Hintergrund
«The Mandalorian», Staffel 2: «Kapitel 14: Die Tragödie»
von Luca Fontana
Keine neuen Jedi. Und trotzdem: Begeisterung. Denn das nächste Mandalorian-Kapitel erzählt eine Geschichte, wie es nur «The Mandalorian» kann – und wandert dabei auf den Spuren «Game of Thrones»’.
Eines vorweg: Das ist eine Folgenbesprechung. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst «The Mandalorian – Chapter 15: The Believer» an, bevor du weiterliest.
Es geht aufs Ende zu. Din Djarin hat auf seiner Suche nach Jedi die halbe Galaxis durchkreuzt. Gegen Krayt-Drachen gekämpft. Und Eisspinnen. Djarin ist Mandalorianern begegnet, hat Ahsoka Tano gefunden und Boba Fett seine ikonische Rüstung zurückgegeben. Zuletzt aber hat Djarin, der Mando, vor allem eines: Grogu, das Kind, verloren. Ans zerstört geglaubte Imperium. Ausgerechnet.
Zeit für eine Revanche.
Was zunächst noch recht unspektakulär beginnt, entpuppt sich als eine der besten «The Mandalorian»-Folgen bisher. Vielleicht gar als die beste überhaupt. Das sind die besten WTF-Momente und Easter Eggs der Folge.
Schrott. Überall Schrott. Grosse, metallene Konstrukte aus Durastahl, Wracks, Container und Überbleibsel dessen, was imperiale Tie-Fighter und AT-STs gewesen sein müssen. Schutt und Dreck türmt sich dazwischen auf. Menschen in heruntergekommenen, gelben Westen wühlen unter Aufsicht rigider Bewachungsdroiden der Neuen Republik, die keine falsche Bewegung dulden.
Das sind die Karthonischen Schrottfelder. Genau da befindet sich Migs Mayfeld, Ex-Scharfschütze des Imperiums und einer derjenigen Söldner, die Din Djarin in «Chapter 6 – The Prisoner, betrogen und an die Neue Republik hätten ausliefern wollen. Nur ging der Plan nach hinten los. Statt Djarin landete Mayfeld in die Gewalt der neuen Guten der Galaxis.
Djarin braucht Mayfeld, weil dieser als Ex-Imperialer die Koordinaten des leichten Kreuzers des Moff Gideon kennen könnte. Schliesslich ist es der Moff, der Grogu, das Kind, in Gefangenschaft hält. Mayfeld kann tatsächlich helfen. Muss dafür aber an ein internes Imperiales Terminal gelangen. Etwa so eines wie auf Morak, wo sich ein geheimes, imperiales Bergbauzentrum befindet.
So. Jetzt bin ich hochoffiziell besorgt. Ich mochte den von Bill Burr gespielten Mayfeld aus der ersten Staffel nicht. Grund-unsympathisch und gleichzeitig reizlos. Und jetzt blüht mir so eine Folge, in der er die Crew rund um den Mando, Dune, Fett und Shand in ein geheimes Zentrum infiltrieren soll?
Dank Farrik!
Immerhin: Es dauert keine zwei Sekunden, bis ich das komische Gefühl einer Fanmade-Serie aus dem letzten Kapitel wieder los bin. Du weisst schon. Tython, der Planet mit dem sehenden Stein. Der bestand aus nichts als kargen Felsen, Gebüschen, ein Haufen Steine und ein paar Leute, die Cosplay inmitten von Steinen betrieben.
Und glaub mir: Du hast keine Ahnung, wie schwer es mir als Hardcore-Star-Wars-Fan fällt, sowas auch nur zu denken. Geschweige denn zu schreiben. Öffentlich.
Gut, kommt das Gefühl hier nicht wieder auf. Keine Chance. Einfach schon dank den wunderschönen Shots der Slave 1, dem ikonischen Raumschiff des Boba Fett. Sowas zum Beispiel.
Und dann kommt da der Boba Fett mit seiner frisch gestrichenen Rüstung die Rampe runter marschiert, sein Blastergewehr in der Hand wie einst in «Star Wars: Episode V: The Empire strikes Back».
Wie geil ist das denn?
