Zahnhygiene leicht gemacht: Der Tetrapot lagert die elektrische Zahnbürste kopfüber
Rückstände an Zahnbürste, Ladestation und Waschbecken nach dem Zähneputzen stressen uns alle, nur spricht niemand darüber. Carla Otto hat das Problem mit einem Halter gelöst, der deine elektrische Zahnbürste kopfüber fixiert.
Eigentlich sollten wir Zahnbürsten immer sorgfältig trocknen lassen, damit sich keine Keime ausbreiten können. Wenn wir sie nach dem Zähneputzen ohne Abtrocknen aufrecht hinstellen, tropft jedoch oft eine Mischung aus Speichel und Zahnpasta am Griff herunter. Die Frankfurterin Carla Otto hat sich gefragt, ob es besser wäre, Zahnbürsten umgekehrt aufzustellen. Also erfand sie den Halter «Tetrapot», mit dem elektrische Zahnbürsten in einem Gefäss kopfüber stehen können. Das Produkt ist patentiert und kommt bald auf den Markt. Offen ist noch, wie.
Durch Design mehr Auswahl bieten
Der Tetrapot ist nur eines von Carlas Projekten. Die 37-Jährige arbeitet hauptberuflich bei einer Bank im Bereich IT-Innovation und macht gerade einen MBA in Digital Transformation Management. Doch sie träumt schon immer davon, etwas zu erfinden. «Ich möchte Dinge verändern, und zwar nicht durch Verbote, sondern durch neue Angebote», sagt sie. «Produkte sollten sich an den Menschen anpassen, nicht umgekehrt.» Carla schloss einen Bachelor in Integrated Design an der Köln International School of Design (KISD) ab. Anschliessend war sie für verschiedene Agenturen tätig. Obwohl sie dort viel lernte, wollte sie sich weiterentwickeln, wechselte nach einigen Jahren zur Berufsfeuerwehr und später zur Bank. «Der kleinste gemeinsame Nenner meines Werdegangs ist, dass ich stets neue Rollen einnehme, und am liebsten solche, bei denen ich etwas Neues schaffen kann.»
Du sagst, du wolltest schon immer etwas erfinden – wann ist dir Design zum ersten Mal bewusst begegnet?
Carla Otto: Ich bin in der Werkstatt meines Vaters aufgewachsen und meine Mutter ist Buchbinderin. Ich denke, das hat meinen Bruder und mich dazu inspiriert, Dinge selbst zu machen.
Was war das Erste, das du entworfen hast?
Eine Leder-Handtasche, die wie die gestreifte Tigerente aussieht.
Heute kommt dein erstes patentiertes Design einfarbig, aber nicht einfältig daher. Wie kam es zur Idee des Tetrapot?
Ich habe bemerkt, dass es bei Nutzerinnen und Nutzern elektrischer Zahnbürsten zwei Gruppen gibt: «Team Sauber» und «Team Sabber». Im «Team Sabber» spült die Zahnbürste nicht aus und stellt sie quasi direkt nach dem Putzvorgang einfach hin. Hier sind es mehr Leute, auch wenn das niemand gerne zugibt. Dabei wäre Hygiene so leicht – wenn du die Zahnbürste auf den Kopf stellst. Da die Wenigsten immer ein Tuch zum Abtrocknen zur Hand nehmen, dachte ich an ein Objekt, das die Zahnbürste kopfüber auf jedem Gefäss hält. So bleiben die Zahnbürste sowie die Ladestation oder das Waschbecken sauber.
Weshalb hast du dich dazu entschieden, ausgerechnet diese Idee umzusetzen?
Mich interessieren Tabu-Themen. Zahnhygiene wird oft tabuisiert, und niemand in meinem Umfeld spricht über die unangenehmen Rückstände beim Zähneputzen. Besonders fiel mir das lästige Übel auf, als ich von weisser auf schwarze Zahnpasta wechselte und den unschönen Schaum an meiner Zahnbürste herunterlaufen sah. Eine Klobürste lässt du ja auch nicht ohne Halterung herumliegen, warum also eine verschmutzte Zahnbürste? Alle möchten saubere Zähne, aber nur wenige achten darauf, wie sauber ihre Zahnbürste ist.
Der Tetrapot ist speziell für elektrische Zahnbürsten gedacht. Warum nicht für Handzahnbürsten?
Normale Zahnbürsten werden nicht so schmutzig, vielleicht weil sie schräg stehen oder aus einem Stück bestehen. Für sie gibt es bereits viele Halterungen, auch für kopfüber. Diese funktionieren jedoch nicht bei elektrischen Zahnbürsten, da sie zu gross und schwer sind. Deshalb stehen sie senkrecht. Nach dem Putzen mit elektrischen Zahnbürsten kann sich Wasser durch die enge Passform von Bürste und Griff in die Ritzen ziehen, ähnlich wie bei einem Füller. Das passiert auch auf der Ladestation. Wie das aussieht, habe ich in einer Brutal Truth Gallery gesammelt.
