Produkttest

Shadow-PC im Test: Streamen statt aufrüsten

Kevin Hofer
13.7.2018

Shadow der Firma Blade vermietet dir einen Gamer-PC zum monatlichen Fixtarif – übers Internet. Das heisst, du streamst dir die Inhalte auf ein beliebiges Endgerät. Ob und wie das funktioniert, habe ich ausprobiert.

Fertig sollen die Zeiten sein, in denen du einen grossen Desktop bei dir rumstehen hast. Keine Upgrades mehr und auch kein Elektroschrott. Einfach über eine App oder die Shadow-Box mit dem Shadow-PC verbinden und loslegen. Klingt zu gut um wahr zu sein? Dachte ich mir auch. Seit Jahren hören wir immer wieder, dass die Zukunft des Gamings im Streaming liegt. Damit hat sich kürzlich Kollege Philipp Rüegg auseinandergesetzt.

  • Hintergrund

    Abo lösen statt Konsole kaufen? Gehört die Zukunft dem Streaming?

    von Philipp Rüegg

Wirklich funktioniert hat das Ganze bisher noch nicht. Erste Hands-on, die ich bei einer kurzen Recherche zu Shadow gefunden habe, zeigen, dass es gar nicht mal so schlecht zu funktionieren scheint. So soll sogar ein «CS: GO-Team» Shadow für ein Turnier verwendet haben. Wenn’s sogar für Semi-Pro- oder Pro-Gamer gut genug ist, ist es bei weitem gut genug für mich.

Was kostet’s und was gibt’s dafür?

Als Casual-Gamer auf Konsolen macht für mich ein teurer Gaming-PC zuhause wenig Sinn. Zwar spiele ich ab und zu gerne mal am PC, aber viel Geld ausgeben mag ich nicht. Ich wäre also der perfekte Kandidat fürs Game-Streaming. Ab CHF 39.95 monatlich stellt mir Blade einen PC mit Intel Xeon, 12 GB RAM, eine mit der Nvidia 1080 vergleichbare Grafikkarte und 256 GB Massenspeicher zur Verfügung. Damit sollten alle aktuellen Spiele auf den höchsten Einstellungen laufen (Auflösung wird nicht genau definiert). CHF 39.95 kostet das Angebot übrigens, wenn ich mich für ein ganzes Jahr verpflichte. Es gibt noch zwei weitere Abos. Für drei Monate kostet es CHF 46.95 pro Monat und ein monatlich kündbares Abo CHF 63.95.

Die Box bietet erstaunlich viele Anschlüsse für ihre Grösse.

Als Hardware benötigst du lediglich ein Internet-fähiges Gerät. Das kann ein ausgelutschtes Notebook sein, aber auch ein Handy oder Tablet. Zusätzlich bietet Blade die Shadow-Box an. Dabei handelt es sich um einen Video-Decoder mit AMD Falcon Chip. Die Box kann über Ethernet ans Netzwerk geschlossen werden. Als weitere Anschlüsse verfügt sie über zwei USB-3.0-, zwei USB-2.0-, zwei Display-Port und Mikrophon- sowie Kopfhöreranschlüsse. Die Box spricht vom kantigen Design und den LED-Streifen am ehesten Gamer an. Ich find sie ganz ok, aber auch nicht sonderlich schön.

Im Gegensatz zu den anderen Game-Streaming-Angeboten gibt’s bei Shadow keine Games, die muss ich mir selbst besorgen. Das kann ich über Steam oder andere Anbieter. Was zunächst nicht sonderlich toll klingt, ist aber positiv. Ich bin nicht durch die Spiele-Bibliothek vom Anbieter limitiert. Wenn ich was auf Steam nicht finde, nehme ich einen anderen Anbieter. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich mit Shadow nicht nur Games streame, sondern tatsächlich einen PC. Im Grunde genommen kann ich zuhause auf meinen sowieso nicht vorhandenen Desktop verzichten und nur Shadow verwenden. Damit habe ich einen High-End-PC für rund CHF 480 im Jahr. Rechne ich das mit den Kosten für eine Gamer-Kiste hoch, kommt mir Shadow in vier Jahren etwa gleich teuer.

