Steht «Starfield» stellvertretend für ein grösseres Problem?
«Starfield» beginnt erst nach vielen Spielstunden, wirklich Spass zu machen. Ich will mir den Spielgenuss aber nicht verdienen, sondern von Anfang an Spass haben.
Nach zwölf Spielstunden frustriert mich Bethesdas Sci-Fi-Epos «Starfield» in allen Belangen. Leblose Charaktere, monotone Quests, hirntote Gegner, Fast Travel statt offener Erkundung – du kennst die Kritikpunkte. Die repetitive, unspektakuläre Welt zu erkunden, kostet Überwindung. Allein bin ich mit meiner Wahrnehmung nicht. Kollege Phil schreibt in seiner «Starfield»-Kritik: «Es dauert fast 20 Stunden, bis Spannung aufkommt.» Auch Domi konstatiert: «Zunächst bin ich vom Spiel enttäuscht.» Die Erlösung scheint also greifbar nah. Denn auch gemäss meinem Freundeskreis wird das Game mit der Zeit immer besser.
«Starfield» ist nicht das erste Spiel mit langwierigem Einstieg. Auch «The Witcher 3: Wild Hunt» konnte mir die Geschichte in den ersten Stunden nicht prägnant genug auslegen. Ich habe es nie über die Eröffnungssequenz hinaus geschafft.
«Death Stranding» verliert mit seinen langen Filmsequenzen innerhalb der ersten Gameplay-Stunden einen beträchtlichen Teil des Publikums. Das Achievement «Rebuilding America», das es nach Abschluss der ersten von 14 Episoden gibt, haben 80 Prozent der Steam-User erreicht. Wer auch Episode 2 absolviert, erhält das Achievement «We Need You», das sind auf Steam nur noch etwa 50 Prozent.
Ähnlich schaust du bei «Red Dead Redemption 2» von Rockstar Games zu Beginn viel Film, bevor du die Zügel in die Hand nimmst. Die ersten Stunden verbringst du hauptsächlich damit, von A nach B zu reiten, mit Leuten zu reden und Cutscenes zu schauen. Mich persönlich schreckt das ab. Viele Spielerinnen und Spieler kritisieren, dass das Cowboy-Game erst nach zwei Kapiteln richtig beginnt, Spass zu machen.
So stark starten andere Games
Der Einstieg in ein grosses, neues Game muss nicht so zäh sein. Das haben viele Studios bereits bewiesen – selbst Bethesda. Bestes Beispiel ist die ikonische Anfangssequenz von «The Elder Scrolls: Skyrim»: «Hey, you! You’re finally awake.» In der ersten Stunde erstellst du deinen Charakter, überlebst einen Drachenangriff, lernst während der Flucht die wichtigsten Handgriffe und erhältst gleich die erste, wegweisende Mission einer langen Hauptstory. Die setzt dich als «Dragonborn» schnell ins Zentrum des Geschehens und gibt dir ein klares Ziel.
Viel besser als in «Red Dead Redemption 2» löst Rockstar Games den Einstieg in «Grand Theft Auto V»: Du überfällst eine Bank im hohen Norden. Füllst deine Taschen mit Geld. Flüchtest im Auto vor der Polizei. Nimmst eine Geisel. Verlierst einen Freund an einen Scharfschützen. Das ist erstklassige Action – und ganz nebenbei lernst du die Grundmechaniken des Spiels, ohne es zu merken.
Immer gut abgeholt fühlte ich mich von den «Assassin’s Creed»-Spielen. Häufig startest du als noch nicht ausgebildeter Assassine ohne Waffen, dafür mit ausgeprägten Überlebensinstinkten und einem Talent für Parkour. Nach und nach lernst du dazu: Vom Faustkampf über den Schleichangriff bis zum offenen Gefecht gegen mehrere Gegner. Im für mich richtigen Tempo führt «Assassin’s Creed» dich an die Fähigkeiten und das Arsenal der Assassinen heran. Nebenbei wird die Geschichte aufgerollt.
Ich will Spass – und zwar von Anfang an
Ich finde es schade, wenn sich Games, Bücher, Filme oder Serien für den Eröffnungsakt zu viel Zeit lassen oder er holprig daherkommt. Ich will mir meinen Spass nicht verdienen müssen. Ich will unterhalten werden – und zwar von Anfang an.
Mit bald 30 Jahren ist meine Zeit heute knapper und kostbarer als früher. Vielen Gleichaltrigen geht es ähnlich. Überzeugt ein Spiel nicht schon in den ersten Stunden, besteht das Risiko, dass ich es zur Seite lege. Deshalb ist es für mich ein schwacher Trost, wenn mich der Anfang von «Starfield» frustriert, mir aber gesagt wird, dass es bergauf geht.
Trotzdem überwinde ich mich noch ein letztes Mal und starte «Starfield». Die lästigen Aspekte versuche ich zur Seite zu schieben und mich auf das Spielerlebnis zu konzentrieren. Vielleicht offenbart sich mir «Starfield» doch noch in seiner ganzen Pracht. Ich hoffe es.
Titelbild: BethesdaMeine Rückzugsorte tragen Namen wie Mittelerde, Skyrim und Azeroth. Muss ich mich aufgrund von Reallife-Verpflichtungen von ihnen verabschieden, begleiten mich ihre epischen Soundtracks durch den Alltag, an die LAN-Party oder zur D&D-Session.