«WandaVision», Episode 7: «Durchbrechung der vierten Wand»
Hintergrund

«WandaVision», Episode 7: «Durchbrechung der vierten Wand»

Luca Fontana
19.2.2021

Neue Woche, neue Episode. Passieren tut nicht viel. Scheinbar. Aber wer genau hinschaut, erkennt, dass die siebte Folge den Weg für ein grossartiges Finale ebnet.

Eines vorweg: Das ist eine Folgenanalyse. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst die siebte Episode von «WandaVision» an, bevor du weiterliest.


Was Marvel aktuell mit «WandaVision» macht, ist beeindruckend. Und klug. Vor allem klug. Schliesslich mussten wir seit «Avengers: Endgame» über ein Jahr auf neues Superhelden-Futter warten. Die Versuchung, es mit der epischen Grösse eben jenes «Endgames» aufnehmen zu wollen, war zweifellos da.

Stattdessen rudert «WandaVision» zurück. Ruhig. Spielt Jahrzehnte an Sitcom-Geschichte durch. Lässt uns Zuschauer erst mal ratlos zurück. «Was zum…?» ging bestimmt nicht nur mir durch den Kopf. Erst ab der vierten Folge lüftet die Serie langsam ihren Schleier, lässt uns in eine Welt blicken, die eigentlich mehrere Welten sind.

Oder… Realitäten?

  • Hintergrund

    «WandaVision», Episode 6: «Ein brandneues Halloween-Spuktakel»

    von Luca Fontana

Mehrere, verknüpfte Parallel-Universen – das Multiversum. Darauf steuern wir zu. Da bin ich mir sicher. Auch, wenn Folge «Durchbrechung der vierten Wand» etwas Gas vom Pedal nimmt.

Mitte 2000er: «Modern Family» meets «The Office»

Wir sind noch in den 2000er. Gerade so. Die siebte Folge imitiert nämlich mehrheitlich «Modern Family», ein Mockumentary – grandiose Serie, übrigens –, also einen fiktionalen Dokumentarfilm, der das Doku-Genre selbst parodiert.

Genau wie in der Vorlage ist da das Durchbrechen der vierten Wand, wenn die Charaktere in der Sitcom Doku-mässig ihre Kommentare zum Geschehen abgeben, als ob sie gerade interviewt würden. Gestartet ist «Modern Family» anno 2009.

Könnte genauso gut aus «Modern Family» stammen.
Könnte genauso gut aus «Modern Family» stammen.
Quelle: Disney+

Eigentlich hätte ich ein entsprechend passendes «Modern Family»-Intro erwartet. Stattdessen kommt was, das glasklar von «The Office» abgekupfert ist. Ebenfalls ein sackstarker Vertreter des Mockumentary-Genres, das es seit 2005 gibt. Die US-Version, jedenfalls.

Apropos.

Ähem. Zurück zu «WandaVision».

Wandas Welt bröckelt. Nicht nur sinnbildlich. Wortwörtlich. Gegenstände und Elektronikgeräte können sich nicht entscheiden, zu welcher Zeitepoche sie gehören. Farben verschwinden. Dann sind sie wieder da. Agnes, zufällig zu Besuch – falls ihr das noch jemand abkauft –, erkennt, dass Wanda etwas Zeit für sich braucht. Sie ist am Durchdrehen.

«House of M», anyone?

Derweil hat Vision auf dem Ex-S.W.O.R.D.- und Neo-Zirkus-Gelände Darcy gefunden. Dank ihr erfährt er, was ihm während «Avengers: Infinity War» zugestossen ist. Aber, herzig; die Liebe zu Wanda, die sei echt, so Darcy. Und Vision realisiert: Während er keine Erinnerungen mehr an die Schrecken vor der Westview-Anomalie hat, ist all das Trauma für Wanda bloss Wochen her. Wanda kann da nicht anders, als verrückt werden.

Dann die Werbung.

Nexus… der Nexus?

«Fühlen Sie sich deprimiert, wollen Sie einfach nur in Ruhe gelassen werden», fragt eine Stimme aus dem Off.

Eine Frau hockt traurig auf der Bank.

Ziemlich depressiv, diese Werbung.
Ziemlich depressiv, diese Werbung.
Quelle: Disney+

«Fragen Sie Ihren Arzt nach Nexus!»

Nexus? Aber die Werbung geht weiter.