Ein Shot später. Die Crew sitzt im Bauch der Slave 1. Während das Raumschiff von seiner waagrechten Parkposition in die senkrechte Flugposition wechselt, ändert sich die Schwerkraft für die Insassen kaum. Offenbar rotiert die Karosserie der Slave 1 um diesen Innenbereich herum. Sowas sehen wir Star-Wars-Fans zum ersten Mal.
Ich sag’s nochmal. Aber mit mehr Begeisterung: Dank f*cking Farrik!
Und dann so ein Shot, die Slave 1, ich greife schon zum Ende der Folge vor, zur seismischen Bombe:
Das «YESSS!» kann ich mir kaum verkneifen. Nicht bei solchen Dingen. Das erinnert mich an dieses Kribbeln im Bauch, das du dann hast, wenn man sich frisch verliebt. Klinge ich verrückt?
Szenenwechsel. Auf Morak kapern Djarin und Mayfeld einen imperialen Bodentransporter, der Rhydonium – gefährlicher, hochexplosiver Rohstoff für Raumschiff-Treibstoff – von einer Bergbaumine zum nächstgelegenen, aber dennoch weit entfernten imperialen Lager transportiert. Nur so können die beiden unerkannt ins Innere der Anlage dringen, wo sie via Terminal auf die gesuchten Koordinaten zugreifen können.
Dune und Shand beobachten aus der Ferne. Fett hält sich mit der Slave 1 für die geplante Luft-Evakuierung bereit.
Damit Mando auch im Inneren unerkannt bleibt, muss er seine Beskar-Rüstung ablegen, diejenige eines Imperialens anlegen und dabei nicht sein Gesicht zeigen – eine erste, persönliche Gefährdung seines religiösen Eifers, den er von den Kindern der Watch eingeimpft bekommen hat. Ohne es zu wissen, vermutlich.
This is… not the way.
Dann durchqueren Djarin und Mayfeld den Dschungel. Fahren durch ein Eingeborenendorf. Die Bewohner blicken sie an. Sie und ihre dunkle Rüstung. Hass lodert in ihren Augen. Was das Imperium ihnen wohl angetan hat? Die Frage stellen sich nicht nur wir Zuschauer, sondern auch Djarin. Als ob Mayfeld Gedanken lesen könnte, sagt er:
«Imperium. Neue Republik. Für die ist’s dasselbe. Du glaubst, all die Menschen, die in Kriegen starben, die von Mandalorianern geführt wurden, hatten tatsächlich eine Wahl? Wie unterscheiden sich Mandalorianer dann vom Imperium?»
In Djarins Kopf rattert’s. In meinem auch.
«Bist du auf Mandalore geboren, glaubst du das eine», sagt Mayfeld weiter, «bist du auf Alderaan geboren, glaubst du was ganz anderes. Aber weisst du was? Keiner von beiden existiert mehr.»
Mayfeld redet vom Krieg. Vom Tragen von Uniformen. Vom Befolgen von Befehlen. Blind einer Ideologie folgend, die woanders als das pure Böse gilt. Aber nicht auf Mayfelds Welt. Gute und Schlechte – beide gibt es auf beiden Seiten jedes Konfliktes. Wer ist aber nun im Recht?
Mayfeld lässt in seine imperiale Vergangenheit blicken. In eine Zeit, in der er Dinge getan habe, auf die er nicht stolz sei. Eine Zeit, in der seine Sicht auf die Dinge wohl genauso eingeschränkt war, wie die Sicht aus seinem Sturmtruppler-Helm. Danach habe er einfach nur zu überleben versucht. Und zwar so, dass er abends noch in den Spiegel blicken konnte. Mayfelds düsteres Gesicht verrät, dass ihm das womöglich nicht geglückt ist.
Warte mal. Fange ich gerade an, Mayfeld zu mögen?
Keine Zeit für Sentimentalitäten. Noch nicht. Piraten greifen an. Kleine Gleiter, wohl von der Repulsorlift-Technologie angetrieben, greifen den Transporter an. Und Regisseur Rick Famuyiwa, der diese Episode nicht nur inszeniert, sondern auch geschrieben hat, lässt es krachen. Vor allem mit Djarin, der endlich wieder den übelsten Motherfucker raushängen lassen darf, den es in der Galaxis gibt.
This is the way.
