Schluss mit dem Grössenwahn in Games: Kleine Karten sind besser
Zum guten Ton eines modernen AAA-Spiels gehört eine riesige Karte. Zu oft ist diese aber mit Copy-Paste-Assets gefüllt. Eine kleinere Karte wäre mir lieber, wenn sie dafür lebendig gestaltet und voller Details ist.
Was dich vielleicht begeistert, lässt meine Alarmglocken läuten. Im Mai teilte Ubisoft im Rahmen der Enthüllung von «Assassin’s Creed Shadows» mit: Die bespielbare Welt des neuen Spiels soll ähnlich gross sein wie in den Vorgängern «Origins», «Odyssey» oder «Valhalla». Also sehr gross.
Das Muster zieht sich durch aktuelle AAA-Games: Die Spielwelten werden immer grösser. Die Entwicklerstudios vermarkten ihre Riesenmaps als Bonus – und wir Gamerinnen und Gamer sind so blöd und schlucken den Köder. Denn grösser gleich besser. Aber ist das wirklich so?
Wie die Spiele der vergangenen Jahre zeigen, ist das ein Trugschluss. Riesige Karten fühlen sich leer an und sind mit Füller-Inhalten gestopft. In «Starfield» kann ich zwar eine schier unendliche Anzahl Planeten besuchen. Doch langweilig ist es auf jedem einzelnen davon.
Ctrl+C, Ctrl+V
Die immer grösser werdenden Maps füllen die Entwicklerstudios per Copy-and-paste. Oder sie lassen Gebiete «prozedural» entstehen. Das heisst so viel wie: Sie schmeissen Assets – also Häuser, Gegner, Bäume und Landschaftsabschnitte – in eine Maschine und lassen sie wild durcheinander würfeln. Hinten raus entstehen nicht identische, aber sehr ähnliche Gebiete.
Als Resultat kämpfen wir gegen die immer gleichen Weltall-Piraten («Starfield»), erobern die immer gleichen Festungen («Skyrim») und erkunden die immer gleichen Dungeons («Diablo 4»). Spärlich gestreute «World Events» sollen uns davon ablenken, dass die Welt leer ist und es zwischen Plot Points nichts zu tun gibt. So hilft der blutrünstige Wikinger Eivor in einer belanglosen Nebenmission in «Assassin’s Creed: Valhalla» einem Mädchen, ihr ausgebüxtes taubes Pferd einzufangen. Oder aber Ubisoft animiert an die 30 zufällig auftretende Fata Morganas, nur damit sich die Wüste in «Assassin’s Creed: Origins» weniger leer anfühlt.
Eine Wüste ist eben auch nur Sand
Zugegeben – auf den ersten Blick beeindrucken mich die weitläufigen virtuellen Sandwüsten in «Assassin's Creed: Origins». Aber ohne etwas zu tun, wird auch die schönste Düne zu einem Haufen langweiligem Sand. Gegner: Fehlanzeige. Loot: Fehlanzeige. Action: Fehlanzeige. Ich habe keinen Grund, mich hier aufzuhalten. Ich will die Wüste so schnell wie möglich hinter mich bringen, um in die nächste Stadt kommen.
Deshalb gefällt mir die überschaubare Karte in «Assassin’s Creed: Mirage» so gut. Relativ schnell habe ich sie komplett erkundet. Zwei, drei Aufträge zeigen mir die Wüste, doch da die Sandlandschaft nicht mehr zu bieten hat, muss ich mich auch nicht länger darin aufhalten. Der Fokus liegt auf der belebten Stadt Baghdad. Der Basar ist geschäftig, Strassenmusikanten und Shishadampf lullen mich ein, hübsche Gebäude locken mit erklimmbaren Fassaden, friedliche Gärten laden zum Verweilen ein. All das kann eine leere Open World mit langweiligen Sandhaufen nicht bieten.
So gross wie nötig, so klein wie möglich
Nicht ohne Grund spielt der Grossteil der Missionen in «Grand Theft Auto V» im Stadtkern von Los Santos, auch wenn er nur etwa ein Drittel der Karte ausmacht. Der Rest besteht aus unbesiedelten Bergen, Feldern und Autobahn – gähn. Die Stadt selbst ist detailreich, handgemacht und lebendig. Das spüre ich. Sie zieht meine Aufmerksamkeit auf sich.
Der Grundsatz im Worldbuilding sollte sein: So gross wie nötig, so klein wie möglich. Ein Meuchelspiel wie «Assassin’s Creed Shadows» hat in der japanischen Landschaft wenig zu gewinnen. Selbst wenn Japans Berge und Wälder wunderschön sind. Deshalb stimmt es mich immerhin ein bisschen optimistisch, dass Ubisoft in der «Ubisoft Forward»-Präsentation den Fokus auf lebendig gestaltete Siedlungen und detailreiche Festungen gelegt hat. Weite Ebenen oder dichte Wälder wurden nicht gezeigt. Das angekündigte Jahreszeiten-System könnte der Open World zusätzliche Facetten verleihen. Meine Hoffnung ist, dass es aus mehr besteht, als einem Farbfilter und ein Paar zugefrorenen Teichen im Winter. Dass die Tages- und Jahreszeiten also einen spürbaren Einfluss aufs Spiel haben.
Manchmal ist kleiner besser
Als Gamer bin ich mir bewusst: Grösser ist nicht gleich besser. Eine Spielwelt spannend zu gestalten, ist aufwendig. Setzt sich ein Entwicklerteam Grenzen, kann es sich darauf konzentrieren, das Vorhandene feinzuschleifen. Deshalb habe ich bei neuen Games nicht die Erwartungshaltung, dass sie immer grösser werden müssen. Ich bevorzuge Spiele, die mich auch nach zwanzig Stunden nicht loslassen, statt mich nach vier Stunden zu langweilen.
Wirklich erfrischend fände ich ein AAA-Spiel, dessen Karte halb so gross ist wie die des Vorgängers. Dafür doppelt so detailreich.
Meine Rückzugsorte tragen Namen wie Mittelerde, Skyrim und Azeroth. Muss ich mich aufgrund von Reallife-Verpflichtungen von ihnen verabschieden, begleiten mich ihre epischen Soundtracks durch den Alltag, an die LAN-Party oder zur D&D-Session.