Dein Entwurf passt zu 95 Prozent aller elektrischen Zahnbürsten und auf viele verschiedene Gläser oder Tassen. Wie bist du auf diese Form gekommen?
Am Anfang gab es viele Modelle. Zuerst sah es aus wie ein Halter für Klobürsten, aber die elektrische Zahnbürste fiel immer heraus, weil der Schwerpunkt an einer ungünstigen Stelle sitzt. Während eines Urlaubs in Griechenland, als ich am Hafen von Samos auf die Fähre nach Patmos wartete, sah ich Tetrapoden – vierbeinige Wellenbrecher. Diese geometrischen Objekte faszinierten mich, weil sie leicht wie Spielzeug aussehen, aber dennoch immer stabil sind. Ich nutzte ihre Form für meinen Prototyp und fügte die ausgesparte Passform hinzu, um der langen Zahnbürste Halt zu geben. Manchmal kommen einem die besten Ideen, wenn du Abstand gewinnst.
Aktuell wird der Tetrapot im 3D-Druck hergestellt, bleibt das so?
Das hängt von der weiteren Entwicklung und der Produktionsmenge ab. Möglicherweise entscheide ich mich für das Spritzgussverfahren, was eine zweiteilige Fertigung bedeuten würde. Ich hole gerade Preise von verschiedenen Produzenten ein und mache mir Gedanken über Lieferketten. Bei einer Lizenzvergabe an ein Unternehmen wie Procter&Gamble oder Philips bliebe es bei Kunststoff. Eine Luxus-Version könnte hingegen vergoldet und aus Metall sein.
Du hast für Tetrapot ein Patent angemeldet. Was ist damit geschützt?
Typisch für eine Patentierung ist es, eine neue Technologie zu entwickeln und sie in Produktanwendungen einzusetzen. Es gibt nicht viele Privaterfinder wie mich, schon gar nicht Erfinderinnen. Ich habe das Produkt erst marktreif entwickelt und es dann samt des Designs patentiert, da ich Solo-Entrepreneur bin und keine Investoren habe. Die Patentierung ist das wichtigste Asset meines Unternehmens. Ohne Schutz könnten Firmen wie Temu oder AliExpress meine Idee ungehindert kopieren. Übrigens sind auch andere Varianten des Tetrapots sowie die Integration einer Ladestation gesichert. Diese entwickle ich aktuell zum Industrieprodukt.
Was kostet ein Tetrapot?
Der Preis ist noch nicht endgültig und hängt stark vom Material ab, aber er wird wahrscheinlich unter 20 Euro liegen.
Wie gehst du damit um, wenn jemand dein Design als Lösung für ein Luxusproblem bezeichnet?
Das hat bisher niemand gesagt. In Industrienationen können viele Probleme als Luxusprobleme gelten. Eine elektrische Zahnbürste ist sicher ein Luxusgut, doch ihr Produktfehler störte mich täglich und erinnerte mich daran, warum ich Design studiert habe. Als Jugendliche war ich politisch aktiv, daher wäre es naheliegend gewesen, nach der Schule in die Politik zu gehen. Politik gestaltet oft durch Verbote. Am Design schätze ich besonders, dass man durch Angebote Prozesse verändern und den Menschen die Wahl geben kann, sich anders, vielleicht besser, zu verhalten.
Was hat dich in den letzten zweieinhalb Jahren bei der Arbeit am Tetrapot am meisten überrascht?
Dass es sich lohnt, seine Ideen weiterzuverfolgen. Ich habe anderthalb Jahre darauf verwendet, das Patent zu sichern, und dabei viel über Designschutz, Materialien, Produktion und den oligopolistischen Markt der Zahnbürstenindustrie gelernt. Es ist wichtig, sich Rat zu holen, aber noch wichtiger, auf die eigene Intuition zu hören – privat wie beruflich.
Was wäre dein Wunsch-Szenario für den weiteren Verlauf dieses Projekts?
Mit Tetrapot und dem Patent möchte ich langfristig Einnahmen generieren, um weitere Ideen umzusetzen. Zurzeit suche ich über meine Website nach Test-Userinnen und -Usern, um die Bedürfnisse der Zielgruppe besser zu verstehen. Philips hat in der Vergangenheit private Patente für seine Sonicare gekauft – vielleicht interessieren sich auch andere Marken für mein Design. Es gibt drei mögliche Ergebnisse: Erfolg, teilweiser Erfolg oder Misserfolg. Wichtig ist mir, dass das Produkt Diskussionen anregt. Design hat die Kraft dazu, und Tetrapot darf gerne mit Humor betrachtet werden.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.