Das Yogasutra
Deutsch, Patanjali, 2024
Für Yoga bin ich nicht sportlich genug, sagen die einen. Yoga ist doch nur Entspannung, sagen die anderen. Spiritueller Hokuspokus finden die Dritten. Was stimmt denn nun? Ein Überblick über die verschiedenen Stile hilft dir, dich zwischen all den Angeboten zurechtzufinden.
Yoga ist entspannend? Wer als Anfängerin oder Anfänger in einem Bikram Kurs gelandet ist, würde dieser Aussage vehement widersprechen. Gleichzeitig kursieren in Verbindung mit Yoga immer wieder Bilder von Menschen im Handstand oder mit hinter dem Kopf verschränkten Beinen. Ist das Yoga? Muss ich besonders stark und flexibel sein, um überhaupt auf die Matte zu dürfen? Auch wieder ein klares «Nein». Angebote gibt es für jedes Fitnesslevel und jede Körperform.
Yoga bedeutet «Verbindung» oder «Einheit» und ist als spirituelle Praxis in Indien entstanden, um Körper und Geist in Einklang zu bringen und Erleuchtung zu erreichen. Anfangs kam Yoga ganz ohne «Fitnessübungen» aus, sondern war eine rein meditative und philosophische Praktik. In den letzten 5000 Jahren entwickelten sich zahlreiche Yogawege – Nach Jnana Yoga (Yoga des Wissens), Bhakti Yoga (Yoga der Hingabe) und Karma Yoga (Yoga des Handelns) entstand zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert Hatha Yoga und damit der erste Stil, der Körperhaltungen (Asanas) und Atemübungen (Pranayama) einführte. In einem gesunden Körper wohnt auch ein gesunder Geist, so die Theorie. Außerdem ist ein trainierter Körper stundenlanger Meditation deutlich besser gewachsen.
Aus dem Hatha Yoga entwickelten sich viele weitere Stile mit Fokus auf eine körperliche Praxis, die weltweit aufgenommen und weiterentwickelt wurden. Heute ist der spirituelle Gedanke insbesondere in westlichen Ländern dem Fitnessaspekt deutlich gewichen. Ziel ist und bleibt jedoch noch immer, durch die körperliche Praxis auch den Geist zu trainieren, also mentale Widerstandskraft und Ruhe zu erlangen.
Dies im Hinterkopf, kannst du dich an die Auswahl des passenden Kurses für dich machen:
Hatha Yoga
84 unterschiedliche Körperhaltungen wurden mit dem Hatha Yoga eingeführt, die heute in unzähligen Variationen praktiziert werden. In einer Hatha Stunde kombiniert die Lehrerin oder der Lehrer einen Auszug dieser Haltungen sinnvoll und aufeinander aufbauend. Die Kurse sind meist ruhig, mit vielen Modifikationen und starkem Fokus auf eine bewusste Atmung, sodass du dein persönliches Limit finden und deinem Körper entsprechend üben kannst.
Zu wem passt Hatha Yoga?
Hatha Yoga ist besonders gut zum Einstieg, du kannst dich an die gängigsten Posen gewöhnen und lernst diese sauber auszuführen. Je nach Lehrerin oder Lehrer können Hatha Stunden auch richtig schweißtreibend werden. Da die Haltungen aber langsam und nacheinander eingenommen werden, hast du Zeit, dein eigenes Tempo und Schwierigkeitsgrad zu finden.
Vinyasa Yoga
Vinyasa oder auch Flow bedeutet «fließend». Im Gegensatz zum Hatha, gehen die Körperhaltungen in diesen Stunden nahtlos ineinander über. Das macht diese Klassen dynamischer. Anstatt länger an einer Haltung zu üben, wird zumeist eine Bewegungsabfolge mehrfach wiederholt und auf diese Weise ein Trainingseffekt erzielt.
Zu wem passt Vinyasa Yoga?
Vinyasa Yoga ist ideal für dich, wenn du dich schnell langweilst und ein bisschen mehr herausfordern möchtest. Bestenfalls kennst du die grundlegenden Haltungen schon oder bringst ein gewisses Maß an Kraft und Ausdauer mit. Es gibt aber auch sogenannte «Slow Flow»-Klassen, die besonders ruhig gestaltet sind und mehr Fokus auf bewegte Entspannung legen.
Iyengar Yoga
B.K.S. Iyengar entwickelte diesen Yogastil (eine Abwandlung von Hatha Yoga) in den 1930er und 40er Jahren, um Menschen jeden Alters und körperlicher Voraussetzungen eine gesunde Yogapraxis zu ermöglichen. Durch den Einsatz von Blöcken, Gurten, Kissen und auch Stühlen stellte er eine besonders korrekte und sichere Durchführung aller Körperhaltungen sicher. Das mag entspannt klingen, richtig ausgeführt sollte eine Haltung auch keinen Schmerz verursachen, der Muskelkater lässt trotzdem grüßen.