«Nexus, ein einzigartiges Anti-Depressivum, dass sie wieder in Ihre Realität verwurzelt. Oder der Realität Ihrer Wahl.»

Schräg.

«Risiken und Nebenwirkungen: Fühlen von Gefühlen. Konfrontation mit der Wahrheit. Das Begreifen Ihres Schicksals. Noch mehr Depressionen.»

Wie bitte?

«Nehmen Sie Nexus nur ein, wenn Ihnen Ihr Arzt verschreibt, mit Ihrem Leben weiterzumachen.»

Okay?

«Nexus. Denn die Welt dreht sich nicht nur um Sie. Oder etwa doch?»

Ich muss laut lachen. Marvel, das war brillant.

Ibuprofen – äh, Nexus.
Ibuprofen – äh, Nexus.
Quelle: Disney+

Aus den Comics sehe ich zwei Möglichkeiten, die dieses ominös-fantastische Nexus erklären.

Zum ersten Mal aufgetaucht ist der Nexus in «The Man Thing» aus dem Jahr 1972. Dort ist die Rede vom «Nexus of All Realities», also dem Nexus aller Realitäten. Ein Ort, oder Wirbel, der einer Dimension gleicht, die alle möglichen Realitäten verbindet.

Wer den Nexus aller Realitäten erschaffen hat, ist nicht bekannt. Nur, dass er der einzige Ort im Multiversum ist, an dem sich alle Realitäten auf natürliche Weise überschneiden.

Die Idee eines Multiversums existiert schon sehr lange.
Die Idee eines Multiversums existiert schon sehr lange.
Quelle: Marvel

Okay, klingt schon nach etwas, das Wanda helfen könnte, in ihre eigene Realität zurückzukehren. Es könnte auch der Ort sein, aus dem der in vergangener Folge aufgetauchte «X-Men»-Pietro stammt. Schliesslich ist der «Age of Ultron»-Pietro bereits tot. Selbiges gilt für Vision.

Die Nexus-Werbung könnte aber auch ganz anders gedeutet werden. Vielleicht ist sie ein direkter Hinweis auf die sogenannten Nexus Beings, also Nexus-Wesen. Konkret: Nexus-Wesen – meist einfach nur Nexus genannt – sind seltene Wesen, die die Realität und damit den Fluss der Zeit verändern können.

Den Fluss der Zeit. Kommt dir das bekannt vor?

Tatsächlich ist es die Ancient One, die Älteste, die in «Avengers: Endgame» Bruce aka Hulk davor warnt, dass es die Infinity-Steine sind, die den Fluss der Zeit erzeugen. Es war auch ein Infinity-Stein, der Wanda und Vision erschaffen hat.

Wanda.

In den Comics ist sie ein Nexus. Womöglich auch im MCU. Unwissentlich. Würde passen, da sie in den Filmen ihre Kräfte von einem Infinity-Stein hat. Damit käme ihr eine unfassbar bedeutende Rolle zu. Die Comics lehren uns nämlich, dass Nexi die Grundpfeiler des Multiversums sind, die für Kohärenz und Stabilität sorgen. Pro Realität im Multiversum kann es nie mehr als einen Nexus gleichzeitig geben, so die Physik.

Jetzt stell dir vor, was passieren könnte, wenn so ein Nexus durchdreht.

Damit das nicht passiert, wird jeder Nexus von einer kosmischen Kraft bewacht, der Time Variance Authority – kurz: TVA. Falls da irgendwas bei dir klingelt: Jep. «Loki», die übernächste Marvel-Serie. Dreimal darfst du raten, in wessen bürokratischen Hände Loki, Gott des Schabernacks, da gerät.

Wie gesagt: Wanda ist der Nexus «unserer» Realität. Oder jedenfalls derjenigen Realität, in der die meisten Geschichten aus den Marvel-Comics stammen, darum auch «Prime Reality» genannt. Tatsächlich leben wir auf der Erde-616, also der 616. Realität im Multiversum, und das in ihrer siebten Reinkarnation.

Brummt dir der Schädel schon?

Über die vorangegangenen sechs Reinkarnationen – oder Singularitäten, wie’s der Collector in «Guardians of the Galaxy» nennt – ist relativ wenig bekannt. Nur, dass unsere siebte Reinkarnation, oder Singularität, mit dem Urknall geboren ist. Aus den Überresten der sechs anderen Singularitäten wurden konzentrierte Steine – die Infinity Steine.

