Tandem OLED ist der helle Wahnsinn
Hintergrund

Tandem OLED ist der helle Wahnsinn

Am Produktkonzept des iPad Pro scheiden sich die Geister. Doch sein neues Display ist über jeden Zweifel erhaben. Noch nie habe ich eine solche Kombination aus Helligkeit, Kontrast und Farbgenauigkeit gesehen.

Apple setzt im iPad Pro eine neue Art von Display ein: Tandem OLED. Die Technologie klang schon bei der Präsentation spannend. Statt nur ein OLED-Panel zu verbauen, stapelt Apple zwei davon übereinander. Das Konzept ist nicht neu. Doch die Kalifornier bringen es als erste in einem Consumer-Produkt dieser Grösse auf den Markt.

Apple iPad Pro 13 2024 (M4) (nur WLAN, 13", 256 GB, Space Black)
1448,– EUR

Apple iPad Pro 13 2024 (M4)

nur WLAN, 13", 256 GB, Space Black

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Tablet
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Die zwei gestapelten Panels sind heller als ein einzelnes. Gleichzeitig sollen die bekannten OLED-Vorteile erhalten bleiben – perfekter Schwarzwert, geringe Bewegungsunschärfe, gute Farbraumabdeckung, hohe Blickwinkelstabilität. Dieses Versprechen klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Ich habe deshalb die 13 Zoll grosse Version des iPad Pro mit professionellem Werkzeug und Software von Portrait Display vermessen.

Die Resultate hauen mich aus den Socken.

Helligkeit: blendend

Beginnen wir beim Schlagzeilen-Feature – der Helligkeit. Apple verspricht bildfüllend 1000 Nits und eine Spitzenhelligkeit von 1600 Nits. Das ist mehr als bei jedem anderen gleich grossen oder grösseren OLED-Display. Zum Vergleich: Die hellsten OLED-Laptops kommen Vollbild auf maximal 600 Nits. OLED-TVs und -Monitore gerade mal auf 250 Nits.

Die Tests bestätigen Apples Behauptungen: Ich messe bildfüllend 1015 Nits. Bei SDR-Inhalten schaltet das iPad diese Helligkeit nur frei, wenn der integrierte Sensor eine helle Umgebung erkennt – zum Beispiel direktes Sonnenlicht. In normalen Innenräumen beschränkt Apple die SDR-Helligkeit auf gut 500 Nits, unabhängig von der Testfenster-Grösse.

OLED-Displays können ihre versprochene Spitzenhelligkeit nur in einem gewissen Bereich abrufen – zum Beispiel einem Zwei-Prozent-Fenster. Diese Prozentangabe bezeichnet genau genommen das «Average Picture Level» (APL). In der Praxis ist das APL jedoch meist höher als ein paar Prozent. Bei einem komplett weissen Bild beträgt es 100 Prozent. Je langsamer die Spitzenhelligkeit eines Displays bei steigendem APL abfällt, desto besser.

Anders sieht es bei HDR-Inhalten aus. Dort strahlt das Display auch bei normalen Lichtverhältnissen mit 1000 Nits in einem 100-Prozent-Testfenster. Und es kommt noch besser: In einem 50-Prozent-Fenster liegen bis zu 1635 Nits drin. Das ist unverschämt gut. Das neueste «normale» Panel im LG G4 erreicht erst bei viel kleineren Testfenstern Werte jenseits von 1000 Nits.

In den Anzeige-Einstellungen des iPad Pro lässt sich zudem ein Referenzmodus aktivieren. Dieser ist für Filmemacher gedacht, die auf dem Tablet Color Gradings von Videos machen wollen. Standardmässig fixiert der Referenzmodus die HDR-Helligkeit auf 1000 Nits. Das ergibt Sinn, denn die meisten Inhalte werden auf diesen Standard angepasst. Hast du ein Colorimeter, um dein Display zu vermessen, kannst du in den erweiterten Einstellungen auch ein anderes Ziel für Weissabgleich und Helligkeit eingeben.

