Wie gut funktioniert Google Stadia in der Schweiz?
Google Stadia ist nicht in der Schweiz verfügbar – zumindest noch nicht. Ausprobiert habe ich es trotzdem. Ich zeig dir wie das geht, wie gross der Input-Lag ist und ob es sich der Aufwand lohnt.
Games einfach aus der Cloud auf ein beliebiges Gerät streamen. Ganz ohne teure Hardware, nervige Software-Updates und dafür maximale Flexibilität. Game-Streaming klingt in der Theorie nach einem Traum. Diesen versucht Google mit Stadia Wirklichkeit werden zu lassen. Leider bleiben wir Schweizer mal wieder aussen vor. Wir müssen uns wohl noch bis kommendes Jahr gedulden. Das hat mich nicht davon abgehalten, Stadia jetzt schon auszuprobieren – und zwar mit Hilfe eines VPNs. Das hat besser funktioniert, als ich erwartet habe und ist eine Sache von wenigen Minuten. Auch wenn der folgende Text vielleicht einen anderen Eindruck erweckt.
Einfach zu besorgen, schwieriger zu benutzen
Google Stadia wird es in zwei Varianten geben. Einer Gratis-Version, welche dir 1080p und Stereo-Sound bietet sowie einer Pro-Version für 10 Euro im Monat mit UHD-Auflösung, Surround Sound und HDR. Momentan ist nur letztere verfügbar. Für die Abo-Gebühr bekommst du Rabatt auf diverse Spiele, sowie regelmässig ein paar gratis obendrauf – ähnlich wie bei PSN oder Xbox Live. Eine Flatrate wie bei Netflix gibt es nicht.
Nicht nur bist du aktuell auf die Pro-Variante beschränkt, du musst auch zwingend die Founder, respektive Premier-Edition kaufen. Ohne kriegst du keinen Zugangscode mit dem du deinen Account aktivieren kannst. Diese Edition kostet 130 Euro und beinhaltet ein dreimonatiges Abo, den Stadia Controller sowie einen Chromecast Ultra damit du auf dem Fernseher spielen kannst. Einen Buddy Pass, damit ein Kumpel ebenfalls drei Gratis-Monate erhält, ist nur in der mittlerweile ausverkauften Founders-Edition enthalten.
Stadia ist ausschliesslich über den Google Store erhältlich. Da es Stadia in der Schweiz noch nicht gibt, musst du den Store auf Deutschland umstellen. Danach kannst du die Premiere-Edition problemlos mit deiner Schweizer Kreditkarte kaufen. Als Lieferadresse gibst du eine in Deutschland an. Es gibt verschiedene Paketdienste, die dir dafür ein Postfach stellen.
Woran ich beim Vorbestellen nicht gedacht habe, ist, dass Stadia auch nur in Ländern funktioniert, wo der Service verfügbar ist. In der Schweiz kannst du zwar die App runterladen, die Website benutzen und Spiele kaufen. Sobald du aber spielen willst, heisst es, in deinem Land hat der Game Publisher eingeschränkte Verfügbarkeit. Es ist nicht das letzte mal, dass Google ein Problem auf jemand anders abschiebt.
Was kannst du also tun? Besorg dir ein VPN. VPNs sind Dienste, mit denen du deinen Standort verschleiern kannst. Deine Internetverbindung wird dann über Server in einem anderen Land umgeleitet. Das nützt einerseits deiner Privatsphäre, aber auch wenn du Dienste benutzen willst, die es bei uns nicht gibt. Beispielsweise Disney+ oder eben Google Stadia. Während bei Videodiensten eine schnelle Verbindung aber weniger entscheidend ist, kann bei Spielen der zusätzliche Lag durch die Umleitung das ganze Unterfangen unbrauchbar machen. Allerdings werben viele Anbieter, dass selbst Online-Games mit VPN möglich sei. Ich setze auf ExpressVPN, da es diese App auf fast allen Geräten gibt.
Was bietet Stadia und was nicht?
Google hat an der Vorstellung Stadias viele interessante Funktionen gezeigt, womit sich der Dienst vom klassischen Gaming am PC oder der Konsole abheben soll. Darunter Dinge wie direkt von einem Let’s Play bei Youtube ins Game einsteigen, den Google Assistant für In-Game-Tipps nutzen oder volle Wireless-Funktionalität des Controllers. Dieser sollte sich nämlich direkt mit deinem Netzwerk verbinden, was einerseits den Input-lag reduziert und andererseits den fliessenden Wechsel von Fernseher, zu Laptop zum Smartphone ermöglicht. Das alles war zum Launch nicht bereit.