Auf dem Dach des Transporters knallt Djarin einen Piraten nach dem anderen ab. Mal im Nahkampf, mal im Fernkampf. Im dreckigen Dschungel-Setting mit leichtem Sepia-Ton erinnert die ganze Szenerie an einen Vietnam-Kriegsfilm. Irgendwie mag ich das. Wieder was Neues, dass ich in «Star Wars» noch nicht zu sehen gekriegt habe.
Der grosse WTF-Moment kommt aber zum Schluss der Action.
Djarin kämpft bis zur Erschöpfung. Einen Piraten nach dem anderen befördert er ins Jenseits. Weniger werden sie nicht. Im Gegenteil. Die Überzahl ist zu gross. Zu mächtig. Die Situation scheint ausweglos. Dann: Blaster-Schüsse. Von hinten, über Djarins Schulter hinweg. Treffsicher töten sie ihre Ziele. Dazu kommen TIE-Fighter.
Das Imperium rettet den Tag.
Die Szene ist grossartig: «YES», rufe ich aus. Ludwig Göranssons Musik dröhnt triumphal. Sturmtruppler, die Helden des Tages. Wer hätte das gedacht. Ich nicht. Nicht nach 30 Jahren Star-Wars-Fantum. Aber hier bin ich und feuere Imperiale an. Das war es wohl, was Mayfeld eine philosophische Szene zuvor gemeint hat.
Dammisiech, Mayfeld. Hör gefälligst auf, mir ans Herz zu wachsen!
Wir kommen zum Punkt der ganzen Episode. Zu Din Djarins faszinierender Entscheidung. Um an die Koordinaten des imperialen Terminals zu gelangen, muss sich der Benutzer erst einem Gesichtsscan unterziehen. Eigentlich Mayfelds Job. Djarin darf ja seinen Helm nicht ausziehen. Mayfeld aber erkennt in der Offiziersmesse, wo das Terminal steht, denjenigen Offizier, unter dem er einst gedient und getötet hatte.
«Unmöglich. Wenn er mich erkennt, war’s das. Ich bin raus.»
Djarin ist am Zug. Er tritt ans Terminal. Versucht, sich ins System einzuloggen. Der Scanner scannt seinen Helm. Fehlermeldung. Mayfelds Ex-Offizier blickt schon verdächtig rüber. Könnte jederzeit Alarm schlagen. Inmitten eines Imperialen Rohstofflagers. Was jetzt?
Djarin, der einstmals Getreue, zieht den Helm aus.
Die Szene hat Wirkung. Einerseits zeigt sie, wie weit Djarin bereit ist, zu gehen. Für Grogu.Vielleicht auch seine eigene Religion hinterfragend. Andererseits ändert sich auf einen Schlag Djarins ganze Körperhaltung.
Djarin wirkt unsicher.
Sein Helm war seine Rüstung. Nicht nur physisch. Auch psychisch. Zum ersten Mal, seit er als Findelkind gerettet und indoktriniert worden ist, dem Weg des Mand’alor zu folgen, entblösst er in aller Öffentlichkeit sein Gesicht. Dann, als der Offizier ihn fragt, was er da gerade am Terminal gemacht habe, kriegt Djarin kaum ein Wort über die Lippen. Er… er tut mir leid. Djarin tut mir leid!
Ich bin baff. Und ziemlich sicher, dass «The Mandalorian», die Serie, sich da gerade selber übertrifft. Ich hab’s nämlich nicht kommen sehen. Nicht diese Wendung. Aber Regisseur Famuyiwa setzt einen drauf. Mayfeld, der andere Getreue, überwindet seine Angst, eilt Djarin zur Seite und übernimmt das Reden. Deutet eine letzte Mission unter seinem Ex-Offizier an, bei der tausende Soldaten und Zivilisten getötet wurden. Mayfeld zückt seinen Blaster – und verpasst dem Offizier ein rauchendes Loch in der Brust.
Flucht.
Djarin, wieder mit Helm, und Mayfeld gelangen aufs Dach. Dort werden sie von Boba Fett evakuiert. Ein letztes Mal greift Mayfeld zum Gewehr und schiesst auf ein hochexplosives Rhydonium-Depot. Die ganze Anlage fliegt in die Luft. Das Imperium auf Morak ist vernichtet.
Mayfeld sieht zum ersten Mal in dieser Folge aus, als ob er wieder in den Spiegel blicken könnte.
