Hintergrund

Von Alpha bis Z: Das Jahrzehnt der neuen Kamerasysteme

David Lee
27.12.2019

In den letzten zehn Jahren wurden mindestens zwölf neue Kamerasysteme auf den Markt gebracht. Einige davon gibts bereits nicht mehr. Ein Rückblick.

Nicht nur ein Jahr geht zu Ende, sondern ein ganzes Jahrzehnt. Da lohnt sich ein Rückblick auf die Kamera-Entwicklung. Auffällig ist, wie viele neue Kamerasysteme in nur zehn Jahren auf den Markt gekommen sind. Einige davon gibt es inzwischen schon nicht mehr. Andere sind ein voller Erfolg. Unter einem Kamerasystem verstehe ich die Gesamtmenge aller Kameras und Objektive, die untereinander ohne Adapter kompatibel sind.

Im Folgenden ist viel von Sensorgrössen die Rede, denn das ist ein wichtiges Merkmal eines Kamerasystems. Hier deshalb zuerst ein Überblick über die Grössen und ihre Bezeichnungen.

Sony Nex (2010), heute Sony Alpha

Sony setzte schon sehr früh auf spiegellose Kameras. Die Sony Nex-3 und Nex-5 aus dem Jahr 2010 gehörten zu den ersten spiegellosen Kameras mit APS-C-Sensor. Sie waren sehr kompakt und verwendeten das E-Bajonett. Seit 2013 – also vergleichsweise lange – gehören auch spiegellose Vollformatkameras dazu.

Die Bezeichnung «Nex» existiert heute nicht mehr, das System aber sehr wohl. Sony nennt seit 2014 sämtliche Systemkameras «Alpha». Eine Unterscheidung zwischen Nex-Kameras und Alpha-Kameras ist nicht mehr notwendig, weil Sony keine Kameras mehr mit Spiegel herstellt.

Samsung NX (2010)

Das erste spiegellose APS-C-System brachte aber nicht Sony, sondern kurz zuvor Samsung auf den Markt. Die NX10 hatte im Gegensatz zur Nex-5 eher die Bauform einer Spiegelreflexkamera. Für damalige Verhältnisse war sie absolut konkurrenzfähig.

Das NX-System gibt es nicht mehr. Sein Ende ist ziemlich merkwürdig. 2014 brachte Samsung die NX1 auf den Markt – eine nach dem damaligen Stand der Technik absolut herausragende Kamera. Ich meine, 15 Bilder pro Sekunde bei einer Auflösung von 28 Megapixeln, das ist selbst für heutige Verhältnisse noch sehr okay. Dazu ein dreh- und schwenkbarer LCD, ein sehr guter OLED-Sucher, 4K-Video mit 4:2:2-Output über HDMI, WLAN, Bluetooth, USB 3.0, zweiter Kontrollbildschirm, Magnesium-Body – die Specs waren ein Frontalangriff auf den gesamten Kameramarkt. Auch die Bedienung soll gut gewesen sein. Die Tester von dpreview.com vergaben den Gold Award.

Warum Samsung das NX-System schon bald darauf einstampfte, ist unklar. Klar ist: Fotografen steigen nur ungern auf ein neues System um. Vor allem, wenn die Objektivauswahl recht eingeschränkt ist. Was beim NX-System, wie bei jedem neuen System, der Fall war.

Pentax Q (2011)

Pentax Q war das kleinste Kamerasystem der Welt. Es verwendete einen Sensor von der Grösse 1/2,3 Zoll – sogar Smartphones haben inzwischen teilweise grössere Sensoren. Vermutlich wollte Pentax sich damit von der Konkurrenz unterscheiden, denn so etwas gab es zuvor nicht. Und auch danach nicht.

Aber wer will Objektive an einer Kompaktkamera wechseln, wo selbst 20-fach-Zooms keinen Platz brauchen? Irgendwie ging das Konzept nicht auf. 2014 kam die letzte Q-Kamera auf den Markt.

Nikon 1 (2011)

Auch das System Nikon 1 lebte nicht lange. Auch hier war die Idee, mit einem kleinen Sensor besonders handliche Kameras zu ermöglichen. Der Sensor war mit 1 Zoll aber etwas grösser und Nikon setzte stark auf Geschwindigkeit. Trotzdem hat es nicht funktioniert.

  • Hintergrund

    Nikon bringt ein neues Mirrorless-System. Doch zuerst bringen wir noch einen Abgesang auf die Nikon 1

    von David Lee

Fujifilm X (2012)

2011 kam die Fujifilm X100 heraus – eine Kamera, die mich von den Socken gehauen hat. Sensationell gutes Rauschverhalten, edle Verarbeitung, praktische Bedienung. Doch die X100 war keine Systemkamera, sie hatte ein fix verbautes Objektiv. Ein Jahr später startete Fujifilm mit der X-Pro1 ein System mit den gleichen Merkmalen: APS-C-Sensor, klassische manuelle Bedienung und Retro-Design.

Das Erfolgsrezept der X-Serie besteht bis heute aus diesen Zutaten.

