dann bereitet er den Sound im Inneren analog auf und gibt entsprechende Signale an die beiden Satelliten-Lautsprecher weiter. Tiefste Frequenzen werden vom Subwoofer mittels zwei 5-¼-Zoll-Treibern (13,3 Zentimeter) in den Raum transportiert, der Rest über die beiden Doppel-Cube-Satelliten.
Praktisch an den 7,9 x 16,2 x 12,1 Zentimeter kleinen Lautsprechern ist, dass sie je zwei Cubes mit 2-½-Zoll-Treibern (6,4 Zentimeter) beherbergen. So kann ich den einen Cube auf die rechte Seite des Sofas richten und den anderen auf die linke. Womit der Stereo-Klang auf der ganzen Sitzfläche ausgeglichen ankommt. Sie hängen bei mir auf zwei Meter Höhe in den Ecken und sind etwas nach unten gerichtet.
Das gesamte System wiegt 13,6 Kilogramm und ist laut Handbuch kompatibel mit Receivern, die 4 bis 8 Ohm und 10 bis 200 Watt pro Kanal bieten. Das Modul soll ausserdem über ein kratzresistentes Satin-Finish verfügen – was bei Betrachtung meiner kaum gealterten Anlage sogar stimmen könnte. Die Cubes verfügen über ein Polymer-Finish – farblich hat Bose eine weisse und eine schwarze Version des Acoustimass auf den Markt gebracht. Die schwarze sieht gebraucht meistens relativ gut aus, wohingegen die weisse oft nur vergilbt zu haben ist.
Mit Glück habe ich einen unvergilbten Tieftöner gefunden: Mein zweites Acoustimass, das zum Musikhören im Atelier genutzt wird, besteht aus einem weissen Acoustimass 5 Serie III Subwoofer und zwei Serie I Doppel-Cubes. Der Subwoofer war bis vor zwei Jahren in der ungeöffneten Verpackung und hat mich mit Versand 155 Schweizer Franken gekostet – die Cubes schlugen mit 130 Franken zu Buche. Was ich vor sechs Jahren fürs erste Bose Setup bezahlt habe, kann ich leider nicht rekonstruieren.
Vor Jahren habe ich das Bose System mit verschiedenen Verstärkern getestet und gemerkt, dass es keinesfalls wie vom Hersteller beschrieben, betrieben werden kann. Von wegen 10 bis 200 Watt: Für einen ordentlichen Klang mit genügend Bass werden 80 Watt oder mehr pro Kanal benötigt.
In meinem Setup setze ich auf einen Yamaha Receiver R-S202DAB. Der bringt 100 Watt pro Kanal. Ausserdem kann ich damit bei Bedarf auch über Bluetooth oder DAB+ Musik hören. Um den Sound vom TV in die Anlage zu schleifen, nutze ich Toslink und einen Stereowandler.
Beim Digital-zu-Analog-Audio-Konverter stört mich, dass seine LED hell leuchtet. Das kann jedoch einfach mit etwas Klebeband gefixt werden.
Der aktive Subwoofer meiner Samsung-Soundbar im Schlafzimmer hat 160 Watt. Damit könnte ich, wenn ich möchte, meine gesamte Nachbarschaft bis in die Tiefgarage ärgern. Der passive Bose-Subwoofer hat hingegen eine geringere Leistung und reicht voll aufgedreht vermutlich nur ein bis zwei Wohnungen weit. Auch er ist mehr als genügend laut und eigentlich wie alle Tieftöner für ein Wohnzimmer überproportioniert.
Um ein ausgewogenes Sound-Erlebnis zu erhalten, schraube ich am Yamaha-Receiver die Höhen etwas – und den Bass etwas mehr – hoch. Ich gehöre zu den Hörern, die den Bass zwar satt mögen, aber nicht so, dass er im Vergleich zu anderen Frequenzen überhandnimmt. Er soll ohrenbetäubend sein, wenn ein Flugzeug im Film über mich fliegt oder ein grosses Monster im Game auf mich zurennt. Jedoch soll er beim Musikhören im Vergleich zu den Höhen und Mitten nicht extremer daherkommen als an einem Open Air.
Im Vergleich zu meiner Samsung-Soundbar klingt der Bass irgendwie authentischer. Er ergänzt die unverfälscht und detailreich klingenden Mitten und Höhen der Doppel-Cubes und sorgt mit ihnen für ein kristallklares, präzises und energievolles Klangbild. Egal, ob ich leise Hintergrundmusik höre oder eine Party feiere.
Weiter wirkt der Stereo-Effekt dank der perfekten Doppel-Cube-Ausrichtung verdammt genau. Daher vermisse ich selbst beim Sandbox-Zocken meine 5.1-Anlage nicht – ich kann auch mit Stereo relativ genau orten, ob sich der Halunke gerade von hinten rechts oder hinten links anschleicht. Dennoch gebe ich zu, dass es nicht dasselbe ist, wie mit Surround Sound. Den vermisse ich jedoch nur, wenn ich ein entsprechend abgemischtes Konzert hören möchte. Oder bei einzelnen Filmszenen mit überragendem Surround-Klang, wie bei der Diva-Dance-Szene im Film The Fifth Element. Dennoch klingt auch das alles mit 2.1-Bose verdammt gut. Und eben, ich habe so oder so das falsche Wohnzimmer für eine Surround-Anlage.
Ich bin Bose unendlich dankbar, weil sie in den 1990ern dafür sorgten, dass ich nun jeden Tag einen «Ohrgasmus» haben kann. Als Fazit passt daher hier «leider geil» wie die Faust aufs Auge.
Abschliessend würde mich interessieren, ob es noch andere böse Jungs und Mädels gibt, die dem neuen Teufelszeug keine Chance geben. Welche alte Anlage ist bei dir noch in Betrieb?
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.