Meinung

«Assassin’s Creed»: Eine Ode an bombastische Open-World-Riesen

Debora Pape
5.10.2023

«Asassin’s Creed Mirage» will sich wieder mehr auf den Ursprung der Spielreihe besinnen. Das macht mir Sorge: Die großen Spielwelten seit «Origins» waren für mich Liebe auf den ersten Blick.

Mein Kollege Luca freut sich, dass «Assassin’s Creed Mirage» sich wieder mehr auf die Wurzeln der «AC»-Reihe besinnen will. Mehr Stealth, weniger Nebenquests, weniger Skillpunkte-Grind. Okay, ich nage mir auch schon in Vorfreude auf den neuesten Ableger von «Assassin’s Creed» die Fingernägel ab. Definitiv werde ich Bagdad auch einen umfangreichen Besuch abstatten.

  • Kritik

    «Assassin's Creed Mirage»: Die Rückkehr zu alten Stärken – und einem neuen Credo

    von Luca Fontana

Aber heute geht es mir gar nicht um «Mirage». Sondern darum, was ein «Assassin’s Creed»-Spiel sein sollte. Darüber diskutiert die Spielerschaft schon jahrelang. Das Problem: Entwickler Ubisoft hat 2017 aus einem bewährten Spielkonzept ein völlig anderes Spiel gemacht und dadurch zwei Zielgruppen vermischt. Jetzt versucht Ubisoft seit Jahren, Alt- und Neu-Assassinen zufriedenzustellen.

Der Zankapfel: Parcours vs. Open World

Die «Assassin’s Creed»-Serie erblickte im Jahr 2007 das Licht der Welt. Danach brachte Ubisoft in schöner Regelmäßigkeit neue Ableger heraus. Alle behandeln einen anderen Teil der Weltgeschichte. Aber sie alle waren als Kletter- und Schleich-Parcours designt. Assassine Altaïr etwa kletterte 2007 flink über die Dächer Jerusalems und meuchelte seine Widersacher schleichend oder im Sprung. Sein Nachfahre Ezio tat es ihm in Florenz, Venedig und Rom gleich.

Spulen wir vor ins Jahr 2017. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit brachte Ubisoft den zehnten Teil der Serie heraus, «Assassin’s Creed Origins». Und der sah nun ziemlich anders aus: Auf unseren Bildschirmen breitete sich ein prächtiges Abbild Ägyptens zur Zeit Kleopatras aus. Die Spielwelt ist riesig, wunderschön und angefüllt mit einer Masse an Aktivitäten. Es gibt mehr zu tun, als mancher Assassine Zeit hat. Auch die Nachfolger «Odyssee» und «Valhalla» schlichen auf diesen Pfaden.

«Origins» ist eine pixelgewordene Götterspeise für die Augen.
«Origins» ist eine pixelgewordene Götterspeise für die Augen.
Quelle: Debora Pape

Und hier liegt nun die Krux. Die einen wollen’s wieder so, wie es früher war: Kleiner, geradliniger, besinnt auf die alten Tugenden. Andere finden die offenen Welten und die Fülle an Möglichkeiten einfach geil. Ich gehöre zu letzteren. Auch deswegen, weil ich erst mit «Origins» zur Assassine wurde und gar nicht weiß, was ich verpasst haben könnte.

Zu viele Nebenquests? Ach was, her damit!

Zugegeben, Open-World-Spiele zu designen ist schwierig. Sind sie zu leer, langweilt sich die Spielerschaft. Sind sie zu voll, überfordern und frustrieren sie. Die neueren «AC»-Teile wurden oft wegen ihres erschlagenden Umfangs kritisiert.

Luca fragt in seinem Beitrag: «Wer hat schon Zeit für all die Nebenaufgaben?» Meine Antwort: Ich! Ich nehme mir die Zeit. Schließlich verbringe ich sie gerne mit etwas, das mir Spaß macht. Für mich sind all die Aufgaben und Aktivitäten kein Nachteil. Dann muss der ausgeraubte Händler eben noch warten, während ich erst irgendwo eine Schriftrolle klaue.

Das einzige Problem, das ich dabei habe, ist: Mein Charakter levelt zu schnell. Denn wer viel erkundet und viel macht, der wird mit Erfahrungspunkten zugeschüttet – und das wiederum schmälert meinen Spielspaß. So bin ich oftmals viel zu früh viel zu stark für die Gebiete, in denen ich unterwegs bin. Und dann gibt es auch noch Fertigkeiten, die meinen Erfahrungspunkte-Gewinn zusätzlich boosten. Pah! Was für eine Verschwendung von Skill-Punkten!