In den Einstellungen kannst du Abweichungen bei Weisspunkt und Helligkeit kompensieren. Dazu brauchst du allerdings zuerst die nötige Hard- und Software, um das Display zu vermessen.
In den Einstellungen kannst du Abweichungen bei Weisspunkt und Helligkeit kompensieren. Dazu brauchst du allerdings zuerst die nötige Hard- und Software, um das Display zu vermessen.
Quelle: Samuel Buchmann

Kontrast: Schwarz ist das neue Schwarz

Helle Bildschirme gibt es nicht erst seit gestern. Schon das 12,9 Zoll grosse M2 iPad Pro mit Mini-LED-Display kam auf 1000 Vollbild-Nits und einen guten Schwarzwert. Hast dein iPad wie meines noch ein Display mit gewöhnlicher LED-Hintergrundbeleuchtung, wird Schwarz eher zu Dunkelblau. Bei jedem LCD schlechter ist zudem die trennscharfe Abgrenzung von Hell und Dunkel.

Schwarz wirkt auf meinem alten iPad Pro mit LCD-Display (links) eher dunkelblau. Highlights wie das weisse Kreuz leiden zudem an Blooming. Mit dem Mini-LED-Backlight des M2 iPad Pro wäre der Schwarzwert bereits besser. Mit dem neuen Tandem-OLED-Display verschwinden beide Probleme.
Schwarz wirkt auf meinem alten iPad Pro mit LCD-Display (links) eher dunkelblau. Highlights wie das weisse Kreuz leiden zudem an Blooming. Mit dem Mini-LED-Backlight des M2 iPad Pro wäre der Schwarzwert bereits besser. Mit dem neuen Tandem-OLED-Display verschwinden beide Probleme.
Quelle: Samuel Buchmann

OLED-Displays können einzelne Pixel komplett ausschalten. Dann sind sie schwarz, selbst wenn das benachbarte Pixel weiss leuchten muss. Bei Mini-LED geht das nicht. Dort entsteht um helle Bereiche ein Lichthof, weil die LED-Zonen ganze Bereiche statt einzelnen Pixeln beleuchten. Der Effekt nennt sich «Blooming». Er ist vor allem bei wenig Umgebungslicht in dunklen Filmszenen sichtbar – etwa, wenn ein Raumschiff durch das schwarze Weltall fliegt. Beim M4 iPad Pro gibt es dieses Blooming nicht mehr.

Die Blickwinkelstabilität ist ebenfalls besser als bei LCD. Auch schräg betrachtet sieht das Bild knackig aus und die Farben bleiben gleich. Beim alten iPad Pro wird aus der gleichen Perspektive Weiss zu Grau.

Von vorne betrachtet, sind diese beiden Displays gleich hell eingestellt. Doch von der Seite lässt der Kontrast beim LCD (links) rasch nach. Beim OLED-Display (rechts) bleibt er ziemlich konstant.
Von vorne betrachtet, sind diese beiden Displays gleich hell eingestellt. Doch von der Seite lässt der Kontrast beim LCD (links) rasch nach. Beim OLED-Display (rechts) bleibt er ziemlich konstant.
Quelle: Samuel Buchmann

Farben und Grautöne: schiere Perfektion

Eine weitere Stärke von Apples neuem Display ist seine Farbgenauigkeit. Ich habe schon viele Monitore vermessen. Keiner davon war ab Werk so gut kalibriert wie das iPad Pro. Schon im normalen Bildmodus sind Graustufen und Weissabgleich praktisch perfekt. Im Referenzmodus traue ich meinen Augen kaum: die EOTF- und Luminanzkurven für HDR-Inhalte folgen den Sollwerten so genau, dass die Messung fast nicht als eigene Linie erkennbar ist.

