Wi-Fi 6E kommt nach Europa: Lohnt sich der Umstieg auf den neuen Standard?
Deutschland hat die Freigabe für Wi-Fi 6E erteilt. Die Schweiz und weitere 46 europäische Staaten folgen zeitnah. Erste Netzwerkprodukte und Endgeräte stehen in den Startlöchern. Doch was bringt die neue Technik?
Die Bundesnetzagentur in Deutschland hat Mitte Juli das neue 6-GHz-Frequenzband offiziell für WLAN freigegeben. Genauer eine abgespeckte Variante von Wi-Fi 6E, das in den USA bereits seit letztem Jahr genutzt werden kann. 47 weitere europäische Staaten werden aufgrund eines CEPT-Beschlusses, der die Harmonisierung der neuen Frequenzen im Bereich 5945 bis 6425 MHz für drahtlose Zugangssysteme einschliesslich lokaler Funknetze festhält, zeitnah folgen.
In der Schweiz ist laut Eidgenössischem Departement für Umwelt geplant, Anfang September 2021 eine Freigabe zu erteilen. Beziehungsweise entsprechend eine neue Regulierung für die Frequenznutzung in einer rechtskräftigen technischen Schnittstellen-Anforderung (RIR) zu publizieren.
Doch was bringt das neue, dritte Frequenzband fürs Heimische WLAN im Detail? Was bringt der Umstieg auf Router und Endgeräte mit Wi-Fi 6E? Lass uns einen Blick auf die bisherige Technik und das Kommende werfen. Falls dir das zu technisch sein wird, erfährst du das Wichtigste zuunterst nach dem Titel «Für wen sich der Umstieg auf Wi-Fi 6E lohnt».
Wi-Fi 5 und 6: Was die aktuellen IEEE-Standards können
Wi-Fi 5 respektive IEEE 802.11ac ist der aktuell verbreitetste Standard und wurde Ende 2013 lanciert. Er definierte nur den 5-GHz-Frequenzbereich neu – für den 2,4-GHz-Frequenzbereich gelten noch die gleichen Bedingungen wie beim Vorgänger Wi-Fi 4 alias IEEE 802.11n.
Vorab: Wenn dein Router mit Wi-Fi 5 unterwegs ist, bist du nicht zwingend schlechter gestellt als mit einem Wi-Fi-6-Router. Denn genauso wichtig wie ein aktueller Standard – wenn nicht gar wichtiger – ist die Hardwareausstattung und insbesondere die Anzahl verbauter Antennen.
Mit Wi-Fi 5 ist es seit 2014 möglich, Techniken wie Beamforming und Multi-User-MIMO (nur beim Downlink, MU-MIMO-Uplink erst ab Wi-Fi 6) zu nutzen. Beamforming ermöglicht es dem Router, ein Signal auf ein einzelnes Empfangsgerät zu fokussieren, was für eine bessere Empfangsstärke und Reichweite sorgen kann. MIMO – was für Multiple Input Multiple Output steht – hingegen sorgt dafür, dass der Router verschiedene Antennen nutzen kann. Ab vier Antennen kommt MU-MIMO – Multi-User-MIMO – ins Spiel: Damit kann das Wi-Fi-Signal gleichzeitig an mehrere Geräte gesendet werden. Mit Wi-Fi 5 können Router über bis acht Antennen verfügen, was auch bis acht räumliche Datenströme ermöglicht. Mit vier Antennen sind indes nur vier sogenannte Spatial Streams, vier parallele Sende- und Empfangseinheiten möglich.
Wi-Fi 5 bietet im 5-GHz-Frequenzband bei der grösstmöglichen, und für Router des Standards optionalen, Kanalbreite von 160-MHz und acht Spatial Streams eine theoretische Übertragungsrate bis 6933 Megabit pro Sekunde (867 Megabyte). Also bis 866,6 Mbit/s pro Kanal. Bei einer typischen Kanalbreite von 80 MHz liegen pro Datenstrom noch bis 433 Mbit/s drin (54,13 Megabyte). Die Kanalbreite kann 20, 40, 80 und 160 MHz betragen. Als Modulationsverfahren kommt 256QAM zur Anwendung. Die maximale Reichweite des 5-GHz-Frequenzbandes soll bei Wi-Fi 5 (Anm. d. Red.: je nach Gemäuer) bis 50 Meter betragen. Das weniger Datendurchsatz bringende 2,4-GHz-Frequenzband – gemäss IEEE 802.11n bis theoretisch 600 Mbit/s bei 4×4 MIMO – kommt doppelt so weit und soll im Inneren bis (praxisfremde) 100 Meter schaffen.
Wi-Fi 6: Finetuning des Bisherigen
Der Standard IEEE 802.11ax, also Wi-Fi 6, wurde im September 2019 eingeführt. Er ist im 2,4-GHz-Frequenzbereich der Nachfolger von Wi-Fi 4 – im 5-GHz-Frequenzbereich der Nachfolger von Wi-Fi 5. Unterm Strich gesehen fällt der Leistungszuwachs mit Wi-Fi 6 gegenüber Wi-Fi 5 nur gering aus, obschon der Standard inklusive der kommenden E-Weiterentwicklung insgesamt über 50 neue Features bringt.