Ubisoft Assassins Creed Mirage (PC)
Game

Ubisoft Assassins Creed Mirage

PC

Für jede Laune ist was dabei!

Du denkst, du kannst es mit einer ganzen Armee aufnehmen? Auf geht’s, die nächste gegnerische Festung ist nicht weit weg. Wenn du Stealth willst, kannst du Stealth haben! Dann wird der Dolch gezückt oder der Pfeilköcher geleert. Versteckt aus dem Busch heraus – oder eben doch recht laut mit oft ungewollten Explosionen.

Du bist erschöpft und hast keinen Nerv für so eine Action? Dann schlendere am Fluss entlang. Genieße das bunte Treiben um dich herum. Screenshotte die Auslagen der Verkäufer oder schaue Handwerkern zu. Die Details der neuen Spielwelten sind ein Augenschmaus.

«Origins»: Dieser Feinschmied arbeitet mit verschiedenen Handgriffen an Schmuckgegenständen.
«Origins»: Dieser Feinschmied arbeitet mit verschiedenen Handgriffen an Schmuckgegenständen.
Quelle: Debora Pape

Dir ist nach Kulturreise? Reite in «Origins» durch die Wüste oder klettere auf die Große Pyramide von Gizeh. Steige auf Aussichtspunkte, entdecke Schätze. Oder lass dich von den verschiedenen Baustilen der Römer, Angelsachsen und Wikinger in «Valhalla» inspirieren.

Du bist genervt? Such dir einen Elite-Krieger, der Jagd auf dich macht, und vermöbel ihn nach Strich und Faden. Er hat es nicht anders verdient.

Du hast gerade eine helle Minute? Nimm dir eine Schatzkarte mit Hinweisen zu versteckten Orten vor. Du musst um die Ecke denken und nach auffälligen Merkmalen in der Landschaft suchen, um das Rätsel zu lösen.

Du bist niedergeschlagen? Suche in «Valhalla» nach einem Weltereignis: Das ist eine Mini-Aufgabe, die oft an Absurdität nicht zu überbieten ist. Witzige NPC-Dialoge oder einfach skurrile Situationen und natürlich Eivors trockener Humor zeigen, dass Ubisoft daran arbeitete, das Spiel abwechslungsreicher zu gestalten.

Zurück zu alter Stärke: Weniger ist weniger?

Für Fans der ersten Stunde ist das alles vielleicht kein richtiges «Assassin’s Creed» mehr. Das mag sein. Ich finde, diese Spiele sind etwas viel Besseres: Eine Spielwiese für Slow-Gamer wie mich, die nicht nur irgendwo herumklettern wollen, sondern auch gerne schwimmen, reiten, Schiffe steuern, entdecken, rätseln und viel mehr. Ubisofts Ansage, «Mirage» etwas einzudampfen und sich auf die Wurzeln zu besinnen, macht mir daher Sorge. Luca sagt dazu: «Weniger ist mehr». Ich befürchte: Weniger ist einfach weniger.

Als Wikinger gehört das Plündern von christlichen Klöstern wie diesem in «Valhalla» natürlich zum guten Ton.
Als Wikinger gehört das Plündern von christlichen Klöstern wie diesem in «Valhalla» natürlich zum guten Ton.
Quelle: Debora Pape

Ja, die Map mit all ihren Symbolen kann schon überwältigen. Nicht, weil es so viel zu tun gibt, sondern weil ich mir wünschen würde, nicht immer nur Icons nachjagen zu müssen. Ich finde es schade, wenn jedes Questziel auf der Karte genau verzeichnet ist und ich nur noch hinlaufen muss. Mir würde es – als optionale Einstellung – besser gefallen, das Interface und die Map etwas minimalistischer präsentiert zu bekommen und selbst das gesuchte Haus an der Straße nach Alexandria zu finden, statt zum Marker auf der Karte zu rennen.

Am Schluss gebe ich aber doch zu: So ein «Origins» oder «Valhalla» kann auch erschöpfen. Es gibt so viel zu tun, dass es schwer ist, ein Ende zu finden – und selbst bei mir lässt nach 150 Stunden irgendwann der Drang nach, alles zu machen. Es gibt schließlich auch noch andere Spiele, die gespielt werden wollen.

Bist du ein Fan der alten Garde, oder weißt du die offenen Welten genauso zu schätzen wie ich? Lass es mich in den Kommentaren wissen!

Titel-Screenshot: Debora Pape, «Assassin’s Creed Valhalla»

Hinweis: In der ersten Version des Artikels schrieb ich fälschlicherweise «Enzo» statt «Ezio». Danke für eure Hinweise, ich habe es korrigiert.

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Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.

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