Nokia X30 im Test: Wenn Nachhaltigkeit das Hauptargument ist
Nokia versucht sein Mittelklasse-Smartphone X30 mit Nachhaltigkeit schmackhaft zu machen. Das ist löblich, aber auch verdächtig.
Das X30 ist Nokias aktuelles Top-Smartphone, gehört mit seiner Ausstattung aber zu den Mittelklasse-Modellen. Dies macht sich vor allem beim verbauten Prozessor und der Zahl der Kameras bemerkbar. Beim Gehäuse kommen Recyclingmaterialien zum Einsatz und der Akku soll langlebiger als üblich sein.
Recyclingmaterial stört Design nicht
Im Sinne der Nachhaltigkeit setzt HMD Global, die Firma hinter den Nokia-Smartphones, auf Recyclingmaterial. So besteht der Aluminiumrahmen des X30 zu 100 Prozent aus wiederverwendetem Metall und die Rückseite zu 65 Prozent aus recyceltem Kunststoff. Klingt gut, ist aber auch keine Besonderheit mehr. Auch andere Hersteller greifen immer öfter zu Recyclingmaterial. Negative Auswirkungen auf die Verarbeitungsqualität bemerke ich mit meinen Händen und Augen nicht. Das gesamte Gehäuse ist sogar nach IP67 wasserdicht. Hat in Tests also 30 Minuten in einem Meter Wassertiefe unbeschadet überstanden.
Für den Schutz der Vorderseite nutzt HMD Global Gorilla Glass Victus. Das stabile Glas befindet sich über einem 6,43 Zoll großen AMOLED-Display. Es verfügt über eine Auflösung von 2400 × 1080 Pixeln, eine Bildwiederholrate von 90 Hertz und eine Helligkeit von 450 Nits. Das sind keine Bestwerte, aber der Bildschirm sieht gut aus und ist auch bei Sonnenschein gut erkennbar. Im Vergleich zu anderen Smartphones ist das Display sehr weiß und kühl. In den Einstellungen kannst du ihm aber noch etwas Gelb für mehr Wärme oder Blau für ein noch kühleres Bild beimischen.
Der Fingerabdrucksensor im Display arbeitet zuverlässig und zügig, ist aber nicht der schnellste seiner Art. Die Gesichtserkennung arbeitet sehr fix und einwandfrei. Wie üblich musst du sie um Passwort, PIN-Code und Muster als zweite Entsperr-Option ergänzen.
Zwei Kameras mit flauen Farben und wenig Zoom
Zwei Kameras befinden sich auf der Rückseite des Nokia X30. Das ist für ein aktuelles Smartphone wenig, muss aber kein Nachteil sein. Vor allem bei günstigeren Smartphones ist die dritte Kamera oft so schlecht, dass sie nicht brauchbar ist. HMD Global hat sich beim X30 für eine 50-Megapixel-Hauptkamera und eine 13-Megapixel-Ultraweitwinkelkamera entschieden. Das heißt: der maximal achtfache Zoom ist nur digital.
Wird es auf dem Foto richtig bunt, offenbaren sich die Grenzen des Nokia X30. Im Vergleich zu anderen Smartphones wirken die Farben flau und blass. Sie sind nicht farbecht. Mir fehlt hier Intensität. Die Detailgenauigkeit ist immerhin ordentlich und genügt, um die Schrift auf den Aufklebern gut lesen zu können.
Zum Vergleich: das gleiche Motiv mit dem Pixel 7 Pro.
Sind die Motive weniger bunt, fällt die flaue Farbwiedergabe weniger stark ins Gewicht. Das wird beim Blick auf die Elbphilharmonie deutlich. Ich habe sie auch mit der Weitwinkelkamera abgelichtet und den Zoom genutzt.
Die Weitwinkelkamera schneidet gut ab und vor allem ist sie im Vergleich zur Hauptkamera nicht schlechter. Dass diese bei der Farbwiedergabe noch Luft nach oben hat, ist ein anderes Thema. Der digitale Zoom liefert bei zweifacher Vergrößerung ebenfalls noch brauchbare Bilder. Bei der maximalen, achtfachen Vergrößerung nimmt die Detailgenauigkeit deutlich ab.
Bei Dunkelheit lohnt sich der Nachtmodus. Er hellt das Bild nur geringfügig auf und sorgt vor allem für eine höhere Detailgenauigkeit, die wiederum für ein klareres Bild sorgt.
Die Frontkamera nimmt Selfies mit 16 Megapixeln auf. Das gelingt ihr selbst bei Gegenlicht sehr gut. Die Farben könnten zwar auch hier etwas intensiver sein, aber die Detailgenauigkeit ist hoch. Der Porträtmodus lohnt sich nicht. Die Software schneidet mich zwar ordentlich vor dem unscharfen Hintergrund aus, aber die Grenze besteht aus einer verschwommenen Linie. Als scheine eine Aura um meinen Körper.
Bei Dunkelheit solltest du auch bei der Frontkamera den Nachtmodus aktivieren. Die Bildqualität ist dann auch bei Selfies deutlich besser, aber noch lange nicht herausragend. Allerdings bekommen selbst Smartphones, die zur Spitzenklasse gehören, bei Nacht-Selfies Probleme – wie ich zuletzt beim Mate 50 von Huawei bemerkt habe.