Zu wem passt Iyengar Yoga?
Iyengar Klassen sind eher langsam und detailliert. Instruktionen werden sehr genau erteilt und die Ausführung kontrolliert. Besonders Einsteigerinnen und Einsteiger erhalten hier wertvolles Wissen für eine langfristige, sichere Praxis. Genauso können aber auch Fortgeschrittene ihre Haltungen in diesen Kursen verbessern.
Yin Yoga
Beim Yin Yoga geht es rein um Entspannung und Wohlbefinden. Es werden dehnende Haltungen eingenommen und zwischen drei und 20 Minuten gehalten. Der positive Effekt auf Muskeln, Bindegewebe und Gelenke soll vor allem durch das lange Verweilen in einer Pose entstehen.
Zu wem passt Yin Yoga?
Yin ist perfekt, wenn du dir etwas Gutes tun möchtest, ohne zu schwitzen. Die Dehnungen sind intensiv, aber entspannend, so dass du Ruhe und Achtsamkeit kultivieren kannst. Gleichzeitig ist diese Praxis sehr meditativ.
Restorative Yoga
Im Restorative Yoga geht es ebenfalls um Entspannung, jedoch mit mehr Fokus auf Heilung und Stressabbau. Im Gegensatz zum Yin werden vermehrt zusätzliche Hilfsmittel wie Decken und Kissen eingesetzt, um die Dehnungen noch angenehmer zu machen.
Zu wem passt Restorative Yoga?
In diesen wohltuenden Stunden bist du richtig, wenn du einen Ausgleich zu einem stressigen Alltag oder anderen sportlichen Aktivitäten suchst und einfach nur entspannen möchtest.
Kundalini Yoga
Im Yoga geht es auch viel um Energien im Körper, Blockaden zu lösen und einen freien Energiefluss zu ermöglichen. Im Kundalini Yoga sollen diese durch dynamische Bewegungen, Atemübungen, Gesänge (Mantras) und Meditation aktiviert werden.
Zu wem passt Kundalini Yoga?
Kundalini ist eine sehr bewusste und achtsame Praxis. Die Kurse sind ruhig und sanft zum Körper. Ideal für Einsteigerinnen und Einsteiger, die auch spirituell interessiert sind.
Ashtanga Vinyasa
Ashtanga Vinyasa (nicht zu verwechseln mit Ashtanga Yoga, was sich auf eine Yogaphilosophie bezieht) ist eher anspruchsvoll. Es gibt sechs festgelegte Serien, von denen in den meisten Yogastudios nur die erste praktiziert wird. Jede Serie besteht aus einem Warm-Up, stehenden, sitzenden und ein paar fortgeschrittenen Posen wie Armbalancen sowie einer ruhigeren Abschlusssequenz. Die Bewegungen folgen dabei streng der Atmung, was die Konzentration erhöht und zu einem meditations-ähnlichen Zustand führt. In sogenannten «Mysore Style» Klassen übst du die Serie eigenständig und erhältst nur Hilfestellungen. Ashtanga Stunden gehen meist 90 bis 120 Minuten.
Zu wem passt Ashtanga Vinyasa?
Ashtanga richtet sich an Fortgeschrittene, die die Grundhaltungen schon gut kennen und regelmäßig trainieren. Die Serie wird ohne Pause am Stück praktiziert, du solltest Disziplin sowie etwas Kraft und Ausdauer mitbringen. Jede Stunde läuft genau gleich ab, das kann manche Teilnehmende langweilen oder ganz besonders motivieren, da Fortschritte schnell sichtbar werden.
Jivamukti Yoga
Jivamukti wurde 1984 von Sharon Gannon und David Life in New York entwickelt und ist ein fortgeschrittener Stil, der Körperhaltungen und eine spirituelle Praxis kombiniert. Wie im Vinyasa gehen die Haltungen fließend ineinander über und wie im Ashtanga gibt es eine feste Struktur, die jedoch weniger streng eingehalten wird. Begleitet von Mantren, Atemübungen und Meditation ist Jivamukti deutlich spiritueller als andere westliche Yogaangebote.
Zu wem passt Jivamukti Yoga?
Zum Jivamukti solltest du eine gewisse Grundfitness oder Yoga-Erfahrung sowie Interesse an Spiritualität mitbringen. Wenn das auf dich zutrifft, verlässt du die Jivamukti-Klasse wahrscheinlich geistig und körperlich vollkommen entspannt.
Bikram / Hot Yoga
Hot Yoga ist keine Übertreibung. Beim Bikram wird eine Serie von 26 festgelegten Posen bei circa 40 Grad Celsius Lufttemperatur praktiziert. Die Hitze macht den Körper dehnbarer. Durch die erhöhte Schweißproduktion soll der Körper angeblich entgiften. Eine Klasse dauert zumeist 90 Minuten.
Zu wem passt Bikram Yoga?