«Scheint, als ob Mayfeld die Explosion nicht überlebt hätte», sagt Dune, die Mayfeld eigentlich zurück zu den Schrottfeldern bringen sollte, ganz beiläufig. Djarin nickt. Anerkennend. Dem alles andere als toten Mayfeld ist gerade die Freiheit geschenkt worden. Wieder am Boden verschwindet Mayfeld mit einem schelmischen Grinsen in den Tiefen des Dschungels.
Ich mag diesen Kerl.
Grossartige Episode. Vielleicht gar meine Lieblingsepisode. Sie gibt Din Djarin eine nie dagewesene Verletzlichkeit unter seinem Beskar-Helm und «The Mandalorian» neue Tiefe und Möglichkeiten für kommende Folgen. Einige vor Wochen voreilig geschriebene Hasstiraden, die sexy klingen, aber eigentlich nur unnötig provokant um der Provokation Willen formuliert sind, fallen da ziemlich flach auf die Fresse.
Etwa jene von Autor Robert Hofmann fürs Onlinemagazin Vice.
Dann aber beginnt «The Mandalorian», auf den Spuren «Game of Thrones»’ zu wandern. Vorsichtig, scheu, aber doch… da ist schon was dran. Migs Mayfeld erinnert nämlich stark an Jaime Lannister, den Königsmörder, der in der ersten Folge ein Kind aus dem Fenster schmeisst, aber dessen Tod im Serienfinale trotzdem alle bedauern.
Zufall?
Wohl kaum. Dave Filoni, der «The Mandalorian» mitproduziert, -schreibt und -inszeniert, dürfte seine Finger im Spiel gehabt haben. Schliesslich hat er uns «Star Wars»-Fans schon einmal aufs Glatteis geführt – mit Ahsoka Tano.
In einem «Clone Wars»-Making-Of auf DVD sagte er nämlich, dass er Anakins Padawan anfangs bewusst nervig und vorlaut geschrieben hätte; eine Göre, die alles besser wissen will und an der Seite von etablierten Charakteren wie Obi-Wan Kenobi oder Yoda keinen Respekt hätte. Für ihn als Geschichtenerzähler hat das zwei Vorteile.
Das Resultat im Falle Ahsokas: Sie reifte, lernte Demut vor folgenschweren Entscheidungen und mässigte ihr vorlautes Mundwerk. Im Laufe der sieben «The Clone Wars»- und vier «Rebels»-Staffeln entwickelte sich Tano dann zum Fanliebling. Nicht, weil sie von Anfang an perfekt war – Rey Skywalker ist da ein Beispiel –, sondern, weil sie eine Charakterentwicklung durchgemacht hat.
Das Gegenbeispiel?
George Lucas Jar Jar Binks aus «Star Wars: Episode I – The Phantom Menace». Schau dir dort mal die Making-Ofs an. Laut George Lucas sei Jar Jar Binks der lustigste und beste Charakter ever. Punkt. Keine Spur von bewusst gesetzter Nervigkeit, damit sich Jar Jar mit den Filmen entwickeln darf.
Das alles, um zu sagen: Ich glaube, Mayfeld wurde anfangs bewusst eindimensional und arrogant geschrieben. Einfach, damit er hier eine Charakterentwicklung durchmachen darf.
Das machen Filoni und Famuyiwa mit einer nachvollziehbaren Hintergrundgeschichte, die Mayfelds Handeln aus einem anderen Blickwinkel zeigt. Mit Reue. Und Bedauern. Und dann Mayfelds neugewonnener Respekt für Din Djarin. Wo er sich in der ersten Staffel noch ständig lustig über Djarins Credo gemacht hat, sagt er hier, «Ich sag’ niemandem, dass ich dein Gesicht gesehen habe», und lässt das Thema bleiben, wissend, was für ein Opfer Djarin da gerade gebracht hat.
Apropos. Jetzt, da Mayfeld offiziell als tot gilt – dann hat ja kein lebender Mensch Djarins Gesicht je gesehen, oder?
Wie hat euch die Folge gefallen? Gibt’s noch Easter Eggs, die mir entgangen sind? Schreibt’s in die Kommentare. Nächsten Freitag – wenn’s nicht schon wieder eine technische Panne gibt, von der ihr nicht von mir wisst – machen wir mit der Folgenbesprechung von «Chapter 16», dem Staffelfinale, weiter.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»