Die EOTF-Kurve ist das HDR-Äquivalent zur Gammakurve. Folgt die graue Linie (Messwert) nicht der gelben (Sollwert), sind die Grautöne nicht akkurat abgestuft. Darüber ist das entsprechende Grau zu hell, darunter zu dunkel. In der Grafik rechts oben siehst du, in welchen absoluten Helligkeitswerten (in Nits) der Monitor die Graustufen darstellt. Das Diagramm unten zeigt die Farbbalance im HDR-Modus. Sind die Linien unter 100, enthält der Grauton zu wenig von dieser Farbe, über 100 zu viel.
Grayscale-Messung im Referenzmodus in einem 25-Prozent-Messfenster.
Grayscale-Messung im Referenzmodus in einem 25-Prozent-Messfenster.

Auch die Farbgenauigkeit ist der helle Wahnsinn – im HDR-Farbraum DCI-P3 messe ich ein durchschnittliches DeltaE von gerade mal 0,5. So was gibt es normalerweise nur bei professionell kalibrierten Monitoren. In der Summe bedeutet das: Filme sehen auf dem M4 iPad Pro exakt so aus, wie sie aussehen sollen. Umgekehrt eignet sich das Tablet für Kreativschaffende als farbverbindliches Referenzdisplay. Die äquivalente Genauigkeit kostet bei spezialisierten Monitoren zehntausende von Franken.

Die Grafik oben links zeigt dir, wie gut ein Display den gewählten Farbraum abdeckt. Unter 100 % kann der Monitor nicht alle Farben anzeigen. Der Color Checker oben rechts prüft, wie stark Farben von ihren Sollwerten abweichen. Die weissen Quadrate sind die Sollwerte, die Punkte die Messwerte. In der unteren Grafik siehst du die Abweichungen als dE2000-Werte. Alles unter der grünen Linie ist unsichtbar, alles unter der gelben noch immer sehr gut und alles unter der roten passabel.
DCI-P3-Farbgenauigkeit ohne Luminanz-Fehler im Referenzmodus.
DCI-P3-Farbgenauigkeit ohne Luminanz-Fehler im Referenzmodus.

Reaktionszeit: Tschüss Ghosting

Ein weiterer Vorteil des Tandem OLED gegenüber dem alten Mini-LED-Display ist die schnellere Reaktionszeit der Pixel. Sie reduziert die Bewegungsunschärfe drastisch und ist nicht nur in Games wichtig. Auch beim Scrollen einer Website bleibt der Inhalt während der Bewegung deutlich schärfer als auf alten iPads. Hast du dich einmal an diese Klarheit gewöhnt, ist das Ghosting der alten Panels fast nicht mehr auszuhalten.

Aufnahmen von Objekten in Bewegung. Auf dem OLED-Display (rechts) wechseln die Pixel ihren Zustand so schnell, dass kaum Ghosting entsteht. Ganz anders als beim Mini-LED-Display (links).
Aufnahmen von Objekten in Bewegung. Auf dem OLED-Display (rechts) wechseln die Pixel ihren Zustand so schnell, dass kaum Ghosting entsteht. Ganz anders als beim Mini-LED-Display (links).
Quelle: Samuel Buchmann

Die Reaktionszeit ist nicht zu verwechseln mit der Bildfrequenz. Apples ProMotion-Technologie variiert die Wiederholrate beim M4 iPad Pro von 10 bis 120 Hertz. Beim M2 iPad Pro waren es noch 20 bis 120 Hertz. Während Bewegungen also nicht flüssiger geworden sind, reduziert die tiefere minimale Bildfrequenz den Energieverbrauch bei statischen Inhalten.

Das iPad verdirbt mir alle anderen Displays

Auf meinem Tisch stehen stets Testgeräte der neuesten, tollsten und teuersten Gaming-Monitore – momentan die neuen 4K-OLEDs. Ich habe bereits viel Gutes über sie geschrieben. Doch leider sind sie jetzt plötzlich alle schlecht.