Was im Wesentlichen verbessert wurde: Wi-Fi 6 kann die Effizienz beim Betrieb vieler Endgeräte steigern und die Latenzzeiten verringern. Ausserdem sind Wi-Fi-6-Geräte etwas stromeffizienter und in der Lage, sich untereinander abzusprechen, um sich beispielsweise beim Betrieb verschiedener WLANs im Mehrfamilienhaus weniger in die Quere zu kommen. So verursachen Geräte in der Nähe, welche dieselben Kanäle und Frequenzen nutzen, in der Theorie weniger Datenstau und Verzögerungen. Für die optimale Nutzung des Standards ist es also nicht nur hilfreich, wenn die eigenen Endgeräte Wi-Fi-6-zertifiziert sind, sondern auch die Router der Nachbarn.
Zu den erwähnten Neuerungen gehört das Verschlüsselungs- und Authentifizierungsprotokoll WPA3. Das bietet eine bessere Sicherheit als der Vorgänger – unter anderem dank der Einführung von SAE soll WPA3 robuster gegenüber Angriffen sein. Als Modulationsverfahren kommt neu auch 1024QAM zur Anwendung, das gemeinsam mit weiterhin bis acht Antennen und bis 160-MHz-Kanalbreite eine theoretische Höchstgeschwindigkeit von 9608 Mbit/s im 5-GHz-Frequenzbereich bietet (1201 Megabyte). Ein Plus gegenüber Wi-Fi 5 von 38,5 Prozent. Ein Wi-Fi-6-Router mit vier Antennen schafft bis theoretisch 4804 Mbit/s. Ein einzelner Stream kann bei 80 MHz Bandbreite bis 600 Mbit/s und bei 160 MHz Bandbreite bis 1201 Mbit/s erreichen. Komplett neu ist, dass MU-MIMO nun bidirektional funktioniert. Das heisst, dass es nicht mehr auf den Downlink begrenzt ist und nun auch beim Uplink zur Anwendung kommt.
Das 2,4-GHz-Frequenzband ist neu nicht mehr nur von MIMO abhängig, sondern beherrscht auch MU-MIMO und bis ebenfalls 8 Spatial Streams im Up- und Downlink. Bei einer Kanalbreite von 40 MHz liegen mit acht Antennen theoretisch bis 2288 Mbit/s drin (286 Megabyte). Ein einzelner Stream bringt bei 20 MHz bis 144 Mbit/s und bei 40 MHz bis 287 Mbit/s. Was die Reichweite der Technik anbelangt, ist mit Wi-Fi 6 nicht mehr rauszuholen. Die beiden Frequenzbänder kommen gleich weit wie bis anhin. Dafür ist eine grosse Sache neu, die nicht unerwähnt bleiben darf: OFDMA – Orthogonal Frequency-Division Multiple Access.
OFDMA ist wie MU-MIMO eine Multi-User-Technologie, die es ermöglicht, unterschiedliche Daten mit verschiedenen Geräten zur selben Zeit im Down- und Uplink auszutauschen. Je nach Situation entscheidet sich der Router dazu, MU-MIMO oder OFDMA anzuwenden. Bei Streams mit grossem Datendurchsatz wird ersteres zur Anwendung kommen. Die OFDMA-Technologie ist nämlich eher fürs Gegenteil gemacht: Sie unterteilt einen Funkkanal in kleinere Unterkanäle. So kann beispielsweise ein 20-MHz-Kanal in bis zu neun Kanäle aufgesplittet werden. Danach wird dem jeweiligen Unterkanal ein Zeitintervall zugewiesen. Der Router beliefert die Unterkanäle, also verschiedene Endgeräte, nun abwechselnd mit Daten, wobei das alles in enorm kurzen Abständen geschieht. Winzige Zeitfenster sorgen dafür, dass alles scheinbar nahtlos abläuft.
So ähnlich läuft das übrigens auch, wenn dein Smartphone mit einer einzelnen Antenne es dir gleichzeitig ermöglicht, im Internet zu surfen und deine Bluetooth-Kopfhörer mit Sound zu beliefern. Ohne dass du es merkst, kümmert sich der Funkchip mit der Antenne darum, dass in Kleinstabständen beide Anwendungen abwechselnd Daten frei von Stau austauschen können.
Wi-Fi 6E: Das kommt nun obendrauf
Und nun kommt noch diese E dazu. Ein drittes Frequenzband im 6-GHz-Bereich, das sich von 5945 bis 6425 MHz erstreckt. Zumindest in Europa, denn in den USA, wo es Wi-Fi 6E bereits seit letztem Jahr gibt, ist eine grössere Bandbreite, von 5925 bis 7125 MHz, freigegeben. Anstelle von zusätzlichen 1200 MHz gibt es in Europa also ein Plus von 480 MHz. Das bedeutet bis drei zusätzliche 160-MHz-Kanäle oder sechs 80-MHz-Kanäle (oder 12 × 40 MHz, 24 × 20 MHz). Mit einem zusätzlichen Frequenzband liegt allerdings nicht mehr theoretische Geschwindigkeit drin als mit Wi-Fi 6 ohne E, wie die folgende Tabelle der verschiedenen Wi-Fi-Versionen zeigt.