Erste Eindrücke

Für den Test schliesse ich ein dreimonatiges Abo ab. Die Shadow-Box nehme ich auch. Nach dem Anmeldeprozess und Bezahlen kann ich im Grund genommen gleich loslegen. Mir fehlt aber noch die Box. Deshalb schnappe ich mir ein Test-Notebook und installiere die Shadow-App darauf.

Die Qualität über meinen Hotspot ist alles andere als optimal.
Die Qualität über meinen Hotspot ist alles andere als optimal.

Ich versuche mich zu verbinden. Übers Wi-Fi des Büros funktioniert die Verbindung nicht. Das hat wohl mit den Rechten zu tun, denn über meinen Hotspot klappt die Verbindung. Das ist dann aber auch schon alles. Die Auflösung wirkt immer mal wieder eher wie 640 × 480 als Full HD. Die 4G-Verbindung im Gebäude ist aber auch nicht die schnellste. Blade empfiehlt übrigens mindestens eine 15-Mbps-Leitung. Ich versuch’s zuhause sobald die Shadow-Box da ist.

Was ist tatsächlich drin und was leistet die Hardware?

Gemäss Beschreibung auf der Homepage ist eine Nvidia GTX 1080 ähnliche Grafikkarte verbaut. Was du genau kriegst, weisst du erst, wenn du das Abo gelöst hast. Bei mir ist eine Nvidia GeForce GTX 1080 mit 8 GB physischem Speicher drin. Auch sonst stimmen die Angaben: 12 GB DDR 4 RAM und 256 GB Festplatte. Ja, du hast richtig gelesen, Blade verbaut in seinen Shadow PCs Festplatten und nicht SSDs. Beim Prozessor ist nicht ganz klar welches Modell verbaut ist. Ich habe die Hardware mit vier Programmen ausgelesen. SiSoftware Sandra und Fire Mark geben den Intel Xeon E5-2667 v3 mit 3.2 GHz, 8 Kernen und 16 Threads an. Cinebench und CPU Z den Intel Xeon E5-2620 v4 mit 2.1 GHz, 8 Kernen und 16 Threads.

Jetzt willst du sicher wissen, wie der Shadow-PC bei Benchmarks abschneidet. Leider sind die Ergebnisse etwas ernüchternd. Im 3D Mark Fire Strike erhalte ich Werte um die 12 000 Punkte. Vor allem der Physik-Test und der Kombinierte-Test ziehen die Gesamtscore runter. Der Asus ROG Huracan, den Kollege Martin Jud getestet hat, schaffte im Gegensatz dazu über 15 000 Punkte. Und der kostet um die CHF 1900, also in etwa so viel wie ein Shadow-Abo für vier Jahre.

Im Cinebench R15 schneidet die CPU des Shadow-PCs schlechter ab als der Huracan. Im Schnitt erhalte ich Werte um 750 Punkte im Vergleich zu 1200. Das lässt mich vermuten, dass die Kühlung im Serverraum in Paris nicht optimal ist und die Resultate deshalb gedrückt werden. Im OpenGL erreicht der Shadow-PC um die 70 Punkte und liegt damit auch unter dem Ergebnis des Huracan mit rund 130 Punkten. Zum Artikel von Martin Jud gelangst du übrigens über den untenstehenden Link.

  • Produkttest

    Asus ROG Huracan: Trickkiste oder Fliegenfänger?

    von Martin Jud

Die Box im Test

Drei Tage nach der Bestellung ist die Box bei mir. Erstaunlich schnell, wenn ich bedenke, dass Blade in Frankreich zuhause ist. Da ich die Box nur über Ethernet anschliessen kann und mein Router im Wohnzimmer steht, verwende ich meinen Fernseher als Monitor. Jetzt muss ich mich nur noch an der Box anmelden. Das funktioniert bei der erstmaligen Anmeldung auf einem neuen Gerät übrigens mit Zwei-Faktor-Authentifizierung. Die Verbindung stellt kein Hindernis dar: Auf Anhieb verbindet sich die Box mit dem Shadow-PC.

