Kevin Hofer
Produkttest

Die AR-Brille AirVision M1 überzeugt mich nicht

Kevin Hofer
13.4.2025

Asus’ erste Gehversuche in Augmented Reality (AR) enden für mich mit Tränen und Ohrenschmerzen. Die AirVision M1 ist eine einzige Enttäuschung.

Einen Monat lang wollte ich die Augmented-Reality-Brille AirVision M1 von Asus beim Arbeiten und Zocken tragen. Meist habe ich es nicht länger als eine Stunde am Stück geschafft. Schuld daran sind das unscharfe Bild und der miserable Sitz. Dabei war ich im Vorfeld gehypt für das Produkt. Denn die Prämisse eines simulierten 100-Zoll-Displays auf der Nase klingt toll.

Die Bauqualität lässt zu wünschen übrig

Schon beim Auspacken wird meine Euphorie gedämpft. Die AirVision M1 fühlt sich billig an. Das liegt einerseits an den verwendeten Materialien. Das Gestell ist komplett aus Kunststoff – was nichts Schlechtes sein muss. Bei der Asus-Brille fühlt sich das Material jedoch hohl und dünn an. Als mir die Brille aus den Händen zu gleiten droht und ich mit den Fingernägeln den Bügel berühre, sehe ich bereits Kratzer am Gestell.

Die Qualität des Kunststoffs lässt zu wünschen übrig: Kaum ausgepackt hat es auch schon Kratzer auf dem Gestell.
Die Qualität des Kunststoffs lässt zu wünschen übrig: Kaum ausgepackt hat es auch schon Kratzer auf dem Gestell.
Quelle: Kevin Hofer

Zuverlässige Sensoren gepaart mit miesem Mikrofon

Oben befindet sich ein Lichtsensor, der die Bildschirmhelligkeit automatisch an die Umgebung anpasst. Das hat in meinem Test ganz ordentlich geklappt. Ich passe die Helligkeit dennoch lieber selbst an.

Ebenfalls dort angebracht sind Mikrofone. Die Position ist denkbar ungünstig. Denn so spreche ich nicht direkt rein. Die Qualität ist denn auch nicht gut, sondern vergleichbar mit durchschnittlichen In-Ear-Kopfhörern: Ich klinge blechern und aufgrund des eingebauten Noise Cancelling abgehakt. Für mehr als ein kurzes Telefonat möchte ich sie nicht nutzen.

Oben in der Mitte sind der Umgebungslichtsensor und die Mikrofone angebracht. Auf der Innenseite der Sensor zur Trageerkennung.
Oben in der Mitte sind der Umgebungslichtsensor und die Mikrofone angebracht. Auf der Innenseite der Sensor zur Trageerkennung.
Quelle: Kevin Hofer

Auf der Innenseite oberhalb des Nasenbügels befindet sich ein Sensor zur Trageerkennung. Die AirVision M1 erkennt zuverlässig, wenn ich sie auf- oder ablege. Bei Nichtgebrauch schaltet das Display ab.

Unbequemes Teil

Der Nasenbügel lässt sich auswechseln, Asus legt zwei Grössen bei, damit alle den passenden finden. Durch Druck auf die Seiten lassen sie sich in der Breite anpassen. Da ich meist Linsen statt Brille trage, empfinde ich den Druck der rund 90 Gramm schweren Brille auf Dauer als unangenehm. Brillenträger wird dies wohl weniger stören. Die können übrigens korrigierte Gläser anbringen.

Ich finde die AirVision M1 schlicht unbequem.
Ich finde die AirVision M1 schlicht unbequem.
Quelle: Samuel Buchmann

Bezüglich Komfort ist das aber nicht der grösste Negativpunkt. Obwohl ich die Brille durch die Nasenbügel sowohl hardwareseitig als auch softwareseitig über die AirVision App anpassen kann, ist das Bild am unteren Bildschirmrand für mich immer unscharf. Der Grund dafür liegt im Blickwinkel: Meine Ohrmuscheln scheinen für die Brille zu hoch an meinem Kopf festgewachsen. Damit ich den unteren Bereich des Bildes scharf sehe, muss ich die Bügel entweder über die Muscheln klemmen oder ihren oberen Bereich unangenehm von dem Bügel nach unten drücken lassen – Dumbo lässt grüssen.

