Zuckerberg bei Rogan: Ich habe mir drei Stunden Interview gegeben, damit du nicht musst
Interviews mit Mark Zuckerberg sind selten. Vergangene Woche war der Meta-CEO zu Besuch bei Joe Rogan, im meistgehörten Podcast der Welt. Geschlagene drei Stunden dauerte das Gespräch. Ein Augenschein eines Überlebenden.
Fünfundsechzig. Ich habe gezählt. 65 Mal sagte Mark Zuckerberg während seines dreistündigen Interviews mit Joe Rogan den Satz «I don’t know.» Diese erstaunliche Ahnungslosigkeit fasst weite Züge des Gesprächs zusammen. Als Teil meiner Reise in Zuckerbergs Universum habe ich mir den Podcast angehört. Er ist ein Heuhaufen an Floskeln. Folgende fünf Nadeln der Erkenntnis habe ich darin gefunden:
1. Ein neues VR-Headset kommt im Oktober
Die einzige richtige Neuigkeit war wohl der Grund für Zuckerbergs Besuch bei Rogan: Er kündigte gleich zu Beginn ein neues Virtual-Reality-Headset an, das im Oktober erscheinen soll. Die grösste Innovation daran ist ein neues Face Tracking, das die Bewegungen der Augen sowie die Mimik erkennen kann. Damit kannst du laut Zuckerberg in Zukunft virtuelle Treffen mit Augenkontakt haben. Und wenn du lächelst, lächelt auch dein Avatar im Metaverse. Mehr Details sind noch nicht offiziell bekannt, es dürfte sich aber um das bereits geleakte Project Cambria handeln.
Im Verlauf des Podcasts macht Zuckerberg klar, dass er in Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) die nächste Generation von Interaktion zwischen Mensch und Technologie sieht. Als kurze Erklärung: In VR-Headsets schaust du auf ein Display und bist von der physischen Umwelt abgeschirmt. Diese wird allenfalls mit Kameras aufgenommen und auf dem Display gezeigt – das nennt sich dann Mixed Reality. AR-Headsets sind hingegen Brillen, durch die du ganz normal sehen kannst. Sie projizieren Text, Bilder oder sogar digitale Hologramme vor deine Augen und reichern so die physische Welt mit digitalen Zusätzen an.
Meta forsche aus beiden Richtungen: AR-Brillen mit gutem Formfaktor, aber Abstrichen bei der Bildqualität, und VR-Geräte mit hochauflösenden Displays und Kameras, aber Abstrichen beim Formfaktor. Mit kommenden Generationen würden die beiden Technologien immer mehr zusammenlaufen – und irgendwann sogar eine direkte Schnittstelle zum menschlichen Gehirn haben.
2. Die digitale Welt soll die physische verdrängen
Im Podcast wird Zuckerbergs Zukunftsvision deutlich: Alles, was nicht zwingend physisch sein muss, kann weg. Fernseher? Von gestern, in Zukunft werden Filme in die VR- oder AR-Brille projiziert. Pendeln? Nicht mehr nötig, du wirst virtuell ins Büro teleportiert. Besuche bei Freundinnen und Freunden? Überflüssig, in fünf Jahren spielt Hologramm-Mark Hologramm-Poker mit Hologramm-Joe – auf dem virtuellen Mond.
Statt anderen Menschen physisch zu begegnen, sollen wir uns ortsunabhängig verbinden können. In AR-Brillen werden Textnachrichten direkt eingeblendet. Mit einer subtilen Geste des Handgelenks kannst du sofort eine Antwort senden, die Brille liest dabei deine Gedanken. Bei diesem Beispiel wird es Rogan mulmig: «Das klingt nach einer massiven Ablenkung! Ich habe heute schon Mühe, die Aufmerksamkeit meiner Tochter zu halten, weil sie ständig aufs Handy schaut.» Es ist einer der seltenen Momente im Gespräch, in denen Rogan Zuckerberg kritisch hinterfragt. Den kumpelhaften Interview-Stil bin ich mir vom Podcast-Host zwar gewohnt, dieses Mal vermute ich aber zusätzlich strenge Auflagen von Zuckerbergs PR-Team.
Dass eine solche Technologie dazu führen könnte, dass sich Menschen im physischen Leben weniger verbunden fühlen, scheint Zuckerberg nicht in Betracht zu ziehen. Oder es ist ihm egal. Er ist der festen Meinung, die Metaverse-Revolution sei zum Wohle der Menschheit: «Augmented Reality wird viel gesünder für uns sein, als all diese Inhalte auf einem kleinen Portal wie unseren Smartphones zu konsumieren.»
3. Soziale Medien zum Wohle der Menschheit
Wo soll all die Zeit herkommen, die du künftig in der virtuellen oder gemischten Realität verbringen wirst? Wenn es nach Zuckerberg geht, wird sie von den klassischen Medien abgezwackt. «Ich will, dass die Erlebnisse, die wir haben, keine passiven Dinge sind. Es gibt eine Menge an Fernsehzeit, die wir auffressen können.» Er wolle nicht, dass Menschen mehr Zeit an Bildschirmen verbringen.
Ironischerweise verbringt der Vater von Facebook die nächste Stunde damit, genau die Algorithmen seiner Plattformen zu verteidigen, die immer stärker zu passivem Konsum anregen. Sein erklärtes Ziel: Die künstliche Intelligenz soll zu grossen Teilen entscheiden, was du siehst. Denn sie weiss besser als du selbst, was du willst.
4. Verantwortung auslagern statt selber übernehmen
Zu den Themen Desinformation und Zensur bringt der Podcast wenig bis gar keinen Erkenntnisgewinn. Zuckerberg argumentiert stets in die gleiche Richtung: Bei über drei Milliarden Usern komme es zwangsweise zu Problemen. Die Verantwortung für die Moderation der Plattformen versucht Meta mit Geld zu lösen. Das «Verteidigungsbudget» sei mit fünf Milliarden Dollar mittlerweile grösser als das der meisten Staaten.
Damit bezahlt Meta unter anderem externe Organisationen, die Fakten überprüfen sollen. Sie entscheiden, welche Inhalte abgestraft werden. Mit dieser Gewaltentrennung will Zuckerberg sich selber aus der Verantwortung nehmen: «Ich will diese Dinge nicht beurteilen. Ich will Menschen miteinander verbinden.»
5. Mark Zuckerberg bleibt unnahbar
Während Elon Musk bei seinem berühmt-berüchtigten Besuch bei Rogan einen Joint paffte – hier findest du das Youtube-Video –, bleibt Zuckerberg so unnahbar wie eh und je. Er spricht zwar über gemeinsame Hobbys wie Kampfsport und erzählt von der hohen Erwartungshaltung seiner Eltern. Doch den wirklich persönlichen Fragen weicht er stets aus. Dreimal will Rogan etwa wissen, wie der Meta-Chef mit dem Druck umgeht, die Realität von über drei Milliarden Menschen zu beeinflussen – dreimal driftet Zuckerberg sofort in Abhandlungen zu Algorithmen oder grundsätzlichen Problemen ab.
Was bleibt? Der Eindruck eines Mannes, der in seiner eigenen Realität lebt – an oder über den Grenzen von Selbstbewusstsein und Arroganz, Naivität und Ignoranz, Vision und Grössenwahn. Ein Mann, der nicht zu wissen scheint, was er tut – «I don’t know.»
Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.