Momentan kannst du bei Stadia 22 Spiele kaufen. «Tomb Raider Definitive Edition», «Landwirtschafts-Simulator 19», «Destiny 2 The Collection» und «Samurai Shodown» erhältst du als Pro-User umsonst. Die restlichen Titel sind mit dem Abo oft stark reduziert, aber auf anderen Plattformen sind sie dennoch billiger. Für «Red Dead Redemption 2» bezahlst du beispielsweise die vollen 60 Euro.
Stadia lässt sich an jedem Computer mit der neuesten Chrome-Version spielen. Auf dem Smartphone geht es aktuell nur, wenn du ein Pixel 2, Pixel 3, Pixel 3a oder Pixel 4 besitzt. Auch am Fernseher ist die Benutzung noch eingeschränkt. Später soll es auf Android TV oder sonstigen Chromecast-kompatiblen Geräten klappen. Bis auf Weiteres bist du auf den mitgelieferten Chromecast Ultra angewiesen. Einige User berichten jedoch, dass wenn du das Preview-Programm aktivierst (geht über einen Klick in den Chromecast-Settings), auch bestehende Chromecast-Ultras das nötige Firmware-Upgrade erhalten.
Einrichtung und Bedienung
Wenn du an einem PC oder Laptop zocken willst, ist es ganz einfach. Sobald du den Aktivierungs-Code eingegeben hast, kannst du direkt von der Stadia-Webseite ein Spiel starten.
Die Benutzung der App ist denkbar einfach. Sie startet automatisch, sobald du den Controller an den Bildschirm deiner Wahl anschliesst. Sie ist schlicht und übersichtlich gestaltet (kein Wunder, viel gibt es ja noch nicht) und das letzte gestartete Spiel erscheint direkt zu oberst.
Jetzt kommt wieder ein Aber. Am Smartphone musst du nämlich aktuell noch den Controller mit Kabel benutzen. Das ist von doppeltem Nachteil, denn das Zocken saugt mächtig Akku und weil der Controller den USB-Anschluss blockiert, kannst du (mit Ausnahme eines ROG-II-Phones bspw.) nicht gleichzeitig laden.
Nervig ist zudem, dass du zwar eine dedizierte Taste für Screenshots und Aufnahmen hast, die Bilder und Videos aber nur in der App verfügbar sind. Ironischerweise kannst du auf dem Smartphone wiederum keine Screenshots erstellen. Und du kannst sie weder mit der App teilen, noch sie extrahieren. Ich musste dafür extra über mein Google-Konto die Stadia-daten extrahieren. Ein absolut bescheuerter und unnötiger Workaround.
Du musst übrigens nicht mit dem Stadia Controller spielen. Auch PS4, Xbox oder Switch-Controller sind kompatibel. Wie und wo siehst du auf dieser Seite.
Die Einrichtung am Fernseher mit dem Chromecast dauert etwas länger, hat bei mir aber auf Anhieb funktioniert. Hier ist das Problem, dass die VPN-App nichts nützt. Da sich der Chromecast direkt mit deinem Netzwerk verbindet, funktioniert der VPN-Trick nur, wenn du ein virtuelles VPN-Netzwerk aufsetzt oder dein Router VPN unterstützt. Das war mir definitiv zu viel Aufwand. Ich hab noch versucht, auf meinem Nvidia Shield über Chrome auf Stadia zuzugreifen. Die Spiele starten zwar, aber danach wird weder Controller noch Maus und Tastatur erkannt.
Der Controller
Um zwischendurch mal wieder etwas positives zu sagen. Am Stadia-Controller gibt es nichts auszusetzen. Das Teil liegt sehr angenehm in der Hand und fühlt sich sehr robust an. Beim Layout setzt er auf das gleiche wie der Dualshock 4. Die Knöpfe haben angenehme Druckpunkte und auch das D-Pad ist anständig. Etwas, das viel zu oft vernachlässigt wird. Die Analog-Sticks besitzen für mich genau die richtigen Widerstände und die Oberfläche ist leicht gerippt für mehr Halt. Er kann problemlos mit dem Dualshock 4 oder dem Xbox-One-Controller mithalten.