Jetzt sieht’s anders aus als im Büro: Das Bild ist tatsächlich Full HD. Und dabei ist meine Internetverbindung nicht schnellste. Bei Speedtests erhalte ich meistens zwischen 40 bis 50 Mbit/s. Pinge ich von meinem Heimnetzwerk die Seite shadow.tech an, ergibt das Reaktionszeiten um 12 ms. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass meine Eingaben etwas verzögert wiedergegeben werden. Ich pinge deshalb den Shadow Rechner und nicht die Homepage von meinem Heimnetzwerk mehrmals an. Ich erhalte Werte um die 25 ms. Keine riesige Verzögerung, aber dennoch bemerke ich beim schnellen Hin- und Herbewegen der Maus eine Verzögerung. Mal schauen, wie’s beim Spielen aussieht.

Die Box im Grössenvergleich mit Dingen die ich so rumliegen habe.
Die Box im Grössenvergleich mit Dingen die ich so rumliegen habe.

Ich wähle «Far Cry 5» aus, das ich eigens für den Test runterlade. Das geht extrem schnell. Shadow stellt eine 1 Gbps-Verbindung zur Verfügung. Ich spiele das Spiel in Full HD und mit 60 Hz (mein alter Receiver ist Schuld für die Limitierung). Die weiteren Einstellungen setze ich auf die höchstmögliche Stufe. Das Spiel schaut auch auf einem 55 Zoll grossen Fernseher gut aus.

Nach der kurzen Einführung ins Spiel folgt auch schon die erste Action-Sequenz. Hier bemerke ich keine Verzögerung mehr. Das mag daran liegen, dass mir das in der Hitze des Feuergefechts nicht so auffällt. Ich spiele ein paar Stunden, um einen besseren Eindruck zu erhalten.

Nach ungefähr vier Stunden Gameplay bin ich positiv überrascht. Ich kann keine Einbussen bei der Streamingqualität feststellen. Das Spiel läuft flüssig, trotz nicht überzeugenden Benchmarkwerten. Und auch die Latenz ist für mich als Casual-Gamer kaum spürbar. Bei meinen Fähigkeiten spielt es keine grosse Rolle, wenn die Eingabe um ein paar Millisekunden verzögert ist. Um sicherzugehen, dass mich mein Eindruck nicht trübt, gebe ich Kollege Philipp Rüegg meine Logindaten. Er soll’s auch mal versuchen.

Beim Far-Cry-Benchmark bei 1080p schwankt die Framerate stark und beträgt im Schnitt 40 fps.
Beim Far-Cry-Benchmark bei 1080p schwankt die Framerate stark und beträgt im Schnitt 40 fps.

Philipp Rüeggs Eindruck

Im Gegensatz zu mir verwendet Philipp die App für Windows. Er spielt auch «Far Cry 5» und zwar auf den höchsten Einstellungen bei 2240 × 1080 und 60 Hz. Höher kann er die Einstellungen im ersten Moment nicht drehen, das liegt am Monitor, den Blade dem Shadow PC vorgibt. Erst, als er über die Nvidia-Systemsteuerung zusätzliche Auflösungen für den Monitor aktiviert, funktioniert auch, die für ihn native Auflösung von 3440 × 1440.

Er ist zunächst überhaupt nicht begeistert. Er empfindet den Lag als zu gross. Er versucht auch den PC anzupingen. Bei ihm dauerts nur 15 ms im Gegensatz zu den 25 ms bei mir. Vielleicht liegt's an den Einstellungen der App.

Philipp ändert die Bandwith bei der Shadow-Software auf den Maximalwert von 50 Mbits. Nach einem Neustart scheint alles besser zu funktionieren. Die Verzögerung ist jetzt kleiner. Aber von der Qualität ist er immer noch nicht ganz überzeugt. Im Direktvergleich zum «Far Cry 5 », das über seinen PC läuft, wirkt die Shadow-Version etwas körniger und der Lag der Maus fällt dort noch stärker auf. Kommt hinzu, dass auch das Audio leicht verzögert ist.

Im Grossen und Ganzen findet er, dass Shadow ordentlich funktioniert, aber trotzdem einen Kompromiss darstellt. Der leichte Lag ist für ihn als angefressenen Gamer ein Killerkriterium.

Unbrauchbare Android-App

Da ich Android User bin, konnte ich nur die App für Googles mobile Betriebsplattform testen. Aber das habe ich nicht sonderlich lange getan. Der Grund für meine Nichtbenutzung liegt in der Tatsache, dass ich über den kleinen Smartphone Bildschirm Windows nicht richtig bedienen konnte. Und wenn sich etwas nicht bedienen lässt, lasse ich die Finger davon.

Hinzu kommt, dass sich das Smartphone nur per Wi-fi oder 4G mit dem Internet verbinden lässt. Und wie ich eingangs erwähnt habe, ist die Verbindung dabei so mies, dass der Stream nicht flüssig läuft. Das ging mir übrigens später auch auf meinem Heimnetzwerk so. Der Gedanke, unterwegs AAA-Titel spielen zu können, ist zwar verlockend, aber auf dem Smartphone dann doch eher für die Katz.

Die App hat auch die Verwendung der Shadow-Box gestört. Selbst wenn ich die Android-App geschlossen habe, konnte ich mich nicht an der Box anmelden. Bevor ich das tun konnte, musste ich mich jeweils in der Android-App abmelden. Das entspricht nicht dem Versprechen von Blade, dass ich nahezu nahtlos vom einen aufs andere Gerät wechseln kann.

Fazit

Gleich vorweg: Shadow ist nicht perfekt. Hardcore-Gamer, aber auch Gamer mit etwas gehobenen Ansprüchen und Hardware-Fans werden bestimmt nicht glücklich damit. Dafür sind die Latenzen zu gross und du hast nicht mehr die Kontrolle darüber, was für Teile in deiner Gamer-Kiste verbaut sind. Hinzu kommt, dass die durchgeführten Benchmarks Gamer-Herzen nicht unbedingt höherschlagen lassen.

Für Casual-Gamer, die bereit sind für eine gewisse Zeit etwas Geld in die Hand zu nehmen, ist Shadow aber toll. Steht ein neues Knüller-Game an und du willst es unbedingt spielen, kannst du das auch ohne teuren Gamer-PC. Klar, ganz günstig sind die Abos nicht. Aber du kriegst für den Preis einen vollwertigen PC, mit dem du aktuelle AAA-Games problemlos spielen kannst. Blade garantiert ständige Upgrades der Hardware, damit auch künftige Spiele mit hohen Einstellungen laufen. Um das brauchst du dich also nicht zu kümmern und beim nächsten Top-Titel sollte deine Kiste wieder auf einem neueren Stand sein.

Bei all dem Positiven gibt es auch Negatives. Da ist die App. Etwas vom Unbrauchbarsten was ich je getestet habe. Und sowieso: Spielst du einen AAA-Titel, willst du das bestimmt nicht auf einem 6-Zoll-Handy-Display tun, oder? Ich jedenfalls nicht. Darum: Die App ist unbrauchbar, aber die brauchst du auch nicht.

Die Verbindung ist ein weiterer Kritikpunkt. Zwar sind die Latenzen bei der Verbindung übers Netzwerkkabel für Casual-Gamer vollkommen in Ordnung, per Wifi oder 4G jedoch unterirdisch. Hier ist die Technologie definitiv noch nicht so weit.

Auf die Game-Streaming-Revolution müssen wir also noch weiter warten. Shadow von Blade macht aber einen grossen Schritt in die richtige Richtung.

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