Kurz nach dem Urknall tauchten die Celestials auf. Uralte Wesen, mächtig genug, die Infinity Steine zu tragen und zu benutzen, um Planeten, Sterne, Galaxien und das Leben selbst zu erschaffen. Darunter auch die Eternals, gottähnliche Wesen, Titanen, dazu da, die Schöpfungen der Celestials zu beschützen. Doch ein Titan hat diese Aufgabe etwas… anders interpretiert.

Sein Name: Thanos.

Thanos war ein Eternal… oder besser: eine Mutation innerhalb der Eternal-Rasse.
Thanos war ein Eternal… oder besser: eine Mutation innerhalb der Eternal-Rasse.
Quelle: Marvel

Celestials sind uns im MCU übrigens auch schon begegnet. Zwei davon, um genau zu sein. Einer war schon tot. Aus seinem Schädel wurde kurzerhand eine Raffinerie: Knowhere.

Der andere Celestial war Ego, der lebende Planet und gleichzeitig Peter Quills aka Star-Lords Vater.

Knowhere, aus «Guardians of the Galaxy
Knowhere, aus «Guardians of the Galaxy
Quelle: Marvel
Ego, aus «Guardians of the Galaxy Vol. 2
Ego, aus «Guardians of the Galaxy Vol. 2
Quelle: Marvel

In den Comics gab’s da noch ein Celestial, der vor Jahrmillionen auf der Erde gestorben ist. Dessen Tod «verseuchte» den Urplaneten mit seinen kosmischen Energien und legte den Grundstein dafür, dass die Erde zu einer Brutstätte für übermenschliches Potenzial wurde – Superhelden und Mutanten.

So. Falls du denkst, das war «deep down the rabbit hole»: Ich habe nur an der Oberfläche gekratzt.

Update: 22.2.2021, 9.45 Uhr:

Übers Weekend ist mir noch eine andere Theorie zu Ohren gekommen. Sie ist zu gut, um sie nicht nachträglich hier einzufügen. Danke, Bryan!

Sie geht so: Das Wort «Nexus» könnte sich auf den Nexus-Internet-Hub aus «Avengers: Age of Ultron» beziehen. Wir erinnern uns: Ultron versucht da, an die Atombomben-Abschusscodes zu kommen. Da gibt’s aber ein Hacker, der schneller als Ultron ist, und der die Codes ständig ändert, bevor Ultron sie verwenden kann. Tony Stark will rausfinden, wer der mysteriöse Helfer ist, und reist nach Oslo, zum Nexus.

«Ein Hacker, der schneller ist als Ultron? Er könnte überall sein. Und da das hier das Zentrum des Internets ist, suche ich nichts weiter als eine Nadel im grössten Heuhaufen der Welt», sagt Tony Stark aka Iron Man im Nexus-Internet-Hub in Oslo.

Stark im Nexus in «Avengers: Age of Ultron»
Stark im Nexus in «Avengers: Age of Ultron»
Quelle: Marvel

Später:
«Unser Verbündeter, der die nuklearen Abschusscodes des Militärs beschützt? Hab’ ihn gefunden», verkündet Tony, drückt auf ein paar Knöpfe und reaktiviert eine totgeglaubte, künstliche Intelligenz.

«Hallo, Doctor Banner», meldet sich J.A.R.V.I.S. freundlich zu Wort.

J.A.R.V.I.S. hat sich kurz vor seiner Vernichtung durch Ultron unbewusst in den Nexus zurückgezogen und dort aktiv, aber versteckt, gegen die böse Bedrohung gearbeitet. Und: Visions Bewusstsein, sein Betriebssystem, ist J.A.R.V.I.S., dafür haben Tony und Bruce Banner aka Hulk gesorgt.

Wer weiss, ob sich Visions Bewusstsein nicht erneut in den Nexus zurückgezogen hat, kurz bevor er in «Avengers: Infinity War» von Thanos getötet worden ist?

Monica Rambeau bekommt ihre Superkräfte

Ansonsten passiert ist eigentlich gar nicht so viel in der siebten Folge. Monica Rambeau hat sich erneut durch die Barriere der Westview-Anomalie gewagt. Dies, nachdem das Super-Gefährt – das ich hoffte, stamme von Fantastic-Four-Anführer Reed Richards – versagt hat.