Neben den Standardtasten gibt es eine fürs Menü, eine für Optionen, eine für Aufnahmen, eine für den Google Assistant sowie die Stadia-Taste. Der Controller besitzt an der Unterseite einen 3.5-mm-Anschluss für ein Headset.
Subjektive Performance
Als ich gemerkt habe, dass Stadia in der Schweiz wegen Geoblocking gar nicht läuft, wollte ich meinen Test eigentlich bereits abschreiben. Mehr aus Neugier versuchte ich es trotzdem mit VPN und siehe da, es funktioniert besser als erwartet. Das bedeutet nicht, dass ich ernsthaft damit spielen möchte. Aber eins nach dem anderen.
Ich hab Stadia Zuhause und im Büro am PC, Laptop und am Smartphone getestet. Am PC über LAN und am Laptop und Smartphone übers WLAN. Der Härtetest war für mich Stadia am PC mit Maus und Tastatur. Dabei hat mich überrascht, wie gering der Input Lag ausfällt. Ich kann die Verzögerung zwar feststellen, aber sie ist äusserst gering. Bei «Destiny 2» beispielsweise ist der Grund, warum es mir flüssiger vorkommt, wohl eher den höheren Frames und Hertz zuzuschreiben. Stadia liefert lediglich 60 fps während das Spiel an meinem PC mit 100 fps bei 100 Hz läuft.
Was «Destiny 2» über Stadia für mich zum No Go macht, ist zum einen, dass das 21:9-Format nicht unterstützt wird und zum anderen, dass die Bildqualität wohl eher der mittleren Qualitätsstufe entspricht. Die lokale Version sieht deutlich schärfer und detaillierter aus. Google schiebt die Verantwortung für die fehlende UHD-Auflösung und 60 fps in diversen Spielen auf die Entwickler ab und steht weiterhin zu den versprochenen Leistungen. Die Entwickler hätten dies aber selbst in der Hand.
Das Gleiche bei «Red Dead Redemption 2»: Der Input Lag ist zu verkraften, besonders, wenn du mit Controller spielst. Aber der grafische Kompromiss ist mir viel zu hoch. Und gerade wenn du das Spiel frisch startest, ruckelt es die ersten zehn, zwanzig Sekunden teilweise heftig. Auch während dem Spiel hatte ich immer wieder kleinere Aussetzer. In «Red Dead Redemption 2» habe ich dann eben mal ein paar Passanten umgeritten, was gleich eine Horde Sheriffs auf den Plan ruft. Im Rennspiel «Grid» habe ich bei Rucklern meist die nächste Wand geküsst.
Am 13-Zoll-Laptop-Display fällt das grafische Downgrade weniger auf. Dort kann ich es mir eher vorstellen, mal eine Runde Stadia zu zocken. Am Smartphone schliesslich sehen die Games definitiv gut genug aus. Und übers heimische WLAN funktioniert das ganze trotz VPN problemlos. Im Büro hatte ich sowohl am Laptop als auch am Smartphone mit mehr Rucklern und Bildstörungen zu kämpfen. Eine stabile Internetverbindung – besonders mit VPN – ist absolute Pflicht. Übers Mobilnetz ging bei mir überhaupt nichts. Dann wollte Stadia kein Spiel starten.
Wo der Lag deutlicher festzustellen ist, ist beim Ton. Vom Moment, wo ich eine Knarre abfeuere, bis der Ton aus den Lautsprecher kommt, ist definitiv eine leichte Verzögerung vorhanden. Es liegt aber im erträglichen Bereich und nach wenigen Minuten habe ich es meist vergessen.
Gemessene Performance
So viel zu den subjektiven Eindrücken. Den Input Lag habe ich zusätzlich gemessen. Dafür habe ich mit der Slow-Motion-Kamera meines Pixel 4 bei 240 fps das jeweilige Setup gefilmt und die Frames zwischen meinem Input bis zur Aktion am Bildschirm gezählt. Die Frames teilst du anschliessend durch 240 und multiplizierst das Ergebnis mit 1000. So erhältst du die Verzögerung in Millisekunden. Bei 35 Frames wie ich sie bei «Destiny 2» am PC gemessen habe, sieht die Gleichung folgendermassen aus
(34/240) x 1000 = 141 ms
Es ist keine perfekte Messmethode, aber um einen relativen Eindruck zu erhalten, reicht sie allemal.