Samsungs Odyssey OLED G8 gehört zu den besten Gaming-Monitoren, die es gibt. Doch gegen das iPad Pro (links unten) sieht er alt aus. Beide Displays laufen hier auf voller HDR-Helligkeit.
Samsungs Odyssey OLED G8 gehört zu den besten Gaming-Monitoren, die es gibt. Doch gegen das iPad Pro (links unten) sieht er alt aus. Beide Displays laufen hier auf voller HDR-Helligkeit.
Quelle: Samuel Buchmann

Im Ernst: Natürlich gewöhnt sich unser Hirn nach einer Weile an alles. Und wenn du auf deinem iPad nur Zeitung liest, brauchst du dafür keine 1600 Nits und perfekte Farbtreue. Doch in einem direkten Vergleich übertrumpft Tandem OLED jedes andere Consumer-Display. Nicht nur im Labor, sondern auch in der Praxis. Nicht nur ein bisschen, sondern um Längen.

Das gilt besonders bei HDR-Inhalten. Ich schaue mir einige Demo-Videos auf YouTube und ein paar Serien auf Amazon Prime an. Noch nie habe ich eine so lebensechte Bildqualität gesehen. Die Farben wirken satt, intensiv, leuchtend und trotzdem nicht unnatürlich. Auch die dunkelsten und hellsten Bereiche strotzen vor Details. Und als im «Fallout»-Finale ein Ritter der Bruderschaft seine Gattling Gun feuert, werde ich von den Lichtblitzen geblendet.

Gegenlichtszenen mit hohem Dynamikumfang sehen auf dem neuen iPad Pro umwerfend aus.
Gegenlichtszenen mit hohem Dynamikumfang sehen auf dem neuen iPad Pro umwerfend aus.
Quelle: Samuel Buchmann

Der Mini-LED-Bildschirm meines MacBook Pro sieht besonders in dunklen Bereichen schlechter aus. Der neueste QD-OLED-Monitor von Samsung wirkt blass neben dem neuen iPad. Von meinem fünf Jahre alten WOLED-TV von LG reden wir gar nicht erst. Na super. Danke, Apple.

Ok cool, jetzt bitte auch in nützlichen Geräten

Die einzigen Displays, die aktuell mithalten können, stecken in Smartphones. Hier gibt es bereits seit längerem OLEDs mit einer vergleichbaren Helligkeit. Je kleiner das Display, desto einfacher lässt sich diese erreichen. Bloss wirkt sie auf einer so winzigen Fläche viel weniger beeindruckend. Die 13 Zoll des iPad Pro sind da schon besser – aber ebenfalls noch relativ klein.

Smartphones wie das iPhone 15 Pro (oben) können mit Tandem OLED mithalten. Auf so kleinen Displays wirkt die Bildqualität aber nicht ansatzweise so beeindruckend wie auf dem 13-Zoll-iPad.
Smartphones wie das iPhone 15 Pro (oben) können mit Tandem OLED mithalten. Auf so kleinen Displays wirkt die Bildqualität aber nicht ansatzweise so beeindruckend wie auf dem 13-Zoll-iPad.
Quelle: Samuel Buchmann

Kommt dazu, dass ich mit Tablets grundsätzlich wenig anfangen kann. Ich hole mein iPad höchstens für die Ferien aus der Versenkung. Und genau in diesem Gerät könnte ich jetzt das beste Display aller Zeiten haben? Perlen vor die Säue! Natürlich gibt es auch Leute, die ihr Tablet lieben. Für wen sich das iPad Pro eignet, erfährst du im Gesamttest von Kollegin Michelle.

  • Produkttest

    iPad Pro 2024 im Test: überpowertes Kreativwunder

    von Michelle Brändle

Es bleibt zu hoffen, dass die gestapelte OLED-Technologie so schnell wie möglich den Weg in nützlichere Produkte findet: Laptops, Monitore, Fernseher. Ich will in dieser Bildqualität zocken, arbeiten und Filme schauen. Da Tandem OLED anscheinend sogar weniger anfällig für Burn-in ist, wird der einzige Nachteil wohl der hohe Preis sein – zwei Panels sind teurer als eines.

Egal. Shut up and take my money.

Titelbild: Samuel Buchmann

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann wahrscheinlich an meinen Fingerspitzen mitten in einer Felswand.


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