
Hintergrund
Das Geheimnis von Alan Smithee: Hollywoods erfolgreichstes Phantom
von Patrick Vogt
Bekannte Songs in einer dramatisch langsamen Coverversion dienen seit ein paar Jahren als Sound-Teppich für Filmtrailer. Jüngstes Beispiel ist der Trailer zu «Dune». Wie es zu diesem Trend kam und was ein belgischer Frauenchor damit zu tun hat.
Exakt 1:12 Minuten verstreichen im Trailer zu Denis Villeneuves Verfilmung des Sci-Fi-Epos «Dune» bis eine Männerstimme «And all that you touch / And all that you see» singt. Verdammt, ich kenne den Song. Aber was ist es? «And all that you taste»… Ist es ein Bowie-Cover? «All you feel».
Heureka! Es ist Pink Floyd!
«Eclipse», das fulminante Finale ihres 1973 erschienenen Meisterwerks «Darkside of the Moon». Text und Stimmung passen auf den Schnitt des Trailers als hätte Roger Waters den Song allein für diese drei Minuten geschrieben.
Waters hat die Coverversion höchstens gutgeheissen, produziert hat sie die Soundtrack-Fabrik von Hans Zimmer. Der Deutsche benutzt damit einen gängigen Trick. Trailer mit Coverversionen bekannter Songs gibt's wie Sand am Meer. «Wonder Woman 1984» bedient sich bei New Order inklusive legendärem Break. Beyoncé covert sich selbst im «50 Shades»-Trailer, die Coverversion von «Survivor» bei «Tomb Raider» gibt sie lediglich frei.
Egal, ob David Bowie, The Rolling Stones, Nirvana oder Sting – kaum ein*e Künstler*in bleibt von einem Trailer-Cover verschont. Die Machart ist meist ähnlich: Eine verlangsamte Versionen des Originals, mit flächig-orchestraler Begleitung. Sie beginnen ruhig, steigern sich in ihrem Aufbau und enden in einem musikalischen Cliffhanger. Dass Cover-Songs in Trailern so beliebt sind, verdanken wir einem Zufall.
Regisseur David Fincher beauftragt im Frühjahr 2010 Mark Woollen damit, den Trailer seines neuesten Werks «Social Network» zu produzieren. Woollen und seine Firma sind Meister darin, komplexe Filme in kreative Trailer zu verpacken. Sie verstehen den Trailer als eigenes Kunstwerk, das nicht zwingend den Plot des beworbenen Filmes umreissen muss, sondern beim Publikum hängen bleiben soll. Durchschnittliche Trailer hauen alles raus, was ein Film zu bieten hat. Dabei riskieren sie, Teile des Plots zu verraten. Guckst du dir den Film an, hast du das Gefühl, alles schon gesehen zu haben. Woollen hingegen macht das Gegenteil. Der Film bleibt bei ihm ein Mysterium. Er reduziert in seinen Trailern das Ursprungsmaterial auf seine Essenz und vermittelt eine Stimmung, keine abgeschlossene Story.
Der Auftrag für den Trailer zu «Social Network» – dem Film über Facebook-Gründer Mark Zuckerberg – ist besonders schwierig. «Die Presse gab dem Film nie eine Chance», sagt Wollen in einem Interview mit dem New Yorker. «Der Konsens war klar: Wie kannst du einen Film über Facebook machen? Was kommt als Nächstes? eBay oder Amazon?». Erschwerend kommt hinzu, dass Fincher mitten im Schnitt ist und Trent Reznor und Atticus Ross noch keinen Takt ihres Soundtracks (der später einen Oscar gewinnen sollte) komponiert haben.
Der Heureka-Moment kommt Mark Woollen beim Stöbern auf seiner Harddisk. Ein paar Jahre zuvor war er in den Tiefen des Internets auf eine Coverversion des Radiohead-Songs «Creep» gestossen, auf einer «Geo-cities mässigen Webseite», wie er sagt. Reiner Zufall. Der 200-köpfige, belgische Frauenchor «Scala and Kolacny Brothers» interpretiert den Radiohead-Hit und das passt perfekt auf die bedrückenden Bilder, die Regisseur Fincher geliefert hat. Das Cover beginnt ruhig, steigert sich im Aufbau und endet am Höhepunkt in einem musikalischen Cliffhanger. Der Songtext über einen von Selbstmitleid zerfressenen Aussenseiter ist wie geschaffen für den Film über den Aussenseiter Mark Zuckerberg. Den Trailer eröffnet Woollen mit einer 50-sekündigen Diashow aus Stock-Bildern, die einer kitschigen Werbung für Facebook gleichen. Erst im Anschluss daran spielt er die ersten Aufnahmen aus dem Film ein. Ein Risiko, das bei Regisseur Fincher zum Glück gut ankommt. Das Resultat ist wahrlich ein Lehrstück in Sachen Trailerproduktion.
Das Kurzvideo schlägt ein wie eine Bombe, nicht zuletzt wegen der Musik des belgischen Frauenchors. Das Hipster-Open-Air Coachella bucht «Scala and Kolacny Brothers», Auftragsarbeiten für weitere Trailer folgen. Mark Woollen setzt durch diesen Zufallsfund den Grundstein für den Stil moderner Trailer.
Zehn Jahre später benutzen die Studios das Stilmittel ad nauseam. Was in den 80ern die tiefe Erklärstimme in Trailern war, ist heute die langsame Coverversion. Sie schafft ein diffuses Vertrauen, indem sie dir eine bekannte Melodie und einen bekannten Songtext gibt, den du zwar zuordnen, aber nicht auf Anhieb erkennen kannst. Der Heureka-Moment gibt dir schliesslich ein Erfolgserlebnis. Du fühlst dich gut und erinnerst dich später eher an die gesehenen Bilder. Aus Neugierde schaust du dir schliesslich den Film an, so fest hat sich der Trailer in deinem Gedächtnis festgesetzt. Sitzt du im Kino, hat die Musik ihren Zweck längst erfüllt: Nur selten schaffen es die Trailer-Covers auch auf den Soundtrack der beworbenen Filme. Sie sind hauteng auf die Trailer zugeschnitten.
Welches Cover hat bei dir den Heureka-Effekt hervorgerufen? Oder ist dir die Musik in Trailern egal, solange es knallt?
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.