Nutzbare Leistung und ein Akku mit – vermutlich – langer Lebensdauer
Im Nokia X30 steckt der Snapdragon 695. Ihm stehen sechs Gigabyte Arbeitsspeicher zur Seite. Für alltägliche Anwendungen ist das völlig ausreichend. Ich muss beim Start von Apps nicht ewig warten, die Weiterverarbeitung der Bilddaten stellt kein Problem dar und bei der Bedienung ruckelt nichts. Top-Smartphones sind jedoch etwas schneller.
Das wird vor allem beim Blick auf die Ergebnisse von Geekbench 5 sichtbar. Der Benchmark-Test simuliert verschiedene Tätigkeiten und vergibt Punktwerte. Hier bleibt das Nokia X30 hinter anderen Mittelklasse-Smartphones wie dem Nothing Phone (1), Samsung Galaxy A53 oder dem OnePlus Nord 2T zurück. Ausnahme: Die Single-Core-Ergebnisse bei zwei der Geräte.
Geekbench 5 | Single- / Multi-Core | Vulkan | SoC |
---|---|---|---|
Nokia X30 | 657 Punkte / 1926 Punkte | 1188 Punkte | Snapdragon 695 |
Nothing Phone (1) | 816 Punkte / 2970 Punkte | 2476 Punkte | Snadragon 778G+ |
OnePlus Nord 2T | 500 Punkte / 2868 Punkte | 4687 Punkte | Dimensity 1300 |
Samsung Galaxy A53 | 450 Punkte / 1806 Punkte | 2571 Punkte | Exynos 1280 |
OnePlus 8T | 869 Punkte / 3080 Punkte | 3415 Punkte | Snapdragon 865 |
Selbst ein über zwei Jahre altes Top-Modell wie das OnePlus 8T mit dem Snapdragon 865 lässt diese Mittelklasse-Generation bei den Benchmark-Ergebnissen locker hinter sich.
Der Akku ist ein weiterer Punkt, den HMD Global nutzt, um die Nachhaltigkeit des Nokia X30 anzupreisen. Die Batterie soll 800 Ladezyklen halten. Bisher waren 400 bis 500 üblich. Klingt super, kann ich aber nicht innerhalb der kurzen Zeit überprüfen.
Mit 4200 mAh fällt die Kapazität des Akkus eher gering aus. Aber auch der Stromverbrauch ist nicht so hoch. Ich komme mit einer Akkuladung und meiner alltäglichen Nutzung gut über den Tag. HMD Global preist sogar zwei Tage an – dafür müsste ich mich aber bei der Nutzung zurückhalten. Ein Netzteil liegt dem Nokia X30 nicht mehr bei. Es unterstützt aber die Schnellladestandards QuickCharge (QC3.0), PowerDelivery (PD3.0) und Programmable Power Supply (PPS) mit bis zu 33 Watt. Das ist nicht superschnell, aber völlig in Ordnung. Genauere Angaben erspare ich dir, da sie sich nur bedingt auf andere Netzteile übertragen lassen.
Android One und erstmals vorinstallierte Apps
Ab Werk läuft Android 12 auf dem Nokia X30. Beim Start des Smartphones erscheint allerdings nicht der Schriftzug «Android», sondern «Android One». Im Rahmen des Programms erhalten Hersteller Zugriff auf eine nahezu unveränderte Android-Version, die Google mit Updates versorgt. So zumindest die Theorie. In der Praxis ist Nokia damit auch nicht schneller als andere Hersteller, die ihre Benutzeroberflächen anpassen müssen.
Das bedeutet für das X30 konkret: Es gibt immer noch keine Information, wann das Update auf Android 13 erscheinen soll. Kommen soll es aber. HMD Global hat Updates bis Android 15 und Sicherheitsupdates für drei Jahre versprochen.
Ich mag die aufgeräumte Benutzeroberfläche der Nokia-Phones. Allerdings sehe ich beim X30 erstmals bei Nokia vorinstallierte Apps von Drittanbietern. Sieben Stück sind im Vergleich zu Huawei zwar noch eine übersichtliche Zahl, aber für HMD Global ein Dammbruch. Erschwerend kommt hinzu, dass die Deinstallation nicht über das Pop-Up-Menü möglich ist. Dafür muss ich den Weg in die App-Info gehen.
Fazit: Nachhaltigkeit alleine reicht nicht
Vorbildliche Materialien im Gehäuse, ein vernünftiges Display, eine gute Akkulaufzeit, eine unterdurchschnittliche Kamera, mittelmäßige Leistung und erste Schwächen bei der Software: Nach Abwägung aller positiven und negativen Feststellungen, komme ich zu dem Schluss, dass das Nokia X30 selbst für ein Mittelklasse-Smartphone zu wenig bietet.
Es ist schon verdächtig, wenn die Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Argument eines Herstellers für sein Gerät wird. Besser wäre es, er könnte andere Dinge in den Vordergrund stellen. Die Nachhaltigkeit, hier in Form von Recyclingmaterialien beim Gehäuse, sollte eine Selbstverständlichkeit am Rande sein.
Bist du auf der Suche nach einem Smartphone in der Preisklasse des Nokia X30, würde ich dir eher das Nothing Phone (1), das Samsung Galaxy A53 oder das OnePlus Nord 2T empfehlen – diese Telefone überzeugen mich mehr und kosten teilweise sogar weniger.
Titelfoto: Jan JohannsenAls Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Galaxus.de.