Am Smartphone ist die Methode allerdings nicht die genaueste. Dort ist es schwierig, genau zu erkennen, wann der Controller auslöst. Am PC gibt es dafür ein praktisches Tool, welches das Numlock-Lämpchen aufleuchten lässt, sobald du die Maus drückst. Das ist im Zeitlupenvideo gut erkennbar.
Zuhause besitze ich eine 1 Gbit/s Leitung. Speedtest.net zeigt mir 700 Mbps und einen Ping von 1 ms an. Mit aktiviertem VPN und Server in Nürnberg steigt er auf 22 ms und der Durchsatz sinkt auf 220 Mbps. Beim Notebook liegt der Ping bei 3 ms, der Speed bei 530 Mbps und mit VPN bei 24 ms und 200 Mbps. Beim Smartphone im WLAN bei mir Zuhause messe ich einen Ping von 2 ms und einen Downloadspeed von 470 Mbps. Mit aktiviertem VPN sinds 22 ms bei 140 Mbps.
Game | Destiny 2 | Red Dead Redemption 2 |
---|---|---|
Stadia am PC, 1080p | 145 ms | 220 ms |
Stadia, Laptop, Wifi, 1080p | 220 ms | 220 ms |
Stadia, Smartphone, Wifi | 129 ms | 166 ms |
Lokal, PC, LAN, 1080p | 41 ms | 112 ms |
Lokal, PC, LAN, UHD | 58 ms | 141 ms |
Der Input Lag ist von vielen Dingen abhängig und ist auch von Spiel zu Spiel unterschiedlich. Dennoch zeigt sich bereits beim 1080p-Stream von Stadia, dass die Verzögerung deutlich höher ist als beim lokalen Spielen. Dafür gibt es nur wenige Abstriche, wenn du auf WLAN setzt. Zumindest bei dieser Auflösung. Erstaunlich ist, dass ich am Pixel den geringsten Lag gemessen habe von allen Stadia-Versuchen. Möglicherweise benötigt der Stream dort weniger Bandbreite, weil auf dem kleinen Display ohnehin weniger Details auszumachen sind.
Immerhin sind die Ladezeiten mit Stadia tendenziell kürzer als bei der am PC installierten Version. «Destiny 2» benötigt bei mir vom Klick auf den Start-Button bis ich im Spiel loslaufen kann 1:50 min, während es mit Stadia bereits nach 1:27 min spielbar ist.
Fazit: Ein Traum mit vielen Einschränkungen
Lohnt sich Google Stadia für Schweizer? Nein. Selbst dort, wo es offiziell verfügbar ist, würde ich zuwarten. Zwar funktioniert es trotz VPN überraschend gut, aber solange du einen halbwegs vernünftigen PC oder eine Konsole hast, gibt es keinen Grund für Stadia zu bezahlen. Die Input-Verzögerung beim Bild ist dennoch überraschend gering. Beim Sound bemerkst du sie zwar deutlicher, wirklich gestört hat es mich nicht. Schmerzender ist hingegen die Bildqualität. Google hat grosse Reden geschwungen, dass Stadia so schnell sei wie PS4 Pro und Xbox One X zusammen. Sehen tust du davon noch nichts. Der Qualitätsabstrich ist zwar auf kleineren Displays weniger frappant und weniger kritischen Augen fällt er vielleicht gar nicht auf. Wer aber weiss, wie ein Spiel mit maximalen Details aussieht, der merkt den Unterschied sofort.
Dass du bloss ein Browser-Tab öffnen musst und in wenigen Sekunden loszocken kannst, bleibt dennoch als Idee faszinierend. Dieses Versprechen hält Google. Und wenn das Spieleangebot grösser wäre oder es nach dem Netflix-Prinzip funktionieren würde, könnte man drüber reden. So stehen dir 22 Spiele zur Verfügung, die entweder etwas älter und/oder teurer als auf anderen Plattformen sind und schlechter performen.
Der Start von Stadia verläuft harzig. So etwas unfertiges auf die Menschheit loszulassen und dafür Geld zu verlangen, finde ich ehrlich gesagt dreist. Google hätte gut daran getan, das ganze als Beta zu verpacken. Gescheitert ist das ganze deswegen längst nicht. Das Potential scheint durch und ich bin gespannt, wie sich der Dienst weiterentwickelt.
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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.