Bei Wi-Fi 6E bezieht sich die maximale Linkrate in der Tabelle auf ein 6-GHz-Frequenzband mit 1200 MHz Breite. Da in Europa nur 480 MHz zur Verfügung stehen, liegt die maximale Linkrate hierzulande mit drei 160-MHz-Streams bei 3603 Mbit/s.
Die bisherigen Frequenzbänder funken bei 2,4 GHz und bei 5 GHz. Nun muss im Hinterkopf behalten werden, dass niedrigfrequente Funkstrahlen weitere Distanzen zurücklegen können als hochfrequente. Daher kann derjenige, der beispielsweise weit weg vom Router auf seinem Balkon nur knapp Internet hat, lediglich im langsameren 2,4-GHz-Frequenzbereich surfen. Das schnellere 5-GHz-Frequenzband kommt weniger weit. Allenfalls zwei oder drei Räume vom Router entfernt ist Schluss damit. Dann wechselt dein Smartphone von einem plastischen Maultier aufs Pferd. Das kann zwar weniger viel tragen, doch kommt es weiter.
Und der Ochse? Er steht illustrativ fürs neue 6-GHz-Frequenzband. Er trägt (oder zieht) am schwersten und bringt richtig viel Datendurchsatz. Jedoch wird er in den meisten Fällen nur einen einzelnen Raum, schneller als es das Maultier kann, beliefern können. Lange Strecken liegen ihm nicht. Zumindest in Europa, wo es dicke Wände hat, wird das 6-GHz-Frequenzband meist nur direkt um den Router herum – im selben Raum – seinen Dienst tun. Dafür dürfte die Latenz nochmal etwas sinken; der Ping soll im selben Raum unter zwei Millisekunden betragen. Wobei dazu gesagt werden muss, dass viele aktuelle Router auch heute schon im selben Raum mit 5-GHz-Funk einen niedrigen Ping von nur drei Millisekunden beziehungsweise vier im 2,4-GHz-Frequenzband aufweisen. Und das unabhängig davon, ob sie Wi-Fi 5 oder Wi-Fi 6 unterstützen.
Wichtig zu wissen sind folgende Einschränkungen, die es beim dritten Frequenzband geben wird oder wie in Deutschland oder den USA bereits gibt: Der Einsatz des 6-GHz-Frequenzbandes darf nur in Innenräumen erfolgen. Verboten sind der Einsatz in Aussenbereichen oder in einem Fahrzeug. Zugelassen sind ausserdem nur Netzwerkgeräte, die eine maximale Strahlungsleistung von 200 Milliwatt und eine Eirp-Dichte von 10 Milliwatt pro MHz aufweisen. Für Wearables mit 6-GHz-Funk liegt die Grenze bei einer maximalen Sendeleistung von 25 Milliwatt und einer Eirp-Dichte von 1,25 Milliwatt pro MHz. Uns Konsumenten dürften die technischen Vorgaben allerdings egal sein, da wir auf sicherer Seite sind, wenn wir ein Produkt mit CE-Kennzeichnung kaufen.
Für wen sich der Umstieg auf Wi-Fi 6E lohnt
Das im 6-GHz-Bereich angesiedelte dritte Frequenzband bringt nur in unmittelbarer Nähe zum Router etwas. Da kann es je nach Router-Ausstattung, also je nach Prozessor-Stärke und Anzahl Antennen, einem 5-GHz-Frequenzband überlegen sein. Ausserdem wird es die Latenz gering halten – ein Ping unter zwei Millisekunden soll garantiert sein. So gesehen kann künftig auf ein LAN-Kabel zum Gamer-PC verzichtet werden, solange dieser im gleichen Raum steht, wie der Router. Und solange der auch Wi-Fi 6E beherrscht.
Wer bereits heute einen Wi-Fi-6-Router besitzt, wird also kaum Grund haben, auf einen E-zertifizierten mit gleichwertiger Hardwareausstattung umzusteigen. Besitzer eines Wi-Fi-5-Routers profitieren beim Wechsel zusätzlich von den grundsätzlichen Vorteilen von Wi-Fi 6. Die dürften in erster Linie für alle mit vielen Endgeräten interessant sein. Und insbesondere bei vielen kleinen Übertragungen, die gleichzeitig erfolgen sollen. Doch abgesehen davon ist nicht zwingend ein Leistungsschub zu erwarten. Manche Wi-Fi-5-Geräte auf dem Markt überflügeln andere mit Wi-Fi-6 und umgekehrt.
Hast du jedoch noch ein Gerät mit Wi-Fi-4 am Start, würde ich ein baldiges Upgrade, egal auf was, andenken.
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.