Die Bikram Praxis ist physisch sehr intensiv und nicht zu empfehlen für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen. Suchst du eine Herausforderung und magst eine schweißtreibende Praxis? Dann probiere es aus.
Rocket Yoga
«Ist das noch Yoga?», fragen sich manche, wenn sie «Rocket Yoga» hören. Tatsächlich fokussiert sich dieser Stil beinahe ausschließlich auf die körperliche Praxis. Basierend auf dem traditionellen Ashtanga entwickelte Larry Schultz in den 80gern in San Francisco dieses neue Angebot, das mehr Flexibilität und Freiheit in die Praxis bringen sollte. Mit vielen Armbalancen und Umkehrhaltungen sind diese Kurse sehr anspruchsvoll.
Zu wem passt Rocket Yoga?
Du praktizierst bereits seit einer Weile Yoga und suchst nach einer neuen Herausforderung? Dann könnte Rocket das Richtige für dich sein. Hier kannst du dich an fortgeschrittenen Posen ausprobieren und deine Praxis auf das nächste Level bringen. Der spirituelle Aspekt ist jedoch gering.
Power Yoga
Auch Power Yoga entstand in den USA in Folge der zunehmenden Fitnessorientierung im Yoga. In Power Yoga Stunden gibt es keinen festen Ablauf. Lehrerinnen und Lehrer können ihre Klassen frei gestalten. Zwar werden klassische Yogahaltungen genutzt und viel Fokus auf den Atem gelegt, der Schwerpunkt liegt aber auf Kraft und Ausdauer.
Zu wem passt Power Yoga?
Wenn du generell sportlich bist und dir Yogahaltungen Spaß machen, kommst du beim Power Yoga auf deine Kosten und auf der Matte richtig ins Schwitzen. Du trainierst Kraft, Flexibilität sowie Balance. Diese Klassen geben einen ordentlichen Energiekick.
Acro Yoga
«Acro» steht für Akrobatik und kombiniert Yoga mit Elementen aus der Artistik. Hier wird zu zweit gedehnt, gekräftigt und geflogen, denn Ziel der Stunde ist es, gemeinsam Hebefiguren auszuüben. Spielerisch fördert das nicht nur Kraft und Balance, sondern auch Vertrauen und Kommunikation.
Zu wem passt Acro Yoga?
Acro Yoga ist auf jeden Fall etwas für extrovertierte und experimentierfreudige Menschen. Die Klassen lassen sich an jedes Level anpassen, so können auch Einsteigerinnen und Einsteiger mitmachen. Bestenfalls bringst du direkt eine Freundin oder einen Freund mit, aber zumeist lassen sich auch vor Ort Gruppen bilden.
Aerial Yoga
Beim Aerial Yoga wird ebenfalls geflogen: Du führst Haltungen mit Hilfe eines an der Decke befestigten Schlauchtuches aus. Ursprünglich sollte dieses Hilfsmittel Menschen mit Gelenkproblemen eine gesunde Praxis ermöglichen. Das Tuch bietet viel Halt, sodass auch Ungeübte schnell anspruchsvollere Haltungen einnehmen können.
Zu wem passt Aerial Yoga?
Abenteuerlustige jeden Levels werden beim Aerial Yoga ihren Spaß haben. Die Praxis mit dem Tuch ist spielerisch. Für Fortgeschrittene kann das eine interessante Abwechslung sein, Einsteigerinnen und Einsteiger können sich hier kreativ ausprobieren. Solltest du eher spirituell interessiert sein, wirst du hier dagegen wahrscheinlich leer ausgehen.
Es ist wahrscheinlich keine Überraschung: Solche Klassen haben nichts mit dem ursprünglichen Yoga und schon gar nichts mit Spiritualität zu tun. Insbesondere beim Yoga mit Tieren – ob Welpen oder Ziegen – solltest du hinterfragen, ob das Angebot aufgrund des erhöhten Stress- und Verletzungsrisikos wirklich tierfreundlich ist. Abgesehen vom Tierschutzaspekt, muss man hier aber auch nicht zu verbissen sein: Solche Angebote können auch ein Eintrittstor zu einer regelmäßigen, ernsthaften Yogapraxis sein.
Bestenfalls hast du jetzt eine Idee, ob Yoga überhaupt was für dich ist oder welchen Kurs du im nächsten Schritt besuchen möchtest. Wahrscheinlich triffst du unterwegs auf unterschiedliche Lehrerinnen und Lehrer, die dir mehr oder weniger zusagen. Hier heißt es: Offen sein, ausprobieren und auf deinen Körper hören – so wirst du deinen Lieblingskurs sicher bald finden.
Quellen:
Freie Texterin, Biologin und Yogalehrerin. Fasziniert von Natur, Körper und Geist bin ich eine große Frischluft- und Bewegungsfanatikerin und schreibe am liebsten über alles, was uns gut tut!