Entweder habe ich beim Tragen der AirVision M1 Segelohren wie hier oder die Bügel liegen auf meinen Ohrmuscheln auf.
Entweder habe ich beim Tragen der AirVision M1 Segelohren wie hier oder die Bügel liegen auf meinen Ohrmuscheln auf.
Quelle: Kevin Hofer

Funktioniert nur mit Windows richtig und auch da muss ich heulen

Unter Windows kann ich mit der App die Grösse des Darstellungsbereichs anpassen – auf meinem Steam Deck und MacBook hingegen nicht, da die Software dort nicht verfügbar ist. Die App ermöglicht es mir zudem, virtuelle Displays aufzusetzen. Wie das aussehen kann, siehst du im Video von Asus:

In der App kann ich weiter den Augenabstand einstellen. Das ist wichtig, da ich so theoretisch scharf stelle. Leider klappt das in der Praxis nicht. Wenn ich etwa Text lese oder schreibe, stelle ich selbst im Zentrum des Bildes immer eine gewisse Unschärfe fest. Dadurch versuchen meine Augen immer nachzufokussieren. Nach einer Weile ermüden sie und ich bekomme feuchte Gucker. Nach etwa einer Stunde Gebrauch habe ich Kopfschmerzen. Beim Zocken, wo sich das Bild häufig bewegt, fällt mir das zwar weniger auf. Aber dort ist mir die Bildwiederholrate von maximal 72 Hertz in Windows zu wenig.

Zum Zocken ist mir die Bildwiederholrate von 60 Hertz beim Steam Deck zu wenig.
Zum Zocken ist mir die Bildwiederholrate von 60 Hertz beim Steam Deck zu wenig.
Quelle: Samuel Buchmann

Das ist schade, denn sonst liefern die Micro-OLEDs der AirVision M1 zumindest farblich ein knackiges Bild. Die Auflösung von 1920 × 1080 Pixeln pro Auge ist ausreichend. Dank der Helligkeit von 1100 Nits brauche ich die ebenfalls mitgelieferte Sonnenblende, die magnetisch haftet, nur bei direkter Einstrahlung.

Die Farben sind zumindest knackig.
Die Farben sind zumindest knackig.
Quelle: Kevin Hofer

Lautsprecher und physisches Bedienelement versagen

Beidseitig der Bügel befinden sich auf Ohrenhöhe Lautsprecher. Die klingen etwa so, wie jene von Smartphones anno 2010, also flach und blechern. Ich habe sie nur kurz verwendet und danach In-Ears eingesetzt. Zudem sind die Lautsprecher für Umstehende gut hörbar, selbst wenn ich sie leise eingestellt habe.

Am linken Bügel ist ein Touch-empfindlicher Streifen zur physischen Steuerung angebracht. So kann ich etwa durch Wischen die Helligkeit einstellen. Habe ich die App nicht installiert oder verwende ich die Brille an meinem Steam Deck oder MacBook, ist das auch die einzige Steuerungsmöglichkeit. Dank der App kann ich unter Windows weitere Gesten verwenden. Leider reagiert der Streifen unzuverlässig. Häufig muss ich meine Gesten zwei, drei Mal wiederholen, bis ich den gewünschten Effekt erziele.

Über den Touch-Streifen sollte ich die AR-Brille physisch steuern können – das klappt nicht immer.
Über den Touch-Streifen sollte ich die AR-Brille physisch steuern können – das klappt nicht immer.
Quelle: Kevin Hofer

Zusätzlich zur Steuereinheit befindet sich hinten am linken Bügel ein USB-C-Anschluss zur Verbindung mit PC, Notebook, Smartphone oder Handheld. Mich stört das Kabel. Es ist mir ständig im Weg, wenn ich arbeite oder zocke. Aber ich verstehe, wieso es Asus so löst. Einen Akku müsste ich ständig laden und er würde die Brille schwerer machen.

Fazit

Leider nein

Gerne würde ich Positives zur AirVision M1 schreiben. Leider gibt es davon nur wenig. Etwa, dass Asus den Mut hat, sich in diesem Nischenmarkt zu versuchen. Oder dass das Bild hell ist und die Farben knackig.

Die negativen Punkte überwiegen: Die AR-Brille fühlt sich billig an – keine gute Voraussetzung bei einem über 600 Franken/Euro teuren Produkt. Viel schlimmer ist jedoch, dass sie schlicht unbequem ist und ich das Bild nie wirklich scharf sehe. Die letzten Sargnägel sind das unzuverlässige Touch-Steuerelement sowie die unterdurchschnittlichen Mikrofone und Lautsprecher. Kurz: Die AirVision M1 ist einfach ein schlechtes Produkt.

Ich empfehle die AR-Brille deshalb niemandem. Auch jenen nicht, die von ihren Unzulänglichkeiten wissen und etwas Neues ausprobieren wollen. Das Geld investierst du besser in einen neuen Monitor. Die AR-Revolution muss warten.

Pro

  • mutiges, nischiges Produkt für einen etablierten Hersteller
  • helles, farblich ansprechendes Bild

Contra

  • billige Verarbeitung
  • teuer
  • schlechter Tragekomfort
  • unzuverlässige Gestensteuerung
  • ständige Unschärfe
  • unterdurchschnittliche Mikrofone und Lautsprecher
Titelbild: Kevin Hofer

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.

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