Reed Richards. Was hab’ ich falsch gelegen. Stattdessen ist der ominöse Kontakt Rambeaus Major Goodner. Es sei denn, Goodner hat das Gefährt nur überbracht, und nicht selbst gebaut. Wäre ja schon krass gewesen, die Fantastic Four im Nebensatz von «WandaVision» einzuführen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Optisch beeindruckend: Die Barriere zu durchschreiten fördert alle alten Rollen Rambeaus zu Tage.
Optisch beeindruckend: Die Barriere zu durchschreiten fördert alle alten Rollen Rambeaus zu Tage.
Quelle: Disney+

Auf der anderen Seite der Barriere wird dafür eine andere meiner Vermutungen wahr: Rambeaus DNA wird auf molekularer Ebene neu geschrieben. Sie verwandelt sich. Kann plötzlich überall Magnetwellen sehen und sich später Wandas angriffen widersetzen.

Die Geburt Photons.

Monica Rambeau in den Comics.
Monica Rambeau in den Comics.
Quelle: Marvel

Dann die grosse Überraschung, die für jene, die meine Folgenbesprechungen der vergangenen Wochen mitgelesen haben, keine Überraschung mehr ist.

Agatha all along

Zuerst verschwinden die Zwillinge Tommy und Billy, auf die Agnes eigentlich hätte aufpassen sollen. Dann betritt Wanda Agnes’ Keller. Oder unterirdisches, uraltes Gewölbe, besser gesagt.

Jetzt wird’s unheimlich.
Jetzt wird’s unheimlich.
Quelle: Disney+

Dort sieht sie dieses Buch… Eine rote Magie scheint es zusammen zu halten. Höllisch. Hat das was mit Mephisto zu tun?

Das Buch jedenfalls ist nicht das Buch von Cagliostro, das Bösewicht Kaecilius in «Doctor Strange» benutzt, um Dormammu aus der dunklen Dimension zu befreien. Es sieht anders aus.

Welches Buch könnte das sein? Habt ihr eine Idee?
Welches Buch könnte das sein? Habt ihr eine Idee?
Quelle: Disney+

Ein anderes, in den Comics populäres Buch wäre Darkhold, das Buch der Sprüche. Geschaffen wurde es aus dunkler Materie in der Hölle, und wer das Buch liest, hält den Schlüssel zu unaussprechlicher Macht. Gleichzeitig sieht es in die tiefsten Tiefen der Seele derjenigen, die es lesen, und treibt sie so in den Wahnsinn.

Agnes, zum Beispiel. Oder, wie sich herausstellt: Agatha Harkness.

Ich wusste es.

Es war von Anfang an Agnes – genialer Song, übrigens.
Es war von Anfang an Agnes – genialer Song, übrigens.
Quelle: Disney+

Zur Erinnerung: In den Comics ist Agatha Harkness eine über tausende von Jahren alte, mächtige Hexe, die zwar immer wieder Gegnerin der Avengers ist, aber zwischenzeitlich auch Mentorin Wandas, die sie in der Kunst der Chaosmagie unterrichtet – deren Beherrschung sei sowieso Wandas eigentliche Mutantenkraft, so Agatha in den Comics.

Mehr noch: In der Vorgeschichte zu «House of M» ist es Agatha, die Wanda jene Magie beibringt, mit der sie ihre Kinder erschafft – jene Kinder, die später vom teuflischen Mephisto absorbiert und ausgelöscht werden, was Wanda in den Wahnsinn treibt und die katastrophalen Ereignisse von «House of M» einleitet.

Oh, «House of M». In den Comics ist das wiederum Wandas endgültiger mentaler Zusammenbruch. Ein Zusammenbruch, der mit ihr als Nexus der Realität 616 katastrophale Auswirkungen auf die Welt hätte.

Um nicht zerstörerisch zu sagen.

Die erste After-Credit-Szene

Abspann. Und für einmal lohnt es sich, dranzubleiben. Es folgt noch eine kurze After-Credit-Szene. Nichts wildes. Nur Monica Rambeau, die den Eingang zu Agathas Kellergewölbe entdeckt und dabei von «X-Men»-Pietro erwischt wird.

Ups.

Erwischt.
Erwischt.
Quelle: Disney+

Wie hat euch die Folge gefallen? Gibt’s noch Easter Eggs, die mir entgangen sind? Schreib es in die Kommentare. Nächsten Freitag machen wir mit der achten Folgenbesprechung weiter. Es wird immer besser.

46 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar