So machst du dein eigenes Public Viewing
Keinen Eintritt bezahlen, Bier zum Ladenpreis und kein Gerammel um einen guten Sitzplatz: Das alles kannst du haben, wenn du dein eigenes nicht so public Public Viewing veranstaltest. Ich sag dir, worauf du dabei achten musst.
Die Fussball-WM macht mit Freunden, einem kühlen Bierchen und einer grossen Leinwand am meisten Spass. Darum gibt es gefühlt an jeder Strassenecke ein Public Viewing. Vom kleinen Café, das den Fernseher nach draussen stellt, bis zu den Megaevents mit tausenden von Zuschauern. Wer's gemütlicher mag und einen Garten hat, der organisiert sein eigenes Public Viewing – sollte die WM schon vorbei sein, kriegst du so immerhin dein eigenes Openair-Kino.
Wenn, dann richtig
Am einfachsten wäre es, den Fernseher in den Garten zu zügeln. Allerdings spiegeln Fernseher grauenhaft. Solange die Sonne am Himmel steht, macht das keinen Spass. In meinem Fall ist das Gerät ausserdem an der Wand montiert und habe keine Lust, das schwere Teil jeden Tag rein und wieder rauszutragen. Ausserdem sind mir 77 Zoll viel zu klein, da könnte ich genau so gut meinen alten Röhrenbildschirm aus dem Keller schleppen. Nein, nein, wenn schon, dann macht man's richtig. Für ein richtiges Public Viewing brauchst du einen Beamer. Je nachdem, wieviel Aufwand du betreiben möchtest, beziehungsweise, wie viel Geld du ausgeben willst, kommen noch ein paar Dinge dazu.
Vorbereitung
Egal, ob du nun auf einen Fernseher oder Beamer setzt, du braucht die richtige Infrastruktur:
- Internet über Kabel oder Wireless
- Kabelrolle
- Tisch und Stühle
- Leinwand für den Beamer
- (Optional): Fernsehkabel, Laptop, Adapter
Je nach Beamer und Software kannst du direkt vom Gerät streamen. Da ich aber keine Lust hatte, auch noch einen Beamer zu konfigurieren, habe ich einfach meinen Laptop angeschlossen. Init7, mein hiesiger Internetanbieter, liefert auch Fernsehen. Das ist deutlich schneller als Zattoo oder der SRF-Stream und ich kanns direkt über den Videoplayer VLC laufen lassen.
Neben einer Kabelrolle und einem Tisch, um den Beamer draufzustellen, brauchst du eigentlich nur noch Internet. Alternativ könntest du als UPC-Kunde zwar auch dein Antennenkabel verlängern, aber damit funktioniert der UHD-Trick nicht, auf den ich später eingehen werde. Der Wireless-Empfang beträgt bei mir im Garten maximal 10 Mbit/s. Etwas knapp zum Streamen. Die einfachste Lösung ist ein Netzwerkkabel in den Garten zu verlegen. Ich brauch dafür allerdings rund 30 Meter. Als kabellose Alternative hab ich das Devolo Outdoor ausprobiert. Das funktioniert über Powerline. Das kleine zylinderförmige Gerät habe ich an einer Steckdose in der Garage angeschlossen – wenige Meter neben dem Laptop. Das Gegenstück Devolo dLAN schliesse ich direkt neben meinem Router an und verbinde es mit einem kurzen Netzwerkkabel. Danach musst du lediglich am Outdoor die Verbindungstaste drücken und innert zwei Minuten die gleiche Taste am dLAN-Adapter betätigen und schon sind die beiden verbunden. Die Einrichtung hat auf Anhieb geklappt.
Allerdings war ich dabei weit von den versprochenen 550 Mbit/s entfernt. Auf maximal 30 Mbit/s habe ich es gebracht. Besser als mein Wlan direkt vom Router, aber immer noch sehr schwach. Darum hab ich's beim Kabel belassen. Das ist ausserdem schön gelb damit niemand draufsteht.
Leinwand oder Tuch
Die letzte Frage, bevor wir zur Wahl des richtigen Beamers kommen, ist: Leinwand oder Tuch? Ein weisses Leinentuch kostet fast nichts und ist einfach angebracht. Die Qualität ist völlig in Ordnung. Wenn du es allerdings richtig machen möchtest, dann liefert eine richtige Leinwand noch mal einen Qualitätssprung. Auch bezüglich Helligkeit hilft eine Leinwand, da sie mehr Licht reflektiert.
Ich hab die Elite Screens Yard Master 2 ausprobiert und bin damit absolut zufrieden. Die Leinwand misst 100 Zoll (Projektionsfläche 220 x 125 cm). Sie kommt in einer relativ handlichen Tasche und wiegt knapp 10 kg. Damit lässt sie sich gut transportieren. Der Aufbau ist kinderleicht und kann sogar von einer Person bewerkstelligt werden. Der Aluminiumrahmen besteht aus einem Stück. Man «faltet» ihn auseinander und rastet ihn an mehreren Stellen mit einem Klick ein. Danach steckst du die beiden Füsse in die vorgesehe Öffnung und schon steht das Grundgerüst. Das Tuch, das aus wetterfestem Material besteht, wird über ein Klicksystem montiert. In maximal 15 Minuten steht die Leinwand. Bei Bedarf kannst du sie mit Schnüren und vier Heringen am Boden befestigen. Durch ihr geringes Gewicht kann sie von zwei Personen leicht verschoben werden. Wenn sie im Freien steht, würde ich sie befestigen, da sie bei einem Windstoss umfällt.
Die Wahl des richtigen Beamers
Als erstes möchte ich nochmal betonen, dass ein Fernseher natürlich eine absolut valable Lösung ist. Steht das Gerät im Schatten, funktioniert das wunderbar. Mein Public-Viewing-Projekt skaliere ich aber ein bisschen grösser. Der Schwachpunkt von Beamern ist die Helligkeit. Scheint die Sonne rein, bleicht das Bild aus. Im Garten kann ich nur schwer die Vorhänge ziehen, also brauche ich ein Gerät mit viel Lumen. Mehr ist aber nicht grundsätzlich besser. So verfügen Business-Beamer zwar über mehr Leuchtkraft, damit sie auch in hellen Sitzungszimmern funktionieren, dafür hinken sie in der Bildqualität. Dennoch, in erster Linie will ich ein Bild sehen, bevor ich über Qualität diskutiere.
Die Projektionsfläche liegt bei mir im Schatten. Alles andere wäre wohl sowieso nur mit Beamern zu bewerkstelligen, die auf Grund ihrer Leuchtkraft einen Waffenschein brauchen. Weil Kollege Luca Fontana für seinen Artikel über Beamer-Technik gleich drei Stück rumliegen hat, leihe ich mir kurzerhand den Benq W1700 aus. «Der müsste reichen», meint Luca. 4K-Auflösung und 2200 Lumen klingen schon mal vielversprechend.
Bei der ersten Inbetriebnahme am Nachmittag sehe ich auf der Leinwand allerdings noch überhaupt kein Bild. Nur in dem ich meine Hand als Leinwand benutze, erkenne ich, ob das Teil überhaupt läuft. Beim 18-Uhr-Spiel sind schemenhafte Umrisse zu erkennen, aber ob da Fussball oder «Die Simpsons» läuft, ist unmöglich zu sagen. Nur wenn ich den Beamer so nahe an die Leinwand rücke, dass das Bild nur noch einen Meter breit ist, erkenne ich etwas.
Beim 20-Uhr-Spiel, bei dem ich natürlich meine Kumpels eingeladen habe, steht die Sonne schon tiefer. Damit lässt sich das Spiel einigermassen mitverfolgen. Das Bild ist aber immer noch stark verblasst und wenn ich in der Wohnung einen Vergleichsblick auf den Fernseher werfe, erschlagen mich die Farben fast. Erst mit der zweiten Halbzeit ist das Bild endlich gut genug, dass ich mich nicht mehr dafür schämen muss. Den Bildmodus habe ich von Anfang an auf «Hell» gestellt, was zwar die Bildqualität verschlechter, aber mehr Lumen gibt. Genützt hat es nichts. Der Benq W1700 ist definitiv nicht für Aussenangelegenheiten gemacht. Darum probier ich noch zwei weitere Geräte aus.
Bei den Kollegen aus der Category steht ein Acer H7850 rum. Das ist ebenfalls ein 4K-Gerät, verfügt aber über 3000 Lumen. Leider reicht auch das noch nicht aus, um die WM zu geniessen, so lange es hell ist. Immerhin erkenne ich damit bereits um 19 Uhr genug, um eine verbleichte Schwarz-Weiss-Version eines Gruppenspiels mitzuverfolgen. Aber wirklich nur, weil es so gemütlich ist im Garten. Zumuten möchte ich das niemandem. Der Unterschied zum Benq W1700 ist insgesamt sehr gering und auch beim Anpfiff um 20 Uhr ist es noch kein echter Genuss. Auch hier habe ich den Bildmodus «Hell» ausgewählt.
Zu guter Letzt habe ich dann noch eine richtige Leuchte ausprobiert. Der Benq SH753 besitzt 4300 Lumen. Das Business-Gerät sinkt in der Bildqualität zwar etwas gegen die beiden Vorgänger ab, dafür kann ich damit um 20 Uhr endlich problemlos ein Spiel geniessen. Da SRF ohnehin immer noch mit unterirdischen 720p sendet (ausser bei SwisscomTV, dazu unten mehr), ist der Qualitätsabfall aber nicht so drastisch. Anders sieht es aus, wenn du das Setup als Openair-Kino benutzt. Da kommt aber ohnehin erst beim Eindunkeln Stimmung auf, weshalb auch die schwächeren, dafür bildstärkeren Modelle ausreichen. Dass aber selbst dieses Modell noch viel zu schwach ist, um vor 20 Uhr vernünftig etwas schauen zu können, hat mich wirklich überrascht. Den Bildmodus auf «Hell» zu stellen hat indes bei diesem Beamer nicht viel gebracht. Die Voreinstellung «User 1» wirkte sogar einen Tick heller.
Der Zuckerguss: Fussball in UHD
Wenn schon 4K- beziehungsweise UHD-Beamer, dann will man die WM doch auch in UHD schauen. Tja, wer kein Swisscom TV besitzt, schaut in die HD-Röhre. Leider hat keiner der anderen TV-Anbieter bei SRF die Lizenz erworben, um die Fussball-WM in der bestmöglichen Qualität auszustrahlen.
Die Österreicher haben es da besser. ORF sendet übers Web oder per App auf unterstützten Geräten in knackigen 3840 x 2160 Pixeln inklusive HDR. Ausserhalb von Österreich geht das allerdings nicht – ausser du setzt auf ein VPN. Das muss allerdings schnell genug sein, um einen UHD-Stream zu übertragen. Falls du es probieren möchtest, musst du ausserdem Edge oder Safari benutzen, da der Browser den H.265-Coden untertstützen muss, wie der Standard schreibt. Dort findest du zudem Links, wie du den Stream im VLC einbinden kannst – analog wie ich es für meinen TV-Anbieter machen musste. Das Ganze hat bei mir problemlos funktioniert, sowohl im Web als auch über die App auf meinem Android TV. Das Bild ist um Welten besser als mit dem normalen HD-Stream von SRF 2. Kollege Luca, der über Swisscom TV die WM ebenfalls in UHD schauen kann, ist genauso begeistert.
Fazit: Je nach Ansprüchen ein einfaches Unterfangen
Ob du nun den Fernseher in den Garten stellst oder doch zur Leinwand mit Beamer greifst, im eigenen Garten Fussball-WM schauen, ist verdammt gemütlich. Solltest du dich für die Beamer-Variante entscheiden, brauchst du allerdings wirklich ein sehr lichtstarkes Gerät. Dein Wohnzimmer-Projektor wird dafür kaum ausreichen. Und nur für ein Public Viewing oder einen Openair-Kino-Sommer einen Beamer kaufen, ist etwas unsinnig. Besonders, weil derart helle Beamer entweder schweineteuer sind oder in der Bildqualität abfallen. Und die wird dir fehlen, wenn du ihn nach dem Sommer oder der WM im Wohnzimmer installierst. Bleibt nur Mieten oder ausleihen. Egal wie du es anstellst, die WM im eigenen Garten zu feiern, lohnt sich jedenfalls.
Verwendete Produkte
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.