AMD ist toll, stolpert aber immer wieder über sich selbst
AMDs Launch der Ryzen-9000-Serie verlief alles andere als reibungslos. Erst gab es eine Releaseverschiebung, dann folgten gemischte Reviews. An diesen ist AMD primär selbst schuld – wegen falschen Erwartungsmanagements. Nicht zum ersten Mal.
Wie vergrault man Kunden? Etwa mit schlechten Produkten oder falschen Versprechungen. Intel macht gerade in erster Disziplin von sich reden. Konkurrent AMD profitiert bei den Verkäufen bei uns von Intels Fauxpas, leistet sich aber auch eigene Fehltritte. Nicht, dass die Produkte schlecht wären. Das Problem ist die Art, wie sie angepriesen werden. Jüngst geschehen ist das bei den Ryzen-9000-Prozessoren.
Falsche Versprechen bei Ryzen 9000
Bei der Präsentation der neuen Prozessoren hat AMD den Ryzen 7 9700X mit dem Intel Core i7-14700K verglichen. Die Aussage: Sowohl im Gaming als auch bei Produktivität und Content Creation liege die neue CPU vorne. In der Realität ist das Gegenteil der Fall. Gemäss Techpowerup ist der 9700X im Gaming durchschnittlich 2,4 Prozent langsamer als die Konkurrenz von Intel. Computerbase kommt gar auf acht Prozent weniger Bilder pro Sekunde in Games. In anderen Anwendung liegt Intels Prozessor 29 Prozent vor dem neuen AMD.
Zugegebenermassen ist AMDs Neuer deutlich effizienter als die Konkurrenz, aber darauf ging AMD bei der Vorstellung nicht ein. Bei den präsentierten Zahlen schien es sich um absolute zu handeln. Wobei relative – also beide CPUs mit derselben TDP zu vergleichen – zumindest beim Gaming kaum zu grossen Veränderungen der Ergebnisse führen würden. Beim Zocken liegt die Leistung in Watt weit unter der maximal möglichen und die CPUs näher beieinander.
Im Vorfeld des Releases hat AMD angekündigt, dass der 9700X den aktuellen Gaming Champ 7800X3D nicht ganz schlagen soll. An den AMD Tech Days sollen Verantwortliche von AMD das umgekehrte behauptet haben. Fakt ist: Ob knapp oder gar nicht, beides ist falsch. Der 9700X liegt deutlich, je nach Review zwischen acht und zwölf Prozent, hinter dem 7800X3D.
Generell lässt sich sagen, dass Ryzen 9000 eine geringere Generation-zu-Generation Leistungssteigerung als die vorangegangenen mit sich bringt. Zumindest in den für die meisten Konsumentinnen und Konsumenten wichtigen Bereichen wie Gaming oder Produktivität.
AMD hätte aufgrund der moderaten Leistungssteigerung beim Preis ansetzen können und Zen 5 als günstigere und effizientere Version von Zen 4 anpreisen. Derzeit sind die Zen 5 Chips im Vergleich zu Zen 4 schlicht zu teuer. Aber der Chipdesigner hat sich anders entschieden. Das Produkt wurde als toll fürs Zocken angepriesen und die Kundschaft im Vorfeld damit in die Irre geführt. Das geschieht nicht zum ersten Mal.
Ähnliches bei Radeon 7900 XTX, 7900 XT, 7700 XT und 7600
Den Präzedenzfall für falsche Versprechen hat AMD mit dem Launch der Radeon-7000-Serie geliefert. So wurde etwa das Flaggschiff Radeon RX 7900 XTX als bis zu 1,7 Mal so schnell wie die Vorgängerin RX 6950 XT angepriesen. Damit wäre die Karte in Reichweite der RTX 4090. Und das zu einem Einführungspreis von 1000 US-Dollar. Wie sich etwa in den Tests von Techspot herausstellte, liegt der Leistungszuwachs aber «nur» bei 1,35 Prozent. Damit konkurriert die RX 7900 XTX mit der RTX 4080, die in einem ähnlichen Preissegment liegt, aber mit DLSS und besserer Raytracing Performance mehr bietet. In meinem Review titelte ich entsprechend «Die Radeon RX 7900 XTX lässt mich kalt». Nicht, weil sie eine schlechte Karte ist, sondern weil ich aufgrund des Marketings von AMD eine andere Erwartungshaltung hatte.
Die kleine Schwester RX 7900 XT hätte im Produktportfolio Sinn machen können, aber nicht zum Launchpreis von 900 US-Dollar. Denn in Tests von Computerbase ist die Karte über 15 Prozent langsamer als die RX 7900 XTX. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmte hier zum Launch schlicht nicht.
Bei der Radeon RX 7700 XT wiederholte AMD den gleichen Fehler. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Karte im Vergleich zur Radeon RX 7800 XT war zum Launch zu schlecht. Bei der RX 7600 wollte es AMD dann in letzter Sekunde besser machen und senkte den Launchpreis kurz vor Release. Aber so spät, dass in gewissen Tests gar nicht mehr darauf reagiert werden konnte. Aber auch die Last-Minute-Preisreduktion änderte nichts an der Tatsache, dass die Karte zum Launch ein schlechter Deal war.
Nicht nur bei Hardware Launches stolperte AMD die letzten Jahre. Durch Nvidias DLSS Frame-Generation-Technologie fühlte sich AMD unter Druck gesetzt und hat die eigene Technologie zu früh angekündigt. FSR 3 Frame Generation wurde mit den Radeon-7000-Karten im November 2022 vorgestellt. Erschienen ist die Technologie dann erst im September 2023. Sie war zum Release aber unbrauchbar und lediglich in zwei Spielen verfügbar. Auch hier hat AMD durch das Marketing falsche Erwartungen geschürt.
AMD bitte geh zurück zu deinen Underdog-Qualitäten
Ich mag AMD. Sehr sogar. In meinen eigenen Rechnern verbaue ich seit Ende der Neunziger nur CPUs des Red Teams. Mir war und ist das Unternehmen (noch) sympathisch. Der Grund dafür: Sein Status als Underdog.
Das Narrativ des Underdogs scheint sich nun zumindest bei den CPUs gedreht zu haben. AMD hat derzeit schlicht die besseren Produkte als Intel. Vielleicht nicht bei der Rohleistung, aber über die Gesamtheit hinweg gesehen. Dabei macht AMD aber ähnliche Fehler wie Intel. Statt Produkte korrekt anzupreisen, werden falsche Versprechen gemacht. Das mag derzeit, wo Intel am Boden ist, funktionieren. Sollte sich der angeschlagene Chipgigant wieder erholen, könnte sich das rächen. Vielleicht sollte sich AMD wieder auf seine Stärken als ehemaliger Underdog besinnen: Wenn ein Produkt die eigenen Erwartungen nicht erfüllen kann, es realistisch vermarkten. Das hat das Unternehmen bislang nämlich ausgezeichnet.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.