Fujifilm X-T3 Kit (18 - 55 mm, 26.10 Mpx, APS-C / DX)
Kamera

Fujifilm X-T3 Kit

18 - 55 mm, 26.10 Mpx, APS-C / DX

Canon EOS M (2012)

Canons Einstieg in die spiegellose Welt war unspektakulär: Es war damals einfach ein weiteres System mit APS-C-Sensor. Als Besonderheit gilt der Adapter, der Zugang zum riesigen SLR-Objektivsortiment bietet. Das System Canon EOS M gibt es bis heute. Nach wie vor ist es wenig spektakulär – aber solid. Vor allem unter Einsteigern findet es seine Abnehmer.

Canon EOS M50 Kit - Import (15 - 45 mm, 24.10 Mpx, APS-C / DX)
Kamera

Canon EOS M50 Kit - Import

15 - 45 mm, 24.10 Mpx, APS-C / DX

Samsung NX mini (2014)

Weil ich 2014 nicht als Fotoredaktor arbeitete, habe ich von diesem System überhaupt nichts mitbekommen. Es war wohl das kurzlebigste System überhaupt. Wenn ich das richtig sehe, gab es nur eine einzige Kamera dazu: Eben die Samsung NX mini. Das war eine Wechselobjektivkamera mit 1-Zoll-Sensor.

L-Mount von Leica, Panasonic & Sigma (2014)

Leica benutzt den L-Mount seit 2014 für spiegellose APS-C-Kameras und seit 2015 für Vollformatkameras. Seit 2018 nutzen auch Panasonic und Sigma dieses System. Damit dürfte es an Bedeutung gewinnen.

  • News & Trends

    Photokina: Noch ein spiegelloses Vollformatsystem

    von David Lee

  • Produkttest

    Die Sigma fp im Nichttest

    von David Lee

Panasonic Lumix S1 H (24.20 Mpx, Vollformat)
Kamera
EUR3482,29

Panasonic Lumix S1 H

24.20 Mpx, Vollformat

Hasselblad X (2016)

Hasselblad brachte 2016 die X1D-50c heraus – und damit ein System für spiegellose Mittelformatkameras. Das war ein Brach liegender Markt: Die einzige vergleichbare Kamera war die Pentax 645D aus dem Jahr 2010. Und die war deutlich bulliger.

Hasselblad X1D-50c (50 Mpx, Mittelformat)
Kamera

Hasselblad X1D-50c

50 Mpx, Mittelformat

Fujifilm G (2017)

Lange konnte Hasselblad nicht von der Situation profitieren. Nur ein Jahr später stampfte auch Fujifilm ein Mittelformatsystem aus dem Boden. Die GFX 50s war zumindest preislich attraktiver. Heute gibt es bereits drei Mittelformatkameras von Fujifilm.

  • Produkttest

    Ausprobiert: die digitale Mittelformatkamera Fujifilm GFX 50s

    von David Lee

Nikon Z (2018)

Nikon hatte sehr lange keine spiegellosen Kameras mit grossen Sensoren. Im vergangenen Jahr änderte sich das endlich. Das Z-System brachte zuerst zwei Vollformatkameras und 2019 dann mit der Z50 auch die erste APS-C-Kamera. Wie das Spiegelreflex-System wird also auch das Z-System für beide Sensorgrössen verwendet.

  • Produkttest

    Nikon Z6: Getestet auf Community-Fragen

    von David Lee

Canon EOS R (2018)

Es soll ja Leute geben, die Canon und Nikon nicht auseinanderhalten können. Tatsächlich beobachten sich die beiden Traditionshersteller immer ganz genau und handeln entsprechend. Fast gleichzeitig mit Nikon brachte auch Canon ein spiegelloses System für Vollformatkameras heraus. Dieses ist allerdings ausschliesslich fürs grosse Format – Canon hat ja bereits das EOS M für die kleineren Sensoren.

Warum so viele neue Systeme?

Der Hauptgrund für die Systemschwemme ist der Wechsel von Spiegelreflex auf spiegellos. Spiegelreflex-Objektive können prinzipiell nicht ohne Adapter an einer spiegellosen Kamera angeschlossen werden. Es braucht ein neues System. Denn durch den Spiegelkasten ist der Abstand zwischen Objektiv und Sensor grösser. Die Adapter tun denn auch nichts anderes, als den ursprünglichen Abstand wiederherzustellen (und die elektronischen Signale weiterzuleiten).

Der andere Grund ist das Besetzen einer Nische, eines noch wenig umkämpften Feldes. Im Fall der kleinen Sensoren (Pentax Q, Nikon 1, Samsung NX Mini) hat das nicht funktioniert. Bei den grossen Mittelformatsensoren (Hasselblad, Fujifilm) hingegen schon. Lange Zeit waren auch die spiegellosen Vollformatkameras eine Nische, in der sich Sony breitgemacht hat. Dort wird es jetzt eng. Ich erwarte nicht, dass sich Olympus, Fujifilm oder Pentax (Ricoh) auch noch dort hineindrängeln wollen.

28 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Nikon bringt ein neues Mirrorless-System. Doch zuerst bringen wir noch einen Abgesang auf die Nikon 1

    von David Lee

  • Hintergrund

    6 Fragen und Antworten zu Sonys Global Shutter

    von Samuel Buchmann

  • Hintergrund

    Neuer Trend: Alte Kameras bleiben lange erhältlich

    von David Lee

Kommentare

Avatar